# taz.de -- Nach antisemitischer Hetzschrift: Aiwanger bittet um Entschuldigung | |
> Die Vorwürfe wurden zunehmend heftiger. Nun zeigt Bayerns | |
> Vize-Regierungschef Aiwanger Reue und bittet NS-Opfer um Entschuldigung. | |
> Ein Rücktritt kommt für ihn nicht infrage. | |
Bild: Aiwanger nach seiner Entschuldigung | |
MÜNCHEN/BERLIN dpa/rtr/taz | In der Flugblatt-Affäre lehnt der bayerische | |
Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger weiter einen Rücktritt ab. In einem | |
Statement in seinem Ministerium am Donnerstagnachmittag sprach der Chef der | |
bayrischen Freien Wähler von einem [1][„abscheulichen Pamphlet], das in | |
seiner Schultasche gefunden wurde“. Auch habe er als Jugendlicher Fehler | |
gemacht. Er bereue dabei „zutiefst, wenn ich durch das Pamphlet Gefühle | |
verletzt habe“. Seine „aufrichtige Entschuldigung gilt allen NS-Opfern“. | |
Gleichzeitig betonte Aiwanger, [2][die Vorwürfe lägen 36 Jahre] zurück. Das | |
antisemitische Flugblatt habe er nicht verfasst. Auch habe er nie den | |
Hitlergruß gemacht oder Hitlerreden vorm Spiegel eingeübt. „Ich war nie ein | |
Antisemit, ich war nie ein Menschenfeind.“ An menschenfeindliche Witze | |
könne er sich nicht erinnern. „Sollte dies geschehen sein, so entschuldige | |
ich mich in aller Form.“ | |
Aiwanger sprach von einer Kampagne, die gegen ihn gefahren werde. Dies sei | |
„nicht akzeptabel“ und schaffe ein Zerrbild. „Das bin nicht ich, das ist | |
nicht Hubert Aiwanger.“ | |
Zuvor war insbesondere auch von Holocaust-Überlebenden deutliches | |
Unverständnis geäußert worden. Charlotte Knobloch, Präsidentin der | |
Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, hatte sich im | |
Münchner Merkur schockiert gezeigt. „Das zerstört so viel Vertrauen“, sag… | |
Knobloch. | |
## Landtag kommt zu Sondersitzung zusammen | |
Aiwanger erklärte, die Vorwürfe lägen 36 Jahre zurück. Das antisemitische | |
Flugblatt habe er nicht verfasst. „Ich war nie ein Antisemit, ich war nie | |
ein Menschenfeind.“ Auch habe er nie den Hitlergruß gemacht oder | |
Hitlerreden eingeübt. An menschenfeindliche Witze könne er sich nicht | |
erinnern. „Sollte dies geschehen sein, so entschuldige ich mich in aller | |
Form.“ Erneut sprach Aiwanger von einer Kampagne. Dies sei „nicht | |
akzeptabel“ und schaffe ein Zerrbild. „Das bin nicht ich, das ist nicht | |
Hubert Aiwanger.“ Ein Sprecher versicherte, dass Aiwanger den | |
25-Fragen-Katalog von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) | |
„zeitnah“ beantworten werde. Zuvor war der Druck gestiegen. | |
Auf Antrag der Opposition sollte der Landtag am 7. September zu einer | |
Sondersitzung zusammenkommen. Einziges Thema: „Vorwürfe und offene Frage | |
betreffend den stellvertretenden Ministerpräsidenten und Staatsminister | |
Aiwanger im Zusammenhang mit einem Flugblatt mit antisemitischem Inhalt“. | |
Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann sagte nach Aiwangers Erklärung: „Die | |
Menschen in Bayern warten seit Tagen, dass sich Hubert Aiwanger angemessen | |
zu den schwerwiegenden Vorwürfen erklärt. Eine Entschuldigung bei den | |
Opfern des NS-Regimes und ihren Nachfahren war überfällig. Ausreichend ist | |
die heutige Stellungnahme in meinen Augen nicht.“ | |
Der Grünen-Politiker Erik Marquardt äußerte sich auf X: „Aiwanger hatte | |
sogar gute Chancen, die Nazi-Affäre halbwegs unbeschadet zu überstehen. | |
Meistens zeigt sich aber erst in der Reaktion auf Krisen, wer den | |
Herausforderungen als Minister gewachsen ist. Viel deutlicher als er kann | |
man in der Krisenkommunikation nicht scheitern.“ | |
## Spitzen der Bundesregierung entsetzt | |
Am Mittwoch hatten sich auch die Spitzen der Bundesregierung entsetzt | |
geäußert. Es dürfe nichts „vertuscht und verwischt“ werden, sagte Kanzler | |
Olaf Scholz (SPD). Notwendige Konsequenzen müssten gezogen werden. Ähnlich | |
hatten sich Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister | |
Christian Lindner (FDP) ausgedrückt. | |
[3][Aiwanger selbst hatte noch erklärt, er sei seit dem Erwachsenenalter | |
kein Antisemit und Extremist], in der Jugend könne man aber einiges so oder | |
so interpretieren. Diesen Satz nannte auch Alexander Dobrindt, Vorsitzende | |
der CSU-Landesgruppe im Bundestag, „verstörend, weil er Interpretationen | |
zulässt“. | |
Der Vorstand und Kabinettsmitglieder der Freien Wähler stellten sich | |
dagegen hinter Aiwanger. Der Landesvorstand der Freien Wähler Bayern wolle | |
eine bürgerliche Koalition fortsetzen. „Dies ist seitens der Freien Wähler | |
nur gemeinsam mit Hubert Aiwanger möglich“, erklärte dieser. In Bayern wird | |
am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Die CSU hatte erklärt, die | |
Koalition mit den Freien Wählern nach der Wahl fortsetzen zu wollen. Die | |
CSU regiert im Freistaat seit 2018 zusammen mit den Freien Wählern. | |
31 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
Tanja Tricarico | |
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