# taz.de -- UN-Resolution zu Nahost: Der Westen verliert den Süden | |
> Anders als bei der Ukraine findet der Westen bei Gaza keine Mehrheit in | |
> der UNO. Aus Sicht seiner Kritiker stellt er Solidarität mit Israel über | |
> das Recht. | |
Bild: Dunkle Rauchzeichen: Im Umgang mit dem Gazastreifen droht der Westen den … | |
Mit 121 zu 14 Stimmen bei 44 Enthaltungen [1][forderte die | |
UN-Generalversammlung am vergangenen Freitag] eine „sofortige, nachhaltige | |
und dauerhafte Waffenruhe“ für Gaza, ungehinderte humanitäre Hilfe und die | |
Freilassung aller „gefangenen Zivilisten“. Die Resolution trug die | |
palästinensische Handschrift. Israel und die USA lehnten sie ab. | |
Deutschland enthielt sich, ebenso die Ukraine, einige europäische Länder | |
wie Spanien waren dafür. | |
Mit 141 gegen 5 Stimmen bei 35 Enthaltungen hatte [2][die | |
UN-Generalversammlung am 2. März 2022] Russland zur „sofortigen Einstellung | |
seiner Gewaltanwendung“ gegen die Ukraine und zum „sofortigen, | |
vollständigen und bedingungslosen“ Rückzug aufgefordert. Die Resolution | |
trug die proukrainische Handschrift. Russland lehnte sie ab. Indien und | |
China enthielten sich, aber die meisten Länder des Globalen Südens waren | |
dafür, auch Israel. | |
Das Votum von 2022 war ein Triumph westlicher Diplomatie. Das Votum von | |
2023 ist das Gegenteil. Die Mehrheit der Welt steht nicht sowohl hinter | |
der Ukraine als auch Israel. Übrigens auch nicht zugleich hinter Russland | |
und der Hamas. Sie sieht im einen Krieg die Ukraine als Opfer und im | |
anderen die Palästinenser. | |
Dafür gibt es Gründe, und mit Antisemitismus haben sie nichts zu tun. Nach | |
mehreren Wochen schwerster Luftangriffe mit Tausenden zivilen Toten | |
[3][sind die Bilder aus Gaza kaum mehr auszuhalten]. Bei ausgebombten | |
Verzweifelten, die mit bloßen Händen ihre Kinder ausgraben, verbietet sich | |
Relativierung genauso wie bei Hinterbliebenen völkermörderischer | |
Terrorangriffe, die um ihre zerstückelten Toten trauern. Menschlichkeit ist | |
unteilbar – eigentlich. | |
## Die neue multipolare Welt kennt keine Werte | |
Ein Überlebenskampf, der aussieht wie ein Vernichtungskrieg, wird als | |
solcher behandelt. Solidarität mit Israel, die über Leichen geht, wird als | |
zynisch abgetan. Hätte die Ukraine in Reaktion auf den russischen Angriff | |
Moskau in Schutt und Asche gelegt und die russische Bevölkerung | |
aufgefordert, sich zum Weiterleben hinter den Ural zu begeben, wäre die | |
globale Solidarität mit Kyjiw vermutlich weniger eindeutig ausgefallen. | |
Wenn der Westen Solidarität mit Israel an erste Stelle setzt statt | |
Solidarität mit Menschen überall, verliert er den [4][„Globalen Süden“], | |
kaum dass er ihn im Fall der Ukraine gewonnen hat. Wenn Sergei Lawrow mit | |
Verweisen auf das Völkerrecht mehr Gehör findet als Annalena Baerbock, hat | |
die deutsche Diplomatie ein Problem. Und das wird sich nicht auf Gaza | |
beschränken. Es wird auch die Ukraine treffen und jedes andere Feld der | |
Diplomatie, in dem westliche Länder universelle Werte geltend machen. Denn | |
die neue multipolare Welt, die sich jetzt manifestiert, kennt keine Werte. | |
Es gilt das Recht des Stärkeren. Netanjahu hat das begriffen. Berlin hat | |
darauf keine Antwort. | |
30 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] /UN-Resolution-fuer-humanitaere-Waffenruhe/!5969956 | |
[2] /UN-Generalversammlung-verurteilt-Krieg/!5839174 | |
[3] /Hilfsgueter-fuer-Menschen-in-Gaza/!5969219 | |
[4] /Hamas-Anschlaege-auf-Israel/!5962557 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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