# taz.de -- Affäre um antisemitisches Hetzblatt: Aiwanger wittert Kampagne | |
> Auch nach der Entschuldigung des Freie-Wähler-Chefs hält die Kritik an. | |
> Der Antisemitismusbeauftragte sieht die Erinnerungskultur Deutschlands | |
> beschädigt. | |
Bild: Nach der Entschuldigung ins Bierzelt: Freie Wähler Chef Hubert Aiwanger … | |
München dpa/epd/taz | In der Affäre um ein antisemitisches Hetzblatt aus | |
Schulzeiten bleibt Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger (Freie | |
Wähler) auch [1][nach einer öffentlichen Entschuldigung] unter Druck. Der | |
Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hielt Aiwanger vor, | |
keinen Willen zu einer offenen Aufklärung zu zeigen. Der | |
Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, kritisierte, | |
Aiwanger schade der Erinnerungskultur in Deutschland, weil er die Vorwürfe | |
nicht vollumfänglich aufkläre. | |
Aiwanger hatte bereits am Samstag schriftlich zurückgewiesen, zu | |
Schulzeiten ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das | |
die Süddeutsche Zeitung berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er aber ein, | |
es seien „ein oder wenige Exemplare“ in seiner Schultasche gefunden worden. | |
Kurz darauf gestand Aiwangers älterer Bruder ein, das Pamphlet geschrieben | |
zu haben. | |
Am Donnerstag entschuldigte sich Aiwanger erstmals öffentlich. [2][In Bezug | |
auf die Vorwürfe blieb er bei der bisherigen Darstellung] – insbesondere, | |
dass er das Flugblatt nicht verfasst habe und dass er sich nicht erinnern | |
könne, als Schüler den Hitlergruß gezeigt zu haben. Gleichzeitig ging der | |
Freie-Wähler-Chef zum Gegenangriff über, beklagte eine politische Kampagne | |
gegen ihn und seine Partei. | |
„Ich bereue zutiefst, wenn ich durch mein Verhalten in Bezug auf das in | |
Rede stehende Pamphlet oder weitere Vorwürfe gegen mich aus der Jugendzeit | |
Gefühle verletzt habe“, sagte Aiwanger. „Meine aufrichtige Entschuldigung | |
gilt zuvorderst allen Opfern des NS-Regimes, deren Hinterbliebenen und | |
allen Beteiligten und der wertvollen Erinnerungsarbeit.“ Von einem | |
möglichen Rücktritt war keine Rede. | |
## Missbrauch zu parteipolitischen Zwecken? | |
Der Welt (Online/Donnerstag) sagte Aiwanger: „In meinen Augen wird hier die | |
Schoah zu parteipolitischen Zwecken missbraucht“. Der Süddeutschen Zeitung, | |
die als erstes über Vorwürfe gegen ihn berichtet hatte, warf er vor, ihn | |
politisch vernichten zu wollen. | |
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat seinem Vize [3][einen | |
Katalog mit 25 Fragen] zum Thema zur schriftlichen Beantwortung im | |
Zusammenhang mit den Vorwürfen vorgelegt. Aiwangers Sprecher sagte, diese | |
würden nun „zeitnah“ beantwortet. | |
Nachdem Aiwanger am Donnerstag tagsüber mehrere Termine abgesagt hatte, | |
trat er am Abend wieder auf einer Kundgebung im oberbayerischen Aschau auf. | |
Zur Flugblatt-Affäre und den weiteren Vorwürfen äußerte er sich dort nicht | |
mehr. In seiner Rede warb er für die Politik der Freien Wähler, kritisierte | |
vor allem die Grünen und erntete teils tosenden Beifall. Am Freitag wollten | |
sowohl Aiwanger als auch Söder seit längerem geplante Termine in Bayern | |
wahrnehmen. | |
Die Kritik an Aiwanger reißt nicht ab. Der Präsident des Zentralrats der | |
Juden, Schuster, sagte der „Bild“ (Online/Donnerstag): „Die Entschuldigung | |
von Hubert Aiwanger bei den Opfern und Hinterbliebenen der Schoah war ein | |
guter, wenn auch längst überfälliger Schritt.“ Schuster sagte aber weiter: | |
„Bedauerlicherweise verbindet er dies mit einer Klage über eine politische | |
Motivation der Vorwürfe und lässt weiterhin den Willen zu offener | |
Aufklärung vermissen.“ | |
## Scharfe Kritik vom Antisemitismusbeauftragten | |
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Klein, sagte den | |
Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag): „Die Bemühungen in Schulen und | |
Gedenkstätten, gerade jüngeren Menschen einen kritischen und | |
verantwortungsvollen Umgang mit den nationalsozialistischen Verbrechen zu | |
vermitteln, werden durch das Verhalten von Herrn Aiwanger torpediert“. | |
Damit schade Aiwanger der Erinnerungskultur in Deutschland. „Ein | |
verantwortungsbewusster Umgang mit dem Erbe des schlimmsten jemals von | |
Deutschen begangenen Verbrechens wäre die proaktive [4][und vollumfängliche | |
Aufklärung der eigenen Rolle bei der Erstellung und Verteilung dieses | |
judenfeindlichen Pamphlets.“] | |
Der Antisemitismusbeauftragte des Landes Niedersachsen, Gerhard Wegner, | |
forderte Aiwanger zum Rücktritt auf. „Anstatt sich hinzustellen und sich in | |
angemessener und wirklich glaubwürdiger Weise für diese unsägliche und auch | |
eklige Schrift zu entschuldigen, wird verschleiert, wie es dazu gekommen | |
ist. Das finde ich absolut unbefriedigend. Deshalb müsste Aiwanger | |
eigentlich zurücktreten, wenn ihn Markus Söder schon nicht entlassen will“, | |
sagte der Theologe dem epd. | |
In Bayern wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Nach allen jüngsten | |
Umfragen können CSU und Freie Wähler auch danach weiter regieren. Söder | |
hatte am Dienstag gesagt, er wolle die Koalition fortsetzen. Koalitionen | |
hingen aber „nicht an einer einzigen Person“. Die Freien Wähler in Bayern | |
stellten sich geschlossen hinter Aiwanger und beklagten eine | |
„Schmutzkampagne“. | |
1 Sep 2023 | |
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