| # taz.de -- Mietenwahnsinn in Berlin: Gaebler und die zornigen Mieter | |
| > SPD-Senator Christian Gaebler verteidigt auf einem Linke-Podium in | |
| > Kreuzberg die schwarz-rote Wohnungspolitik. Das ist nicht so gut | |
| > angekommen. | |
| Bild: „Ich bin nicht Vorstand der Gewobag“: Stadtentwicklungssenator Christ… | |
| Berlin taz | Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) blieb ruhig, | |
| als sich am Mittwochabend zum Ende einer Podiumsdiskussion in Kreuzberg | |
| plötzlich der geballte Zorn der Mieter:innen der landeseigenen | |
| Wohnungsunternehmen entlud. | |
| Gleich mehrere ältere Frauen standen im vollbesetzten Veranstaltungsraum | |
| „Vierte Welt“ am Kottbusser Tor nacheinander auf, um Gaebler lautstark auf | |
| ihre Erfahrungen mit einer Zwangsräumung aufmerksam zu machen. Eine | |
| Mieterin der [1][Gewobag] beschwerte sich nicht minder laut, dass die | |
| Heizungen in ihrem Haus immer noch nicht funktionieren. Ein anderer | |
| Gewobag-Mieter erboste sich darüber, dass nach einem Rohrbruch das Wasser | |
| seit Tagen zentimeterhoch in seinem Keller steht. | |
| Immer wieder die Gewobag, mit über 74.000 Wohnungen eines der größten | |
| Immobilienunternehmen Berlins – und dazu landeseigen, also auch Sache des | |
| Senats. [2][Christian Gaebler] beschied den Mieter:innen kurz und knapp: | |
| „Ich bin nicht der Vorstand der Gewobag.“ Die zwangsgeräumten Frauen ließ | |
| er wissen: „Bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen gibt es nur wenige | |
| Zwangsräumungen.“ Wenn geräumt werde, gebe es triftige Gründe. Zur | |
| Beruhigung trugen Gaeblers Erwiderungen nicht bei. Im Gegenteil. | |
| ## Gaebler und Gennburg – im Streit vereint | |
| Eingeladen zu der Veranstaltung hatte die Abgeordnetenhausfraktion der | |
| Linken. Es war dabei schon Überraschung genug, dass Christian Gaebler der | |
| Einladung überhaupt gefolgt ist. Immerhin musste sich der SPD-Senator das | |
| Podium unter anderem mit der Linke-Stadtentwicklungspolitikerin Katalin | |
| Gennburg teilen. Ein im Dauerstreit vereintes Duo: Bereits zu gemeinsamen | |
| rot-grün-roten Regierungszeiten hatten sich Gaebler und Gennburg in | |
| Debatten nichts geschenkt. | |
| Am Mittwoch war es – ebenso überraschend – zwischen beiden vergleichsweise | |
| manierlich zugegangen. „Wir sehen unter Schwarz-Rot in der Mieten- und | |
| Wohnungspolitik die absolute Rolle rückwärts, und das ist dramatisch“, warf | |
| Gennburg dem Senator an den Kopf. Und dass der Senat „die Axt anlegt“ an | |
| die wohnungspolitischen Errungenschaften der Vergangenheit. | |
| Gaebler verwies als Entgegnung etwas mürrisch auf das geplante | |
| „Schneller-Bauen-Gesetz“, mit dem Schwarz-Rot glaubt, den Neubau in Berlin | |
| entfesseln zu können. Auch verteidigte er gegen Gennburg die im September | |
| mit den sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften abgeschlossene | |
| [3][neue Kooperationsvereinbarung]. Die besagt, dass die Landeseigenen nach | |
| eineinhalb Jahren Mietenstopp ihre Mieten ab 2024 wieder erhöhen dürfen – | |
| und zwar um 2,9 Prozent pro Jahr. | |
| ## Viele, viele neue Wohnungen | |
| Das sei doch durchaus „sozialverträglich“, assistierte Jörg Franzen, der | |
| Chef der landeseigenen Gesobau. Viele Mieter:innen seien ja „vielleicht“ | |
| schon als Studierende eingezogen und würden jetzt gut verdienen, für die | |
| sei das absolut leistbar. Auf jeden Fall hätten die Landeseigenen durch die | |
| Vereinbarung wenigstens etwas größere Spielräume. „Wir werden viele, viele | |
| tausende Wohnungen bauen“, sagte Franzen. Und die vielen, vielen Wohnungen | |
| werden dann auch den Mietmarkt entspannen, „vielleicht“. Schon an diesen | |
| Stellen wurde im Publikum gemurrt. | |
| Schließlich kam es zur Öffnung der Runde für die Publikumsfragen, genauer: | |
| den Publikumstumult. „Es läuft seit 30 Jahren scheiße, und ihr könnt euch | |
| mal überlegen, ob ihr euch endlich in die richtige Richtung bewegt“, sagte | |
| Katalin Gennburg zum Ende hin, an Christian Gaebler und die SPD gerichtet. | |
| Aber das ging zu dem Zeitpunkt schon fast unter in der allgemeinen | |
| Aufgeregtheit, mit der nicht einmal die einladende Linke gerechnet hatte. | |
| Da soll noch mal eine:r sagen, dass Mietenthema tauge nicht mehr zum | |
| Aufreger. | |
| 19 Oct 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Rainer Rutz | |
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