Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Krise der Gaming-Magazine: Neue Clickbait-Opfer
> Mit „Games Aktuell“ und „GamePro“ werden renommierte Spiele-Magazine
> eingestellt. Doch warum, wenn es dem Gaming-Journalismus eigentlich gut
> geht?
Bild: Ultrapopulär, aber (noch) nicht olympisch: E-Sport-Turnier in Ber
Jede Sparte hat ihre Magazine, auch wenn sie noch so klein ist.
Luftfahrtbegeisterte haben die Flug Revue, Angler:innen lesen Fisch &
Fang, MC1R ist ein Magazin für Rothaarige, und Orgelspieler:innen
informieren sich in Die Hausorgel.
Auch Videospiele haben seit Jahrzehnten ihre Magazine am Kiosk.
[1][Inzwischen ist Gaming] aber längst kein Nischenthema mehr, sondern ein
Multimilliardengeschäft. Doch der Journalismus rund um Spiele ist – bis auf
wenige Ausnahmen – ein Geschäft mit Reichweite. Zudem stecken die
Print-Gaming-Magazine in [2][einer tiefen Krise]. Das zeigt jüngst auch die
Einstellung der beiden ehemals großen Magazine Games Aktuell und GamePro.
Dabei ist das große Sterben des Print-Marktes nichts Neues. Erst recht
nicht in Zeiten des immer stärker werdenden Online-Journalismus. Doch die
Schnelligkeit geht oft zulasten investigativer Recherchen. So auch bei
Videospielen. Erscheint ein Spiel erst kurz nach Veröffentlichung der
aktuellen Print-Ausgabe, ist eine differenzierte Besprechung einen Monat
später uninteressant.
Auch aktuelle Neuigkeiten sind bis dahin längst bekannt und brauchen keinen
Platz mehr auf den gedruckten Seiten. Gaming-Magazine waren in den letzten
Jahren meist nur eine Sammlung von Texten ihrer meist gleichnamigen
Online-Seiten.
Nicht nur GamePro des französischen Verlags Webedia und Games Aktuell vom
deutschen Computec Media Verlag haben ihr Aus verkündet. Im März 2023 wurde
das von seinen Nutzer:innen finanzierte Online-Magazin [3][Wasted]
eingestellt, gefolgt vom GAIN Magazin im Herbst. Vor allem Wasted versuchte
es mit einem feuilletonistischen Ansatz, konnte aber nicht bestehen.
## Reißerische Artikel
Die Besprechung von Videospielen beschränkt sich oft auf grafische
Einstellungen, die erzählte Geschichte und wie sich das Spiel selbst
spielt. Die technikaffine Berichterstattung vernachlässigt aber oft die
politischen und kulturellen Aspekte, die das Medium mit sich bringt. Themen
wie Rechtsextremismus im Gaming, der wachsende Brancheneinfluss Chinas,
r[4][ussische Spiele-Propaganda] oder auch unreflektierter US-Patriotismus
sind im Gaming-Journalismus nur Randerscheinungen. Die Online-Magazine
gehen den Bereich „Games-Feuilleton“ nur zaghaft an.
Online sind es ohnehin die reißerischen Artikel, die die meisten Aufrufe
generieren. Doch versteckt sich hinter den Überschriften nur wenig Inhalt.
Während das Alltagsgeschehen hierzulande von Focus Online und Bild in zig
Clickbait-Meldungen verarbeitet wird, sind es bei den Gaming-News Seiten
wie inGame oder IGN.
Neben dem Clickbaiting sind es Provisionen durch Affiliate-Links, die
online Geld bringen, und die gängigen Paywall-Abonnements. Auch Werbedeals
mit externen Marken sind inzwischen die Norm. Hinter den Kulissen werden
Redakteur:innen trotz Qualifikationen oft zu niedrigen Löhnen
eingestellt.
Die finanziellen Hochzeiten waren für die meisten Magazine spätestens Mitte
der 2000er Jahre vorbei. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis verbleibende
Gaming-Magazine wie Play5 oder N-Zone zum letzten Mal Spiele besprechen.
Der Spielejournalist Markus Schwerdtel zieht trotz des Rückgangs der
Print-Magazine ein sehr positives Fazit: „Dem Spielejournalismus geht es so
gut wie nie, sowohl in Deutschland als auch international. Man muss sich
nur davon lösen, dass es unbedingt ein gedrucktes Magazin oder eine
klassische Website sein muss.“
Schwerdtel ist Mitglied der Chefredaktion der GameStar, die sowohl die
gleichnamige Website als auch das Print-Magazin betreibt. Auch die GamePro
zählte bis vor Kurzem noch zu ihrem Repertoire, rentierte sich aber nicht
mehr. Er sieht die Herausforderung des Gaming-Journalismus darin, möglichst
viele unterschiedliche Formate zu produzieren, wie Podcasts, Tests, News
und Videos.
