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# taz.de -- In-Game-Käufe und Lootboxen: Vom Computerspiel zur Spielsucht?
> Der niedersächsische Landtag knöpft sich „Lootboxen“ vor – auch wenn …
> Prinzip in der Sitzung erst erklärt werden muss: kaufen auf gut Glück.
Bild: Geld verzocken wie die Großen – das geht auch daheim
Hannover taz | Der grüne Abgeordnete Pascal Leddin hatte seine Rede im
Landtag kaum begonnen, da musste die Sitzungsleitung schon um Ruhe bitten.
Das liegt nicht daran, dass die Kollegen dem jüngsten Landtagsabgeordneten
grundsätzlich wenig Respekt entgegenbringen, sondern eher am Thema.
„Von Lootboxen zu problematischem Glücksspiel? Jugendschutz und
Suchtprävention konsequent umsetzen und simuliertes Glücksspiel regulieren“
ist der Titel des Antrags. „Loot was?“, fragen da nicht wenige Abgeordnete.
Lootboxen, das bekommen sie in der Folge noch von vier weiteren Rednern
erläutert, sind so etwas wie virtuelle Schatzkisten. Man kann sie in vielen
Computerspielen erwerben, ohne genau zu wissen, was man kriegt: tolle neue
Waffen, Ausrüstungsgegenstände oder Spieler, magische Fähigkeiten oder
Kräfte, manchmal auch bloß ein neues Aussehen der eigenen Spielfigur
(„Skin“).
Gezahlt wird in Punkten oder Fantasie-Währung wie Robux, Minecoin, V-Bucks,
Gold oder Edelsteine. Die kann man sich entweder erspielen oder – im
häufiger – mit richtig echtem Geld kaufen.
## Jedem fällt eine Geschichte ein
Und das ist vermutlich der zweite Grund für das große Getuschel im Landtag:
Wenn man das Stutzen angesichts des seltsamen Gamer-Jargons einmal
überwunden hat, fällt plötzlich jedem eine Geschichte ein, von den eigenen
Kindern, Nichten, Neffen oder Enkeln, die ihr Taschengeldkonto geplündert,
Geburtstags- oder Konfirmationsgelder auf den Kopf gehauen haben – oder bei
den Eltern für horrende Kreditkarten- oder Handyrechnungen gesorgt haben,
wenn die leichtsinnig genug waren, diese Zahlungsmethode zu hinterlegen.
Das liegt vor allem daran, dass mit diesen Fantasiewährungen ganz schnell
die tatsächlichen Kosten aus dem Blick verschwinden und sich Dutzende von
kleinen Kleckerbeträgen schnell zu hässlichen großen Summen addieren.
Die sogenannten In-game-Käufe machen mittlerweile etwas mehr als die Hälfte
des Umsatzes [1][der Gaming-Branche aus]. Und die ist längst ein
Milliarden-schweres Business. Wobei dieser niedersächsische Antrag nun auch
nicht allen In-game-Käufen den Garaus machen will – damit würde sich der
Landtag wohl mächtig verheben.
Lootboxen haben aber ein zusätzliches Problem, das Leddin mit dem Begriff
„Online-Casino“ umschreibt. Die gesamte Aufmachung, die Animationen, der
Sound, das Wechselspiel aus fiebriger Hoffnung und bitterer Enttäuschung –
da könnte man die Kinder und Jugendlichen genauso gut vor einen
Spieleautomaten, eine Slot-Maschine setzen, sagt er.
Die Regulierung von Glücksspiel ist in Deutschland allerdings durchaus
Ländersache. Der Haken ist bloß: Bisher werden die Lootboxen von der
Definition des Glücksspielgesetzes nicht erfasst. Darauf weist der
SPD-Abgeordnete Dennis True hin.
Das Glücksspielgesetz setzt nämlich im Wesentlichen drei Kriterien voraus:
Man setzt Geld ein, man gewinnt Geld und die Entscheidung über Gewinn und
Verlust hängt ganz oder überwiegend vom Zufall ab.
## Andere Länder machen es vor
Das ist bei den meisten Computerspielen nicht oder zumindest nicht ganz der
Fall. Zwar setzt man Geld ein, der Gewinn besteht aber erst einmal in
Vorteilen im Spiel und nicht in Geld – obwohl es für fast alle großen
Spiele mittlerweile Plattformen gibt, auf denen seltene Lootboxen-Inhalte
für sehr viel Geld gehandelt werden. Über die Zuteilung entscheidet ein
Algorithmus, der vom Spieleanbieter kontrolliert wird.
In Österreich haben Gerichte im vergangenen Sommer in der zweiten Instanz
entschieden, dass es sich um Glücksspiel handelt – und weil der
Spieleanbieter über keine entsprechende Konzession verfügt, soll er nun dem
klagenden Spieler mehrere tausend Euro Einsatz zurückzahlen.
Getroffen hat das den Branchenriesen Sony Interactive und seinen
US-Publisher Electronic Arts und das beliebte Fußballspiel Fifa, wo man
Spieler-Packs kaufen kann – ohne zu wissen, ob man Spitzenspieler oder
Luschen kriegt. Auch andere Länder wie Portugal und Belgien haben dafür
gesorgt, dass Spiele mit solchen Glücksspielelementen zumindest nicht mehr
an Minderjährige vertrieben werden dürfen.
Das hat in einigen Fällen dazu geführt, dass die Lootboxen aus dem Spiel
verschwanden – weil man sich den lukrativen Markt der kleinen
Taschengeld-Verzocker nicht ganz entgehen lassen will.
Unter Experten ist umstritten, was der effektivste Weg wäre, die
Daumenschrauben für die Spieleanbieter anzuziehen: Ändert man den
Glücksspielstaatsvertrag oder bessert man lieber im Jugendschutzgesetz
nach? Soll das auf Landes-, Bundes- oder gar EU-Ebene geregelt werden?
Bisher schieben [2][sich die verschiedenen Ebenen gegenseitig die
Verantwortung zu.]
Im Entschließungsantrag, der von den Grünen und der SPD eingebracht, von
der CDU und AfD aber begrüßt wurde, formuliert der niedersächsische Landtag
nun erst einmal eine Reihe von Prüfaufträgen. Mit den lästigen Details wird
sich der Fachausschuss für Verbraucherschutz befassen müssen.
2 Jun 2024
## LINKS
[1] /Gamescom-in-Koeln/!5954834
[2] /Archiv-Suche/!5479367&s=Loot&SuchRahmen=Print/
## AUTOREN
Nadine Conti
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