| # taz.de -- Russland und westliche Sanktionen: Parallelimporte für die Wirtsch… | |
| > Seit 2022 wurden zahlreiche Wirtschaftssanktionen gegen Russland | |
| > verhängt. Mit Hilfe von Drittländern kann Russland trotzdem benötigte | |
| > Güter importieren. | |
| Bild: Geschäftsleute beim Eastern Economic Forum in Wladivostok | |
| Nach Beginn der russischen Invasion in die Ukraine wurden Sanktionen im | |
| noch nie dagewesene Umfang gegen Russland verhängt. Viele große Unternehmen | |
| verließen entweder das Land oder stellten die Lieferung ihrer Produkte ein. | |
| Deshalb mussten die russischen Machthaber nach Wegen suchen, um diese | |
| Sanktionen zu umgehen, auch, um Engpässe bei den Gütern zu vermeiden, die | |
| nicht nur für die Bevölkerung, sondern auch für den militärischen Bedarf | |
| benötigt wurden. Einer dieser Wege war der „Parallelimport“. | |
| Zu den wichtigsten Länder für Russland wurden hierbei China, die Türkei, | |
| Georgien sowie [1][Kasachstan und Kirgisistan]. Allein im Jahr 2022 zum | |
| Beispiel stieg der Export von Fernsehern und Monitoren aus Kasachstan nach | |
| Russland um das 312fache im Vergleich zum Vorjahr, der von Smartphones | |
| immerhin um das 88-fache. Computer wurden im Wert von 300 Millionen Dollar | |
| exportiert, mehr als 2.300 Mal mehr als 2021. Und das, obwohl Kasachstan | |
| nichts davon selber produziert. | |
| Meine Kollegen fanden bei Recherchen heraus, dass Dutzende kirgisischer und | |
| kasachischer Firmen Mikrochips und elektronische Bauteile nach Russland | |
| exportieren, analog zu denen, die ukrainische Militärs in russischen | |
| Raketen und Militärtechnik finden. | |
| Allein im Jahr 2022 haben kasachische Unternehmen Mikrochips und Halbleiter | |
| im Wert von rund 3,7 Millionen US-Dollar verkauft, im Jahr waren es | |
| lediglich 12.000 US-Dollar. Kirgisistan wiederum hat im Jahr 2021 keine | |
| Teile für Flugzeuge und Drohnen eingeführt. Doch seit Beginn des Krieges | |
| hat das Land solche Produkte im Wert von 3,5 Millionen Dollar importiert | |
| und im Wert von 1,5 Millionen Dollar nach Russland exportiert. Und das ist | |
| nur ein kleiner Teil dessen, was nach Russland geliefert wird. | |
| Weder Kirgisistan noch Kasachstan unterstützen offiziell Russlands | |
| Aggressionen gegen die Ukraine. Und die Beamten in diesen Ländern haben der | |
| Öffentlichkeit versichert, dass sie nicht dazu beitragen würden, die | |
| Sanktionen gegen Russland zu umgehen. Journalistische Recherchen und | |
| Statistiken sprechen jedoch eine andere Sprache. Experten zufolge wird das | |
| Volumen der russischen Einfuhren [2][dank der Abkommen mit Drittländern] | |
| bis 2023 fast wieder das Vorkriegsniveau erreichen. Das lässt die | |
| Sanktionen scheinen eher wirkungslos erscheinen. | |
| Es ist klar, dass fast der komplette Re-Export über private Unternehmen | |
| abgewickelt wird. Für die Beamten beider zentralasiatischer Republiken ist | |
| es bequem, sich auf offene Grenzen und Schwierigkeiten bei der Kontrolle | |
| von Warenverkehr innerhalb der Eurasischen Wirtschaftsunion mit Russland zu | |
| berufen. | |
| Und bisher gelingt es ihnen, sich selbst aus der Verantwortung zu stehlen: | |
| Erst kürzlich haben die USA Sanktionen gegen vier kirgisischen | |
| Privatunternehmen verhängt, die Russland mit elektronischen Bauteilen | |
| beliefern, von denen einige für militärische Zwecke verwendet wurden. | |
| Es ist sehr wahrscheinlich, dass an ihrer Stelle neue Firmen registriert | |
| werden: [3][Und dass Russland weiterhin Sanktionen umgehen wird], indem es | |
| in anderen Ländern Komponenten für die Tötung von Menschen in der Ukraine | |
| beschafft. Unklar bleibt jedoch, warum die lokalen Behörden in Zentralasien | |
| nichts dagegen unternehmen, und wie lange das noch so weitergehen wird? | |
| Liegt es am russischen Druck? Oder ist es auch der Wunsch der Menschen in | |
| Zentralasien, am Krieg zu verdienen? [4][Die Antworten auf diese und und | |
| andere Fragen müssen wir Journalisten] – meine Kollegen und ich – noch | |
| geben. | |
| Aus dem Russischen von [5][Gaby Coldewey] | |
| Finanziert wird das Projekt von der [6][taz Panter Stiftung]. | |
| Einen Sammelband mit den Tagebüchern hat der [7][Verlag edition.fotoTAPETA] | |
| im September 2022 herausgebracht. | |
| 23 Sep 2023 | |
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| [5] /Gaby-Coldewey/!a23976/ | |
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| ## AUTOREN | |
| Nikita Danilin | |
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