„Wir als Inhaltersteller:innen müssen es schaffen, für jeden
Nutzer:innenbedarf, für jede Situation die passende Antwort zu haben, wie
wir es eben bei GameStar versuchen“, so Schwerdtel. „Das alles gibt es zwar
vielleicht nicht unbedingt konzentriert an einem Ort und auch nicht immer
gratis, aber wer sich etwas umschaut, bekommt alle Informations- und vor
allem auch Unterhaltungsbedürfnisse gestillt. Und zwar in einer Vielfalt
und Tiefe, wie sie zu den Spielejournalismus-Anfangszeiten vor rund 40
Jahren unvorstellbar gewesen wäre.“
## An Glaubwürdigkeit verloren
Deutlich kritischer sieht das der Hamburger Autor Jörg Luibl. Er war über
20 Jahre Chefredakteur der Seite 4Players, bis er sich 2021 mit dem
Online-Magazin Spielvertiefung selbstständig gemacht hat. Er distanziert
sich vom Reichweitenjournalismus und widmet sich in Podcasts sowie
Artikeln kulturellen Bezügen zwischen Spielen, Literatur und Geschichte.
Luibl sagt: „Der Spielejournalismus der großen Magazine hat seine
Glaubwürdigkeit und Relevanz über viele Jahre verloren, weil Verlagsleiter
und Chefredakteure in erster Linie Service für die Publisher, also die
Werbepartner, betrieben haben. Das haben die Leser natürlich gemerkt, wenn
Mittelmaß bejubelt wurde oder es plötzlich Dutzende News zu einem Spiel
gab, das bald erscheint.“
Der Autor sieht auch die Absprachen im Hintergrund kritisch: „An der
Oberfläche gibt man sich unabhängig, aber hinter den Kulissen gibt es
Kooperationen mit Spieleherstellern, in denen die Art und Anzahl der
Inhalte festgelegt wird. Hinzu kommen viele Seilschaften und
Gefälligkeiten.“
Laut Luibl unterwerfe sich der Gaming-Journalismus vollständig den
Algorithmen und setze nur noch auf Clickbait und Keywords. Der
investigative journalistische Inhalt bleibe meist auf der Strecke, ebenso
wie faire Vergütungen. „Die Gehälter für Redakteure sind niedrig und die
Leidenschaft für Spiele wird ausgenutzt, sodass unbezahlte Überstunden
quasi vorausgesetzt werden“, so Luibl.
Die große Herausforderung an den Spielejournalismus ist, dass er sich in
den kommenden Jahren nicht weiter verwässert.
Er muss sein Sichtfeld erweitern, investigativer und seriöser werden. Sonst
läuft er Gefahr, sich nur auf Tech-News zu beschränken. Im schlimmsten
Falle wird er sich so selbst abschaffen.
30 Jan 2024
## LINKS
[1] /Arbeitsbedingungen-in-der-Game-Branche/!5959715
[2] /Das-Missy-Magazine-ueber-die-Krise/!5952679
[3] https://wasted.de
[4] /Kriegsvideos-und-Ego-Shooter/!5908859
## AUTOREN
Martin Seng
## TAGS
Games
Missy Magazine
Printkrise
Kommunikation
Kolumne Zockerzecke
Kolumne Flimmern und Rauschen
Videospiele
Games
Games
Print
## ARTIKEL ZUM THEMA
Sonderausstellung über Nachrichten: Aus der Postkutsche ins Internet
Was verraten Nachrichten darüber, wie wir uns verständigen? Eine
Sonderausstellung zu dem Thema im Museum für Kommunikation Berlin kann auch
überfordern.
Vorteile von physischen Spielen: Für mehr Plastik unterm Weihnachtsbaum
Immer weniger Gamer:innen kaufen ihre Spiele physisch – dabei können
Hersteller von Online-Spielen die Lizenzen einfach löschen. Zeit zum
Umdenken!
Publix-Haus für Journalismus: Ein Ort für die Zukunft
Mit dem Berliner Publix-Haus gibt es jetzt eine zukunftsweisende
Begegnungsstätte für Journalismus. Stifter Hans Schöpflin will sich nicht
einmischen.
In-Game-Käufe und Lootboxen: Vom Computerspiel zur Spielsucht?
Der niedersächsische Landtag knöpft sich „Lootboxen“ vor – auch wenn das
Prinzip in der Sitzung erst erklärt werden muss: kaufen auf gut Glück.
„Alan Wake II“ ist ein Meisterwerk: Das interessanteste Game des Jahres
Im Spiel „Alan Wake II“ verschmelzen Medien, Erzählungen, Wahrheit und
Wahnsinn. Das Game ist das vielleicht beste des Jahres.
Arbeitsbedingungen in der Game-Branche: Überstunden als Standard
Das Spiel „Cyberpunk 2077“ war voller Fehler und die Entwickler:innen
litten unter schlechten Arbeitsbedingungen. Seitdem hat sich viel getan.
Das „Missy Magazine“ über die Krise: „Auf die Community angewiesen“
Die feministische Missy wird 15 und kriselt. Ein Gespräch über die Vorteile
von Slow Journalism, düstere Zeiten und wie das Magazin überleben kann.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.