| # taz.de -- Berliner Doppelhaushalt: Gaebler rasiert Bürgerbeteiligung | |
| > Kürzungen allerorten: Auch den Anlaufstellen in den Bezirken für die | |
| > Bürgerbeteiligung bei Bauprojekten sollen die Gelder zusammengestrichen | |
| > werden. | |
| Bild: Ohne die Bürger:innenbeteiligungs-Quälgeister geht es leichter: Bausena… | |
| Berlin taz | Geht es nach der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, | |
| schauen die bezirklichen Anlaufstellen für Bürger:innenbeteiligung | |
| demnächst in die Röhre. Allen Lobliedern auf einen „Rekordhaushalt“ 2024/… | |
| zum Trotz soll auch hier der Rotstift angesetzt werden – und das denkbar | |
| radikal. | |
| Gab es bislang 250.000 Euro pro Jahr und pro Bezirk für die | |
| Beteiligungsbüros, sind künftig nur noch gut 133.000 Euro vorgesehen. Die | |
| Anlaufstellen beraten Berliner:innen und die Bezirke bei | |
| Beteiligungsformaten, vor allem bei Bau- und Stadtentwicklungsprojekten, | |
| nach eigenen Angaben in steigendem Maße. „Die geplante Kürzung der Mittel | |
| hätte zur Folge, dass wir die Aufgaben in diesem Umfang nicht mehr erfüllen | |
| können“, heißt es in einem jetzt veröffentlichten Hilferuf von Büros aus | |
| acht Bezirken an das Abgeordnetenhaus. | |
| „Für die Bezirke ist das fatal“, sagt Susanna Kahlefeld der taz. Die | |
| Sprecherin für Engagement und Beteiligung der Grünen-Fraktion verweist | |
| darauf, dass die Anlaufstellen nach jahrelanger Aufbauarbeit nun endlich | |
| „in die Hufe gekommen“ seien und loslegen wollen. Sie ist überzeugt: „Die | |
| Kürzung ist rein politisch motiviert.“ Denn [1][Stadtentwicklungssenator | |
| Christian Gaebler] sei Bürger:innenbeteiligung genau so ein Graus | |
| wie seinem Amtsvorgänger Andreas Geisel (beide SPD). | |
| Tatsächlich hatte auch Andreas Geisel 2022 bei den letzten | |
| Haushaltsverhandlungen keine Scheu gezeigt, über Kürzungen die Axt an | |
| vereinbarte Beteiligungsprojekte anzulegen. Damals sollte es für die | |
| Anlaufstellen auf 153.000 Euro pro Bezirk runtergehen. Das Vorhaben | |
| scheiterte letztlich am erbitterten Widerstand der Koalitionspartner Grüne | |
| und Linke. | |
| ## SPD-Fraktion will mal schauen | |
| Inzwischen ist Rot-Grün-Rot Geschichte und im Koalitionsvertrag von CDU und | |
| SPD läuft das Thema Bürger:innenbeteiligung unter ferner liefen. | |
| Hendrikje Klein von den Linken ist deshalb auch nicht überrascht, dass die | |
| SPD-Verwaltung die Gunst der Stunde zu nutzen versucht, um die | |
| Anlaufstellen zu rasieren. Auch Klein spricht von einer „gezielten | |
| Maßnahme“. Die Sprecherin für Bürger:innenbeteiligung der | |
| Linksfraktion sagt der taz: „Es gibt so viele Bauvorhaben, werden die | |
| Mittel gekürzt, können die Büros adäquate Beteiligungsformate kaum noch | |
| gewährleisten.“ | |
| Die SPD-Abgeordnete Ülker Radziwill sagte jetzt der Berliner Morgenpost, | |
| dass man mal schauen will, ob man im Rahmen der Haushaltsverhandlungen da | |
| noch was machen könne. Radziwill war bis zur Wiederholungswahl | |
| Staatssekretärin unter Beteiligungs-Tabula-rasa-Senator Andreas Geisel. | |
| Susanna Kahlefeld traut den Worten aus der SPD-Fraktion dann auch nicht. | |
| Wobei die Grünen-Politikerin beim Blick auf die Kürzungspläne noch an etwas | |
| anderes erinnert: „Ausgerechnet diejenigen, die jetzt die Strukturen in den | |
| Bezirken schleifen, wollen auf der anderen Seite eine stadtweite | |
| Bürger:innenbefragung zur Randbebauung des Tempelhofer Feldes.“ | |
| Sobald es um die eigenen [2][Bebauungsphantasien] gehe, werde plötzlich auf | |
| die Relevanz von Beteiligungsformaten gepocht. | |
| Nicht nur in der Opposition, auch beim Verein „Mehr Demokratie“ schrillen | |
| angesichts der bekannten Kürzungspläne die Alarmglocken. „Das ist schwer | |
| nachvollziehbar“, sagt Bundesvorstandsmitglied Marie Jünemann der taz. | |
| „Demokratie entsteht doch vor der Haustür.“ | |
| Da beschwere man sich allerorten, dass populistische Erzählungen und | |
| Politikverdrossenheit überhand nähmen – und dann trete man | |
| [3][Partizipationsprojekten] wie den Anlaufstellen in den Berliner Bezirken | |
| bewusst gegen das Schienbein. Jünemann sagt: „Eigentlich brauchen wir nicht | |
| weniger und auch nicht genauso viel Budget wie zuvor, sondern sogar mehr.“ | |
| 12 Sep 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Rainer Rutz | |
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