# taz.de -- Justizvollzug in Deutschland: Mehr Suizide in Gefängnissen | |
> Die Zahl der Selbsttötungen in Haft hat sich seit 2019 mehr als | |
> verdoppelt. Die Linke fordert eine bessere psychosoziale Versorgung der | |
> Häftlinge. | |
Bild: Auch psychisch Kranke werden inhaftiert, statt ihnen zu helfen | |
In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Menschen in Haft, die sich das | |
Leben genommen haben, zugenommen. Wurden 2019 noch 42 Suizide in | |
Gefängnissen in Deutschland verzeichnet, waren es 2021 mit 92 mehr als | |
doppelt so viele. Auch die Zahl der gesamten Todesfälle stieg an: von 144 | |
auf 182. Das geht aus der Antwort des Bundesjustizministeriums auf eine | |
Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor. | |
In Deutschland gibt es bundesweit 172 Justizvollzugsanstalten mit rund | |
57.000 Inhaftierten. [1][Die Linksfraktion fragt regelmäßig die Todeszahlen | |
in Haft ab.] Von 1998 bis 2017 starben nach Angaben der linken | |
Bundestagsabgeordneten Clara Bünger, die die Kleine Anfrage mit eingereicht | |
hatte, in deutschen Haftanstalten mehr als 3.000 Menschen. Bei knapp der | |
Hälfte dieser Todesfälle sei als Todesursache Suizid angegeben gewesen. Im | |
Jahr 2017 sei die Zahl der Suizide in Haft mit 82 auf dem höchsten Stand | |
seit 2005 gewesen. Danach ging sie wieder zurück. 2022 gab es dann mit 92 | |
einen neuen Höchststand. | |
Die meisten Suizide ereigneten sich laut der Antwort des | |
Bundesjustizministeriums von 2019 bis 2022 in Untersuchungshaft. In zehn | |
Prozent der Fälle betrafen Suizide Menschen, die [2][eine | |
Ersatzfreiheitsstrafe absitzen] mussten. Die meisten waren zu dem Zeitpunkt | |
24 bis 40 Jahre alt. | |
Bünger findet die Zahlen besorgniserregend. „Viel zu häufig werden | |
Gefangene durch die Haftbedingungen zermürbt, sodass sie schlimmstenfalls | |
keinen anderen Ausweg sehen als den Suizid.“ Teils würden auch Menschen | |
inhaftiert, die psychisch krank seien. Statt einer Freiheitsstrafe hätten | |
sie dringend ärztliche Hilfe benötigt, so Bünger. | |
## Mehr Transparenz in Blackbox Knast | |
Die [3][Nationale Stelle zur Verhütung von Folter] hatte 2022 darauf | |
hingewiesen, dass immer mehr Gefangene im deutschen Justizvollzug | |
psychische Auffälligkeiten aufweisen. Zugleich könne eine ausreichende | |
Behandlung dort nicht immer gewährleistet werden. | |
In seiner Antwort auf die Kleine Anfrage schreibt das Justizministerium: | |
„Für Menschen, die in staatlicher Obhut inhaftiert sind, trägt der Staat | |
eine besondere Schutz- und Fürsorgepflicht.“ Dennoch kämen Todesfälle in | |
der Haft „leider vor“. „Die Verhinderung derartiger Ereignisse hat für d… | |
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Verantwortlichen und die Haftanstalten | |
selbst höchste Priorität.“ | |
Bünger empfindet die Anmerkung als „zynisch“. „In der Praxis kommt der | |
Staat dieser Pflicht häufig gerade nicht nach. Im Gegenteil werden | |
Gefangene, die über Depressionen klagen oder dringend um ärztliche Hilfe | |
bitten, immer wieder alleingelassen oder sogar durch verschärfte | |
Repressionen wie Isolationshaft in den Tod getrieben.“ Das zeigten Berichte | |
unter anderem von ehemaligen Inhaftierten, der Gefangenengewerkschaft oder | |
von unabhängigen Dokumentationsstellen. | |
Es brauche dringend mehr Transparenz in der „Blackbox Knast“, vor allem | |
aber eine bessere psychosoziale Versorgung. Bünger fordert aber auch: „Wir | |
müssen dringend Alternativen für das krankmachende und tödliche Knastsystem | |
finden.“ | |
31 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Bedingungen-in-deutschen-Haftanstalten/!5787900 | |
[2] /Ersatzfreiheitsstrafe-fuer-Arme/!5908952 | |
[3] /Massregelvollzug-Berlin/!5950643 | |
## AUTOREN | |
Johanna Treblin | |
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