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# taz.de -- Investitionen in die Deutsche Bahn: Es lohnt der Blick in die Schwe…
> Großzügig in Schienen investieren, auf komplizierte Tarife verzichten und
> auf dem Teppich bleiben: Die Schweizer Eisenbahn macht es der DB vor.
Bild: Anschlüsse im Takt: Zugfahren mit der SBB in der Schweiz
Fehlende Waggons, ausgedünnte Fahrpläne, umgekehrte Wagenreihungen und
verwahrloste Bahnhöfe zählen für Bahnreisende ebenso zu den wiederkehrenden
Ärgernissen wie unpünktliche Züge. Beinahe jeder dritte Fernverkehrszug
traf 2022 mit mindestens 15 Minuten Verspätung ein, wobei ausfallende Züge
durch die Pünktlichkeitsstatistik gar nicht erst erfasst werden. Jede
zweite Weiche ist [1][seit der Umwandlung der Deutschen Bahn (DB) im Jahre
1994 in eine Aktiengesellschaft] stillgelegt worden. Einmal mehr sank im
vergangenen Jahr die Zahl der über Gleisanschlüsse an das Schienennetz der
DB angebundenen Privatunternehmen.
Insofern verwundert es nicht, dass der Marktanteil der Bahn im gesamten
Güterverkehr nach wie vor bei unter 20 Prozent liegt. Wie aber müsste das
hiesige Bahnsystem organisiert werden, um idealtypische Entwicklungen
anzustoßen? Kann die Verkehrswende wirklich gelingen oder wissen die
Kritiker:innen es nur theoretisch besser?
Während der Niedergang des bundesdeutschen Bahnsystems täglich zu
beobachten ist, stellen [2][die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) unter
Beweis], wie ein staatlich organisiertes Bahnsystem höchst effizient,
nahezu flächendeckend und mit breiter Akzeptanz seitens der Bevölkerung
betrieben werden kann. Entsprachen die Schweizer ÖPNV- und Bahndaten bis
zum Ende der 60er Jahre denen der Bundesrepublik, vollzog sich danach
zwischen Basel und Chiasso eine von staatlicher Seite angestoßene
Kehrtwende.
Anders als der DB-Vorstand setzten die Verantwortlichen der SBB konsequent
auf die Beseitigung von Kapazitätsengpässen, Langsamfahrstellen und
Netzlücken. Eindrucksvoll belegen die SBB seit Jahren, wie die allseits
proklamierte Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene mittels intelligenter
Vernetzung von Nah- und Fernverkehr, enger Zugtaktung sowie
flächendeckenden Angeboten erreicht werden kann. Vermeintlich
prestigeträchtige Großprojekte, wie sie hierzulande mit „Stuttgart 21“ od…
dem Berliner Hauptbahnhof umgesetzt wurden, sucht man in der Alpenrepublik
vergeblich.
Das Fahrgastaufkommen ist dort seit dem Jahr 2000 um ein Drittel gestiegen
und damit – gemessen an der Bevölkerungszahl – mehr als doppelt so hoch wie
hierzulande. Aktuell nutzen täglich über eine Million Fahrgäste die
Schweizer Bahnen mit einem klar strukturierten, einfachen Tarifsystem. Drei
von vier Kund:innen zeigen sich sowohl mit dem Service als auch mit den
Fahrplanangeboten für das – bezogen auf die Landesfläche – dichteste
Bahnnetz Europas zufrieden.
Angesichts dieses beachtlichen Erfolgs erstaunt es, wie selten das
Schweizer Bahnsystem in der Diskussion um die Zukunft der DB als
Positivbeispiel herangezogen wird. Schließlich lässt sich mit Blick auf das
dortige Bahnwesen anschaulich der Nachweis führen, dass der weit
verbreitete und bisweilen stichhaltige Vorwurf der mangelnden Effizienz
öffentlicher Unternehmen nicht generell zutrifft – jedenfalls dann nicht,
wenn die Rahmenbedingungen eine steuerliche und investitionsbezogene
Gleichbehandlung der Verkehrsträger gewährleisten.
