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# taz.de -- 49-Euro-Ticket und Bahnkrise: Zu lange auf Verschleiß gefahren
> Das 49-Euro-Ticket ist ein Fortschritt. Aber Nutzer:innen stoßen auf
> eine marode Infrastruktur. Was ist los bei der Deutschen Bahn?
Bild: In Zügen ist oft nicht nur für die Fahrgäste zu wenig Platz, sondern a…
1 Wird es mit der Einführung des [1][49-Euro-Tickets] im Mai wieder so voll
wie im vergangenen Sommer beim 9-Euro-Ticket?
Auf attraktiven und viel befahrenen Strecken ist es in den Zügen ohnehin
sehr oft viel zu voll – ganz unabhängig davon, ob es eine bundesweite
Flatrate für den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr gibt oder nicht. Das
gilt für Urlaubsverbindungen, etwa von Berlin an die Ostsee, aber erst
recht für stark frequentierte Pendler:innenstrecken in Ballungsräumen.
Deshalb fordern Verkehrs- und Verbraucher:innenverbände auch den
massiven Ausbau des Angebots, etwa eine häufigere Taktung von Verbindungen
oder längere Züge. Immerhin: Das neue 49-Euro-Ticket wird die Lage nicht
dramatisch verschärfen, weil es zunächst vor allem für die interessant ist,
die den öffentlichen Verkehr bereits nutzen.
2 Wie lief der Vorverkauf beim 49-Euro-Ticket?
Bis zum 25. April wurden nach Angaben des Verbands Deutscher
Verkehrsunternehmen (VDV) rund 750.000 Tickets verkauft, mit denen Busse
und Bahnen im Nah- und Regionalverkehr bundesweit genutzt werden können.
Der VDV geht davon aus, dass in den kommenden Monaten fünf bis sechs
Millionen neue Kund:innen hinzukommen. Das Ticket gibt es nur im Abo,
aber das kann monatlich gekündigt werden. Der VDV erwartet, dass etwa elf
Millionen Stammkund:innen, die bereits eine Monatskarte haben, zu dem
neuen Ticket wechseln, weil es günstiger für sie ist.
3 Was ist eigentlich so besonders an dem Ticket?
Zum ersten Mal gibt es eine Monatsfahrkarte, mit der Nutzer:innen den
Nah- und Regionalverkehr in ganz Deutschland nutzen können. Nicht ohne
Grund spricht der VDV von einer „Tarifrevolution“. Tatsächlich ist das
Ticket ein riesiger Fortschritt, weil Deutschland in unzählige Tarifgebiete
mit unterschiedlichen Bedingungen zersplittert ist – was das Kaufen von
Tickets sehr kompliziert macht. Vor allem für Vielfahrer:innen wird es
jetzt einfacher und billiger. Aber Achtung: Nicht für alle wird es
günstiger. Bei vielen Monatskarten können Inhaber:innen zum Beispiel
abends oder am Wochenende jemanden kostenlos mitnehmen. Das ist mit dem
49-Euro-Ticket nicht möglich, nur Kinder bis sechs Jahre fahren kostenlos
mit.
4 Ist das Ticket nicht zu teuer?
Sozialverbände kritisieren genau das mit Blick auf Familien und Menschen
mit wenig Geld. Aber wahrscheinlich wird die Karte in Zukunft sogar noch
teurer. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) vermeidet den Begriff
49-Euro-Ticket, weil der Preis nicht auf Dauer angelegt ist. Allerdings
gibt es vielerorts günstigere Preise für bestimmte Gruppen. Und: Als
Jobticket mit einem Arbeitgeberzuschuss kostet es nur 34,30 Euro im Monat.
5 Wer bekommt das Geld für das Ticket? Die Deutsche Bahn oder die
Verkehrsunternehmen vor Ort?
Wie die Einnahmen genau aufgeteilt werden, steht noch nicht fest. Die
Bahn-Konkurrenz hofft, dass Kund:innen die Karte bei regionalen
Unternehmen kaufen. Dazu raten auch die Verbraucherzentralen. Kund:innen
sollten auf Extras und Varianten achten, die vor Ort angeboten werden, etwa
eine mögliche Mitnahme von Hunden oder Rädern.
6 Gerade in der letzten Zeit sind die Züge sehr oft unpünktlich, viele
fallen aus. Was ist los bei der Deutschen Bahn?
