# taz.de -- Zivilgesellschaft nach den Wahlen: „Ein Ergebnis, das bitter ist�… | |
> In Hessen und Bayern feiern rechte Parteien Erfolge. | |
> Zivilgesellschaftliche Gruppen fürchten, dass ihr Raum nun noch enger | |
> wird. | |
Bild: Gegendemonstrierende zeigen Flagge am Samstag in Wiesbaden | |
BERLIN taz | Die Zivilgesellschaft in Bayern und Hessen zeigt sich [1][über | |
die Wahlgewinne der AfD bei den Landtagswahlen] entsetzt. Die ersten | |
Prognosen am Wahlabend ließen vermuten, dass die rechte Partei in beiden | |
Bundesländern ihre Ergebnisse der letzten Landtagswahlen 2018 ausbauen | |
konnte. In Hessen ist die Partei den Hochrechnungen zufolge zweitstärkste, | |
in Bayern drittstärkste Kraft geworden. | |
Timmo Scherenberg, Geschäftsführer des Hessischen Flüchtlingsrats, hatte | |
schon im Frühjahr befürchtet, dass die Migrationspolitik der | |
Bundesregierung das bestimmende Thema im Wahlkampf werden würde: „Dass es – | |
[2][insbesondere durch die Kampagne der Bundes-CDU] – so schlimm werden | |
würde, hatte ich nicht gedacht. Wir sehen jetzt das Ergebnis, das natürlich | |
enorm bitter ist.“ Bei vielen Menschen hätten Aussagen über Geflüchtete, | |
die oft nicht an die Realität gebunden gewesen seien, verfangen: „Der | |
Diskurs wurde massiv nach rechts verschoben und jetzt stehen wir vor dem | |
Scherbenhaufen.“ | |
Die Verantwortung dafür sieht er bei der Union: „Die hessische CDU um Boris | |
Rhein hat sich ja sogar vorsichtig distanziert, aber der hessische | |
Wahlkampf hatte einen bundespolitischen Drive. Es ging kaum um hessische | |
Themen.“ Das Ergebnis sei, dass die AfD immer salonfähiger werde: „Die | |
Inhalte dieser Partei dringen in die politische Mitte ein.“ Er hoffe, dass | |
sich die aufgeheizte Lage nach der Wahl beruhigt und dass die Vernunft | |
wieder einziehe. Dennoch rechnet Scherenberg in den nächsten Monaten und | |
Jahren nicht mit fortschrittlicher Politik in Hessen. Er sorgt sich um eine | |
künftige adäquate Versorgung von Geflüchteten, Initiativen wie dem | |
Hessischen Flüchtlingsrat könnte das Leben deutlich schwerer gemacht | |
werden. | |
In Bayern konnte die AfD ebenfalls deutlich besser abschneiden als bei der | |
letzten Wahl. Matthias Weinzierl von der Münchener Initiative Offen | |
Bleiben, die sich für eine solidarische Gesellschaft einsetzt, hatte schon | |
vor der Wahl ein hohes Ergebnis für die AfD befürchtet. Am Wahlabend war er | |
dennoch schockiert: „Wir leben in einem Bundesland, wo eine faschistische | |
Partei zweitstärkste Kraft werden könnte, wo das rechtskonservative Lager | |
über 60 Prozent der Stimmen bekommen hat. Das werden harte Jahre.“ | |
## Hoffen auf den endgültigen Wachrüttler | |
Weinzierl besorgt vor allem der Politikstil, der eine negative Richtung | |
angenommen habe und ihn an die frühen neunziger Jahre erinnere. Das werde | |
ganz konkrete Konsequenzen haben: „Alles, was die Lebenssituation | |
geflüchteter Menschen betrifft, wird sich massiv verschlechtern. Ich kann | |
auch in den Kommunen keinen Willen mehr feststellen, eine | |
gesamtgesellschaftliche Aufgabe gemeinsam zu stemmen.“ | |
Auch Stephan Doll, Vorsitzender der Allianz gegen Rechtsextremismus in der | |
Metropolregion Nürnberg, äußerte sich am Wahlabend „entsetzt“ über das | |
Abschneiden der AfD. Er sieht genau wie Weinzierl eine deutliche | |
Verschlechterung des politischen Stils im Wahlkampf: „Man hat im | |
bayerischen Wahlkampf zuweilen den Eindruck bekommen, hier wird über die | |
Flüchtlingspolitik für die EU und die ganze Welt entschieden.“ | |
Auch Bashing gegen einzelne Parteien, das teilweise mit | |
Falschinformationen, beispielsweise über vermeintliche Fleischverbote, | |
unterfüttert worden sei, gibt Doll zu denken: „Ich hoffe sehr, dass dieses | |
Ergebnis jetzt endgültig alle Demokratinnen und Demokraten wachrüttelt.“ | |
Doll fordert einen Runden Tisch gegen Rechtsextremismus, ein | |
Demokratiefördergesetz für Bayern und dass die neue Staatsregierung den | |
Kampf gegen den Rechtsextremismus nicht weiter der Zivilgesellschaft | |
überlasse. Auch die Abgrenzung der demokratischen Parteien gegenüber den | |
Rechten muss für Doll entschiedener ausfallen. Es gehe nicht, dass | |
Politiker wie Friedrich Merz oder Hubert Aiwanger die Brandmauer immer | |
weiter einreißen. | |
Das starke Ergebnis der Freien Wähler gibt beiden Vertretern der | |
bayerischen Zivilgesellschaft zu denken. „Wir sprechen hier nicht nur über | |
die sogenannte [3][Flugblatt-Affäre], sondern auch über die Kundgebung in | |
Erding, wo Aiwanger mit AfD-Sprech aufgetreten ist“, warnt Doll. Weinzierl | |
ordnet die Zugewinne der Freien Wähler ebenso dem Rechtsruck zu: „Es zeigt, | |
was mittlerweile alles geht und was dann auch noch von den Wählerinnen und | |
Wählern belohnt wird. Auch das macht mich sprachlos.“ | |
9 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Jana Ballweber | |
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ferner liefen. |