| # taz.de -- Fotografie und Ökologie: Der Stoffwechsel der Bilder | |
| > Die Ausstellung „Image Ecology“ im C/O Berlin zeigt Bilder der | |
| > Klimakrise. Es geht auch um die ökologischen Auswirkungen fotografischer | |
| > Verfahren. | |
| Bild: Still aus dem Video „Trapped in the Dream of the Other“ von Revital C… | |
| Bilder machen ist ein hochtoxischer Prozess. In den Digitalkameras stecken | |
| seltene Erden, die oft unter extremer Ausbeutung lokaler | |
| Minenarbeiter*innen abgebaut und eher unvollkommen recycelt werden. | |
| Die analoge Fotografie ist da kaum besser. Im Zelluloidfilm steckt | |
| Salpeter, das bis zur Entwicklung der künstlichen Salpeterherstellung unter | |
| ebenfalls brutalen Bedingungen [1][in der chilenischen Atacama-Wüste | |
| abgebaut] wurde und dort ein bizarres Netzwerk verlassener Geisterstädte | |
| hinterlassen hat. Da Fotos auch gespeichert und verbreitet werden, kommt | |
| die Frage der Energiegewinnung ohnehin ins Spiel. | |
| Mit diesen Themen beschäftigt sich auf sehr gründliche, teils verspielte, | |
| aber niemals in apokalyptische Besserwisserei abkippende Art und Weise die | |
| Ausstellung „Image Ecology“ im C/O Berlin. Der Grund dafür liegt auch an | |
| der Faszination von Kurator Boaz Levin für die Technologiegeschichte der | |
| Fotografie. Er lud Künstler*innen ein, die auch mit historischen | |
| Verfahren arbeiten, mit der Heliografie beispielsweise, die Bitumen als | |
| Träger benutzt, oder der Anthotypie, die auf der Basis des Chlorophylls von | |
| Pflanzen beruht. Vor allem aber liegt sein Augenmerk auf der | |
| Prozesshaftigkeit des Bildermachens. | |
| „Es ist ein Stoffwechsel. Materialien werden in Verbindung miteinander | |
| gebracht und dieser Prozess dann mit dem Fixieren des Bildes abgebrochen“, | |
| erzählt er der taz. Und Ökologie sei als die Wissenschaft der | |
| Wechselbeziehungen zwischen den Lebewesen und ihrer Umwelt eben die | |
| Mutterdisziplin für Prozesse und Verbindungen, Abhängigkeiten und | |
| Transformationen, ergänzt er. | |
| In diesem Sinne hat er einen faszinierenden Parcours aus Arbeiten angelegt, | |
| die die Stoffwechselhaftigkeit des Bildermachens oft noch in Beziehung | |
| setzen zu den Objekten und Szenen, die sie abbilden. | |
| So baute sich etwa der US-Künstler Tristan Duke auf einer eigenen | |
| Eismeer-Expedition eine Linse aus Gletschereis, dank der er die Expedition | |
| selbst, deren dreimastiges Schiff sowie die Gletscher und Eisberge | |
| fotografierte. | |
| Rohöl aus den Gruben als Material | |
| Öl hingegen ist das Thema [2][des in Berlin lebenden Schweizer Fotografen | |
| Julian Charrière]. Er fertigte Luftbildaufnahmen eines historischen | |
| Ölfeldes bei Los Angeles an und entwickelte das Bild schließlich mit dem | |
| 1826 erstmals angewandten Verfahren der Heliografie. Dabei reagiert auf | |
| einer Zinnplatte aufgebrachtes Bitumen auf Licht. Das Rohöl für das Bitumen | |
| gewann er aus Ölgruben ebenfalls aus der Nähe von Los Angeles. Sein Bild | |
| wirkt beim ersten Anblick wie eine riesige Minenlandschaft mit Plateaus und | |
| Tälern, die in die Erde gefräst werden. Erst auf den zweiten Blick macht | |
| das Auge Details wie Fördertürme aus. Weil im Öl auch gut erhaltene | |
| Skelettteile von Mammuts gefunden wurden, webt sich die Perspektive des | |
| Aussterbens auch noch ins Bild ein. | |
| Mit dem Motiv des Vergehens geht auch die französische Künstlerin Léa | |
| Habourdin um. Sie unternimmt das sehr spielerisch. Mehrere kleine Kästen | |
| sind zu Beginn der Ausstellung angeordnet. Man dürfe sie öffnen, steht | |
| darunter, wird aber auch gewarnt, dass bei jedem Öffnen die Fotografien | |
| verblassen. Habourdin operiert mit Pflanzensäften, die bei Lichteinfall auf | |
| Papier Detailaufnahmen von Bildern von Wäldern, die sie anfertigte, | |
| sichtbar machen. Bei weiterem Lichteinfall bleichen die Bilder aber aus. | |
| Blicke können töten, symbolisiert diese Arbeit. | |
| Levin und Schönegg haben den Parcours in die vier Kapitel, Energie, | |
| Material, Arbeit und Abfall, aufgeteilt. Im Kapitel Arbeit überwältigt | |
| geradezu das Rechercheprojekt der britischen Künstlergruppe Traces of | |
| Nitrate über den Salpeter- und Kupferbergbau in Chile. Salpeter wird für | |
| Zelluloid, aber auch für Düngemittel und Sprengstoffe gebraucht. Dokumente | |
| aus dem historischen Bergbau und den Arbeits- und Lebensbedingungen in der | |
| Atacama-Wüste werden in Verbindung zu globalen Finanzströmen gebracht. Im | |
| Foto der Schäden eines IRA-Anschlags im Londoner Finanzdistrikt im Jahr | |
| 1993 mit einer Bombe aus Düngemitteln kommen die drei | |
| Hauptverwendungszwecke von Salpeter – Sprengstoff, Düngemittel, Zelluloid – | |
| auf sehr konzentrierte Art und Weise zusammen. Revital Cohen und Tuur van | |
| Baalen wiederum suchten eine [3][Coltan-Mine in Kongo] auf. | |
| Insgesamt zwölf sehr unterschiedliche Positionen enthält die | |
| Gruppenausstellung. Sie verweist auf frühe Technologien der Bildherstellung | |
| und setzt sie in Verbindung mit der oft zerstörerischen Beziehung des | |
| Menschen zu seiner Umwelt. Man lernt viel Neues und wird wieder einmal | |
| daran erinnert, die eigenen Prozesse und Beziehungen in Zukunft weniger | |
| toxisch zu gestalten. | |
| 17 Oct 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tom Mustroph | |
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