| # taz.de -- Fahrradstraßen in Berlins Bezirken: Am Ende helfen nur Poller | |
| > Bezirke wie Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg treiben den Ausbau von | |
| > Fahrradstraßen voran. Aber Schilder und Markierungen reichen meist nicht. | |
| Bild: „Anlieger frei“ – ein Zusatz mit Folgen | |
| Berlin taz | Während die Umsetzung von [1][Radinfrastruktur an | |
| Hauptverkehrsstraßen eher mühsam vorankommt], tut sich was im sogenannten | |
| Ergänzungsnetz: Zumindest manche Bezirke treiben die Umgestaltung von | |
| Nebenrouten in Fahrradstraßen voran. War hier bislang | |
| Friedrichshain-Kreuzberg der große Vorreiter, legt nun auch der Bezirk | |
| Mitte beim Tempo zu. | |
| Am Montag veröffentlichte die grüne Verkehrsstadträtin Almut Neumann | |
| [2][eine Liste von 24 Strecken, die 2024 zur Fahrradstraße werden könnten]. | |
| Bei diesem „Maßnahmen-Portfolio“ handelt es sich noch nicht um eine feste | |
| Planung – der Bezirk befinde sich „in Klärung“ mit der | |
| Senatsverkehrsverwaltung, so Neumann. Wo tatsächlich etwas passiert, sei | |
| „von mehreren Faktoren wie dem weiteren Planungsgang und der Finanzierung | |
| abhängig“. | |
| Die Stadträtin legt sich aber fest, dass es am Ende 10 Kilometer neue | |
| Fahrradstraße sein werden, und bittet AnwohnerInnen um Anregungen. Zu den | |
| aufgelisteten Straßen gehören das nördliche und das südliche Ende der | |
| Charlottenstraße, deren mittlerer Teil bereits im Zusammenhang mit der | |
| zeitweiligen Fußgängerzone in der Friedrichstraße zur Fahrradstraße gemacht | |
| wurde. Auch auf der Garten- und der Genthiner Straße, dem Lützow- und dem | |
| Nordufer, der Schwedter und der Schillingstraße könnten Fahrradstraßen | |
| entstehen. | |
| Die 10 zusätzlichen Kilometer würden den Bestand deutlich ausweiten: Bis | |
| das Mobilitätsgesetz 2018 in Kraft trat, gab es rund 17 Kilometer | |
| Fahrradstraße in der Stadt, seitdem sind nach Zählung des Vereins Changing | |
| Cities ebenso viele hinzugekommen. Laut der von der infraVelo GmbH | |
| geführten Übersichtskarte zum Ausbau der Radinfrastruktur wurden in diesem | |
| Zeitraum knapp 20 Straßen oder Straßenabschnitte ausgewiesen, dazu gehören | |
| bekannte Strecken wie die Kreuzberger Verbindung zwischen Südstern und | |
| Mariannenplatz, das Neuköllner Weigandufer oder die Linienstraße in Mitte. | |
| Derzeit in Bau – wobei es oft nur um Beschilderung und Markierung geht – | |
| ist ein weiteres Dutzend, darunter auch mit einem Teil der Fasanenstraße | |
| das erste neue Projekt in Charlottenburg-Wilmersdorf. Der Umbau des schon | |
| älteren, von vielen Autofahrenden aber krass missachteten Abschnitts der | |
| Wilmersdorfer Prinzregentenstraße ist vorgesehen, aber noch nicht | |
| terminiert. | |
| ## Parkplätze fallen weg | |
| In Tempelhof-Schöneberg hat die grüne Stadträtin [3][Saskia Ellenbeck | |
| gerade die Planung für die Friedenauer Handjerystraße präsentiert]: Um dort | |
| die vorgeschriebenen Mindestbreiten einzuhalten, die garantieren, dass in | |
| beide Richtungen je zwei Räder nebeneinander fahren können, sollen auch | |
| Pkw-Stellplätze wegfallen. Außerdem ist vorgesehen, das Parken von Autos an | |
| den Kreuzungen einzuschränken, um bessere Sichtbeziehungen und dadurch mehr | |
| Sicherheit herzustellen. | |
| Keine spruchreifen Planungen für 2024 gibt es zurzeit in | |
| Friedrichshain-Kreuzberg, wo es nach jüngstem Stand nun immerhin schon 5,5 | |
| Kilometer Fahrradstraßen gibt. „Die Priorisierung ist noch nicht | |
| abgeschlossen“, erklärt Bezirkssprecherin Sara Lühmann. Anzahl und Länge | |
| neuer Abschnitte sei stark von der Finanzierung durch die | |
| Senatsverkehrsverwaltung abhängig – „und es ist aktuell davon auszugehen, | |
| dass aufgrund der geringeren Radverkehrsmittel im kommenden Doppelhaushalt | |
| sowie der hohen Vorbelastung der Haushaltstitel durch verschobene Maßnahmen | |
| die finanziellen Spielräume nächstes Jahr deutlich geringer sein werden“. | |
| Das Mobilitätsgesetz sieht Fahrradstraßen ausdrücklich als Lösung im | |
| Ergänzungsnetz vor; [4][unumstritten sind sie nicht]. Viele NutzerInnen | |
| beklagen, dass sie mit Autos verstopft sind. „Es gibt keine Fahrradstraße“, | |
| schreibt ein X-Nutzer, „sondern eine normale Straße, an deren Beginn das | |
| Witzschild ‚Fahrradstraße‘ mit dem Zusatz ‚alle dürfen rein‘ steht.“ | |
| Tatsächlich herrscht laut Verkehrsverwaltung bis auf punktuelle Ausnahmen | |
| in allen Fahrradstraßen die Zusatzregelung „Anlieger frei“. Die gilt nicht | |
| nur für AnwohnerInnen, sondern auch für BesucherInnen oder KundInnen. | |
| Einfaches Durchfahren ist dagegen verboten, wird in der Praxis aber höchst | |
| selten geahndet. | |
| ## Wenn Google Maps hilft | |
| Changing-Cities-Sprecherin Ragnhild Sørensen bestätigt das Problem. Die | |
| Ausschilderung bewirke anfangs wenig, erst wenn Google Maps die | |
| Fahrradstraße registriert habe, nehme der Kfz-Verkehr spürbar ab. Dass sie | |
| von der Polizei wenig zu befürchten hätten, lernten die motorisierten | |
| FahrerInnen aber ebenso schnell. „Helfen tun dann nur physische Barrieren, | |
| die den Durchgangsverkehr ausbremsen.“ | |
| Sørensen weist darauf hin, wie unterschiedlich die Bezirke in Sachen | |
| Fahrradstraßen vorgehen. „Nur dort, wo willige StadträtInnen und | |
| Planer*innen sind, geht es voran.“ Marzahn-Hellersdorf, Reinickendorf | |
| und Spandau hätten noch keine einzige ausgewiesen. „Ich fürchte, wir | |
| bekommen eine neue Berlin-Teilung: in fahrradfreundliche und | |
| fahrradunfreundliche Bezirke.“ | |
| 24 Oct 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Ausbau-der-Fahrradinfrastruktur/!5965142 | |
| [2] https://www.berlin.de/ba-mitte/aktuelles/pressemitteilungen/2023/pressemitt… | |
| [3] https://twitter.com/SaskiaEllenbeck/status/1714881441295708479 | |
| [4] /Problemzone-Fahrradstrasse/!5961687 | |
| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
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