Der Konzern, der zu 100 Prozent dem deutschen Staat gehört, hat das
Schienennetz über viele Jahre auf Verschleiß gefahren. Das Ergebnis ist
eine marode Infrastruktur, immer wieder gibt es Signalstörungen, die zu
erheblichen Verzögerungen führen. Jetzt werden viele Strecken auf einmal
saniert und modernisiert. Etliche werden dazu gesperrt, Züge müssen Umwege
fahren, werden ganz gestrichen oder durch Busse ersetzt.
7 Wenn die Deutsche Bahn dem Staat gehört: Wieso hat der zugelassen, dass
sie in so eine desolate Lage geraten ist?
Seit der Wiedervereinigung wurde die Privatisierung der Deutschen Bahn
vorangetrieben. Sie sollte profitabel und an die Börse gebracht werden. Die
Folge waren Jobabbau und [2][die Stilllegung von Strecken]. Das war
politisch gewollt. Gleichzeitig flossen und fließen unzählige Milliarden in
unsinnige Projekte wie den Megabau Stuttgart 21.
8 Die Ampelregierung hat sich eine Bahn-Reform vorgenommen. Was ist da
vorgesehen?
Die Bundesregierung will die Deutsche Bahn aufspalten. Dazu sollen zwei
Gesellschaften entstehen, eine für das Schienennetz und die Bahnhöfe und
die andere für den fahrenden Betrieb. Damit soll mehr Wettbewerb auf der
Schiene ermöglicht werden. Schon heute sind neben dem Staatskonzern vor
allem im Regionalverkehr private Unternehmen aktiv, etwa die Töchter
anderer europäischer Staatsbahnen. Auch im Güterverkehr gibt es Konkurrenz.
Die Wettbewerber versprechen sich von der Aufspaltung der Deutschen Bahn
bessere Bedingungen, etwa bei der Streckenverteilung. Kritiker:innen
wie das Bündnis „Bahn für alle“ fürchten, dass die Aufspaltung zu
Reibungsverlusten führt und mehr Wettbewerb zulasten der Fahrgäste geht,
etwa weil nur noch profitable Verbindungen angeboten werden.
9 Was wäre eine Alternative zu den Reformplänen der Bundesregierung?
Das Bündnis „Bahn für alle“ etwa schlägt vor, aus dem Staatskonzern eine
klimagerechte gemeinnützige Organisation zu formen, in deren Gremien auch
Bürger:innen vertreten sind. Wenn der gesamte Betrieb unter einem Dach
erfolgte, könnten Angebote einfacher abgestimmt und verbessert werden,
argumentiert das Bündnis. Heute verdient der Konzern viel Geld mit
Transporten per Lkw, das könnte dann beendet werden.
10 Zurzeit streitet das Management der Deutschen Bahn mit der
Eisenbahngewerkschaft EVG über einen neuen Tarifvertrag. Die EVG hat
zweimal bundesweit gestreikt. Gibt es bald eine Einigung?
Danach sieht es nicht aus. Das Angebot der Deutschen Bahn für die
Beschäftigten bleibt weit hinter den Forderungen der Gewerkschaft zurück.
Wenn es um das Topmanagement geht, ist der Staatskonzern großzügiger.
Bahnchef Richard Lutz soll sein Gehalt für 2022 verdoppeln können, weil
wieder Boni ausgezahlt werden sollen. Er soll 2,2 Millionen Euro bekommen.
Immerhin blockiert der Aufsichtsrat zurzeit die Boniauszahlung.
Lokführer:innen verdienen im Schnitt deutlich unter 50.000 Euro im
Jahr.
11 Drohen weitere Streiks, möglicherweise ein ganzer Streiksommer?
Der nächste Verhandlungstermin ist für Ende Mai angesetzt. Aber der
Tarifkonflikt könnte sich noch einige Zeit hinziehen. Weitere Warnstreiks
sind angesichts der verfahrenen Verhandlungssituation wahrscheinlich.
[3][Die EVG droht, sie könne den Zugverkehr wochenlang lahmlegen.]
Allerdings sind Streiks nicht nur für die Deutsche Bahn teuer, sondern auch
für die Gewerkschaft.
29 Apr 2023
## LINKS
[1] /Loesung-bei-Schufa-Problemen/!5927228
[2] /Bahnstrecken-Reaktivierung-im-Norden/!5924648
[3] /Tarifkonflikt-bei-der-Bahn/!5931179
## AUTOREN
Anja Krüger
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