## Mehr Regio-Verkehr in der Schweiz
Während hierzulande gerade im Osten der Republik immer mehr Strecken
stillgelegt wurden und werden, beherzigt die SBB mit dem Ausbau des
Regionalverkehrs ein ehernes Gesetz der Verkehrswissenschaft: Angebot
schafft Nachfrage. An Knotenpunkten wie Basel, Bern, Genf oder Zürich
können Reisende im Stunden- oder Halbstundentakt umsteigen. Und obwohl das
Schweizer Bahnsystem die höchste Auslastung in ganz Europa aufweist,
erreichen 92,5 Prozent der Züge mit einer Abweichung von weniger als drei
Minuten ihr Ziel.
Dies ist das Ergebnis einer konsequenten Geschäftspolitik: Die
Triebfahrzeuge werden in kurzen Intervallen gewartet, das Gleisnetz wird
kontinuierlich ausgebessert, und mehr als die Hälfte der Trassenkilometer
verlaufen mehrgleisig, sodass es auch in Ballungszentren kaum Nadelöhre
gibt. Die „Entmischung“ von Personen- und Güterverkehr durch separate
Gleisstränge ist in der Schweiz schon vor vielen Jahren vorangetrieben
worden. 41 Prozent des Güterverkehrs – und damit doppelt so viel wie
hierzulande – wird über die Schienen abgewickelt.
Um in der Bundesrepublik die gleiche Bahninfrastrukturversorgung vorweisen
zu können, müsste das hiesige Eisenbahnnetz über 55.000 Kilometer lang und
damit beinahe 20.000 Kilometer länger als aktuell sein. Während das
DB-Management auf globale Logistiktätigkeiten setzt, hegt der Vorstand der
„Schweizer Schwester“ im Straßen-, Luft- und Wasserverkehr keinerlei
Ambitionen. „Wir machen Bahn – heute und in zehn Jahren“ – so ließ sic…
2020 ins Amt gekommene Vorstandsvorsitzende Vincent Ducrot unlängst
zitieren.
## Großzügige Investitionen
Wenn sich die anekdotischen Negativerfahrungen von Bahnreisenden, die sich
bedauerlicherweise mit den Pünktlichkeitsstatistiken belegen lassen,
endlich enden sollen, [3][muss mehr Geld in das Schienennetz und das
rollende Material] investiert werden. Dass die für die Jahre 2024 bis 2027
versprochenen 45 Milliarden Euro Zusatzinvestitionen ausreichen werden, um
die Weichen in Richtung Zukunft zu stellen, darf angesichts
prognostizierter steigender Fahrgastzahlen bezweifelt werden. Auch für eine
Steigerung des Schienenverkehrsaufkommens im Güterverkehr ist dies zu
wenig. Insofern lohnt ein Blick in die Schweiz.
Obschon der Erfolg der SBB viele Ursachen hat, steht eines unverrückbar
fest: Die Hauptursache ist die nachhaltige und vergleichsweise großzügige
Investitionspolitik. Obwohl die Strecken in der Schweiz deutlich kürzer
sind als hierzulande, investierten die SBB in den vergangenen fünf Jahren
mehr Geld in Betrieb und Wartung als die DB. Dies sollten die
Verkehrspolitiker:innen und Bahnvorstände hierzulande nicht
vergessen, wenn der Schienenverkehr zwischen Flensburg und Passau zurück
auf die Erfolgsspur gebracht werden soll.
5 Oct 2023
## LINKS
[1] /Wie-die-Bahn-besser-werden-kann/!5629931
[2] /Ausbau-des-europaeischen-Bahnnetzes/!5715182
[3] /49-Euro-Ticket-und-Bahnkrise/!5929029
## AUTOREN
Tim Engartner
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