# taz.de -- Permakultur-Designer über Ökolandbau: „Polykulturen statt Monok… | |
> Auch in der Biolandwirtschaft werden oft Pflanzen nur einer Art angebaut, | |
> kritisiert Permakultur-Designer Kennedy. Die Insektenvielfalt geht | |
> verloren. | |
Bild: Monokultur in Mecklenburg-Vorpommern: Auch in der Biolandwirtschaft mange… | |
taz: Herr Kennedy, immer mehr Bauern stellen auf [1][Ökolandbau] um. Sind | |
damit die Umweltprobleme der Landwirtschaft gelöst? | |
Declan Kennedy: Zum großen Teil. Wenn man nicht mehr chemisch-synthetische | |
Pestizide und Mineraldünger verwendet, nützt das der Natur. Aber auch im | |
Ökolandbau kommen oft künstlicher Dünger und für Bio zugelassene Pestizide | |
zum Einsatz, die das Bodenleben zerstören und Gifte in den Böden, Pflanzen | |
und im Grundwasser hinterlassen. Die landen dann durch den Verzehr im | |
menschlichen Körper. | |
Was sind die drängendsten Umweltprobleme im Ökolandbau? | |
Die Monokultur-Systeme, die großen Äcker, sind eigentlich gegen die Natur. | |
Getreide wird auf großen Äckern angebaut. Aber jede Pflanze bringt ihre | |
eigenen Insekten mit, sogar eigene Vögel. Die helfen den Pflanzen. Aber | |
weil sie in so großen Monokulturen angebaut werden, gibt es zu viel von | |
einer Art und dann bekommen sie den Status eines Schädlings statt eines | |
Helfers. Und dann muss man anfangen zu spritzen. | |
Wie kann man dieses Problem lösen? | |
Durch Polykulturen. In der [2][Permakultur] versuchen wir, die Natur | |
nachzuahmen. Man sollte mehr kleinteilige Strukturen schaffen, zum Beispiel | |
Getreide in Gemüseäckern anbauen. In solchen Pflanzengemeinschaften muss | |
man gar keine Schädlinge bekämpfen. Apfelbäume sollten nicht allein | |
wachsen, sondern zusammen mit vielen verschiedenen Sorten Obstbäumen. | |
Haben Sie ein Beispiel dafür? | |
Meine inzwischen verstorbene Frau und ich haben mit einer | |
Landschaftsplanerin einen 20 Hektar großen Permakultur-Park in Dortmund | |
geschaffen. Wir haben die Bäume in Kurven pflanzen lassen, und unter dem | |
Obst kommt mehrjähriges Gemüse. Nur direkt neben dem Hofgebäude gibt es vor | |
allem Gemüse und Kräuter, die man oft pflegen muss. In der Permakultur wird | |
gefragt: Wie oft muss ich die Pflanze pflegen? Einen Apfelbaum muss man nur | |
ein bis zwei Mal pro Jahr pflegen oder beernten, wenn er trägt. Bei | |
Petersilie oder Salat etwa muss man jeden Tag irgendwas machen. Deshalb | |
sollten diese Pflanzen direkt am Hofgebäude, die Bäume weiter weg wachsen. | |
Das spart Zeit und Energie. | |
Warum werden die Bäume in Kurven gepflanzt? | |
Wenn alle Pflanzen auf einer Geraden wachsen, sind sie alle gleichzeitig | |
reif und müssen gleichzeitig geerntet werden. Durch die Kurven wird die | |
Ware zu verschiedenen Zeiten reif, wegen des Winkels der | |
Sonneneinstrahlungl. Ein Teil von Permakultur ist, bewusst zu planen. | |
Was bringt Permakultur dem Landwirt selbst? | |
Dass er weniger arbeiten muss. Er muss weniger Zeit für Wege aufwenden. Ich | |
habe in meinen Gewächshäusern Feigenbäume, die zu verschiedenen Zeiten reif | |
sind. Der eine ist im Süden, einer im Osten und einer im Westen. Allein das | |
bringt verschiedene Erntezeiten, sodass sich die Arbeit besser zeitlich | |
verteilen lässt. | |
Welche Nachteile hat Permakultur? | |
In Polykulturen kann man nicht so gut mit Maschinen arbeiten. Handarbeit | |
ist bekanntermaßen zeitintensiver und auch kostspieliger, aber in unseren | |
Zeiten einer hohen Arbeitslosigkeit vielleicht gar nicht so nachteilig. | |
Außerdem sprechen immer mehr Menschen davon, vor allem junge Menschen, wie | |
gut es ihnen tut und wie gesund es ist, in direktem Kontakt mit der Erde | |
und damit mit der Natur zu sein, also wirklich in der Erde zu wühlen. | |
Erntet man weniger? | |
Man erntet weniger von einzelnen Pflanzensorten, aber insgesamt erntet man | |
mehr. | |
Ist das belegt durch Studien? | |
Ja, aber bisher gibt es wenig deutsche Studien dazu. Aber: Zahlen bringen | |
uns weg von Verbindungen. Wir müssen die Verbindung zwischen Pflanzen und | |
Menschen und dadurch zur Natur allgemein stärken. | |
Woher wissen Sie das alles? | |
Ich war eigentlich Professor für Städtebau, aber ich bin aufgewachsen in | |
Irland mitten im Zweiten Weltkrieg. Wir mussten uns selbst mit | |
Lebensmitteln versorgen. Mein Vater hat als Ingenieur gearbeitet bis halb | |
sechs und dann ging er sofort in den Garten, zum Gemüsefeld, zu den | |
Obstbäumen. Ich war auf seinen Fersen und half ihm. So konnten wir unsere | |
zehnköpfige Familie im Krieg versorgen. Dann habe ich Architektur und | |
Entwurfsmethoden studiert. Bis vor sieben Jahren habe ich selbst jahrelang | |
Gemüse angebaut, ich bin offiziell anerkannter Landwirt geworden. 1981 lud | |
ich Bill Mollison, einen der Begründer der Permakultur, aus Australien nach | |
Berlin ein. Die Begegnung mit diesem Mann hat mein Leben verändert: In den | |
folgenden zehn Jahren habe ich Permakulturkurse in 16 Ländern Europas | |
gegeben und dadurch diese Methode verbreitet, sodass daraus eine weltweite | |
Bewegung entstanden ist. | |
Warum veranstalten Sie im Oktober in Niedersachsen ein Treffen von | |
Ökobauern und Permakulturfachleuten? | |
Weil wir eine Menge von kleinen und mittelgroßen Höfen im deutschsprachigen | |
Raum besucht haben, die diese Kombination bereits erfolgreich umsetzen. | |
Aber diese Personen sind oft allein auf weiter Flur. Wir wollen diese | |
Menschen auf unserer „[3][Ökolandbau-Convergence]“ zusammenbringen, damit | |
sie voneinander lernen können. Und wir wollen, dass neue Leute Permakultur | |
kennenlernen und umgekehrt die Permakulturisten von den Erfahrungen und | |
Methoden des Ökolandbaus profitieren. | |
3 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Bio-Landwirtschaft/!t5022870 | |
[2] /Genossenschaft-fuer-Oekolandbau/!5468900 | |
[3] https://theconvergence.info/ | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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