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# taz.de -- Arbeitsbedingungen in der Game-Branche: Überstunden als Standard
> Das Spiel „Cyberpunk 2077“ war voller Fehler und die Entwickler:innen
> litten unter schlechten Arbeitsbedingungen. Seitdem hat sich viel getan.
Bild: Der non-binäre Charakter V muss in „Phantom Liberty“ die Präsidenti…
Selten waren die Erwartungen gegenüber einem [1][Videospiel] höher als bei
„Cyberpunk 2077.“ Das Science-Fiction-Rollenspiel vom polnischen
Entwicklerstudio CD Projekt Red sollte 2020 neue Maßstäbe setzen, eine
immersive Welt schaffen. Doch als das Spiel veröffentlicht wurde, hatten
die Spieler:innen es mit einem unfertigen Produkt zu tun.
Überall gab es [2][Programmierungsfehler], die zu Abstürzen und zerstörten
Spielständen führten. Viele der versprochenen Inhalte fehlten und einige
Konsolen konnten das Spiel nicht einmal abspielen.
Noch dazu gab es Berichte über desaströse Arbeitsbedingungen bei CD Projekt
Red. Sony nahm das Spiel kurzfristig sogar vom Markt. In den letzten Jahren
hat das börsennotierte Studio zahlreiche kostenlose Updates nachgereicht.
Mit „Phantom Liberty“ bringt CD Projekt Red nun seine einzige, dafür aber
[3][groß angelegte Erweiterung] für das Hauptspiel heraus. Im Gegensatz zu
„Cyberpunk 2077“ hält der neue Inhalt seine Versprechen ein.
Die Spielfigur V – Geschlecht frei wählbar – betritt in „Phantom Liberty…
den neuen Stadtteil „Dogtown.“ Es ist ein zerrütteter Ort. An jeder
Straßenecke werden Drogen angeboten, schwerbewaffnete Gangs patrouillieren.
V verschlägt es in diese Zone, weil das Flugzeug der Präsidentin dort
abgestürzt ist. Es liegt nun an den Spieler:innen, sie zu retten. Die
Präsidentin greift dabei selbst zur Waffe.
## Starauftritte im Spiel
Ihre Charakterzeichnung wandelt zwischen klischeehafter „Powerfrau“ und
eloquenter Diplomatin und ist in ihren spitzen Dialogen durchaus
sympathisch. Sie und V versuchen die Außenwelt zu kontaktieren und treffen
dafür einen Agenten im Untergrund. Dieser wird von niemand anderen
verkörpert als Hollywoodgröße Idris Elba. Schon das Hauptspiel sorgte für
Aufsehen, als bekannt wurde, dass Internetliebling Keanu Reeves eine der
Hauptrollen spielt. Auch in „Phantom Liberty“ ist er mit dabei.
Das Studio selbst nennt die Erweiterung des Spiels einen
„Noir-Cyberpunk-Spionage-Thriller“. Durch neue Funktionen, Waffen,
Fahrzeuge und Nebenmissionen wirkt es fast so, als handle es sich um ein
neues Spiel. Doch auch hier gibt es Programmierungsfehler, allerdings
längst nicht so fatal wie 2020.
Bei der Erstveröffentlichung des Spiels waren es nicht nur die groben
Fehler im Spiel, die für Schlagzeilen sorgten. Auch über die Entwicklung
von „Cyberpunk 2077“ gab es damals alarmierende Meldungen:
16-Stunden-Schichten, verpflichtende Überstunden, Sechstagewoche. Mit einem
solchen Umfeld ist CD Projekt Red kein Einzelfall. Überstunden, die
Verdopplung oder gar Verdreifachung der Arbeitszeit und Burn-out sind keine
Seltenheit in der Gamingbranche.
## Überstunden sind Standard
Der sogenannte „crunch“, also die obligatorischen Überstunden, ist
inzwischen besonders bei großen Produktionen ein Industriestandard. Zuletzt
hatte das renommierte deutsche Studio „Mimimi Games“ erklärt, keine Spiele
mehr entwickeln zu wollen. Der Grund: Die Entwickler:innen möchten das
eigene Wohlergehen und ihre Familien priorisieren. Der wachsende Druck der
Branche sei zu hoch, man könne ihm nicht mehr länger standhalten.
Die Spieleindustrie ist eine rasante Branche mit hoher Fluktuation und
großen technologischen Sprüngen. Und sie ist eine vergleichsweise junge
Branche, die erst seit den frühen 2000er Jahren vom Mainstream beachtet
wird. Inzwischen ist das Geschäft mit Videospielen größer als die Musik-
und Hollywoodindustrie zusammen, die Umsätze betrugen im letzten Jahr rund
200 Milliarden Euro. Doch Gewerkschaften gibt es keine. Obwohl es in den
letzten Jahren immer wieder zu Streiks kam und die Entwickler:innen
ihre Frustration über befristete Verträge und das toxische Arbeitsklima
stärker nach außen kommunizierten.
Bewegt hat sich auch etwas bei CD Projekt Red. Laut eigener Aussage hat das
Studio nun 12 bis 13 Mitarbeiter:innen ausgewählt, die als Brücke
zwischen dem Management und den Entwicklungsteams fungieren sollen. Das
sogenannte RED Team Representatives ist demokratisch gewählt und soll die
Positionen und Anliegen der Teams an das Management herantragen.
Das erinnert an die Funktion eines regulären Betriebsrats. Nach polnischem
Recht ist es ab zehn Arbeitnehmer:innen möglich, eine
Gewerkschaftsvertretung zu gründen. CD Projekt Red hat knapp 900
Mitarbeiter:innen. Dass solche Wege erst jetzt etabliert werden,
reflektieren die Arbeitsverhältnisse einer zutiefst neoliberalen Branche.
Immerhin: Das bessere Arbeitsklima scheint positive Auswirkungen auf
„Phantom Liberty“ gehabt zu haben.
25 Sep 2023
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## AUTOREN
Martin Seng
## TAGS
Games
Ausbeutung
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