# taz.de -- Keine Ölförderung in Amazonasregion: Eine Zäsur nicht nur für E… | |
> Das Ende der Ölförderung im Amazonasgebiet könnte den | |
> lateinamerikanischen Staat komplett umkrempeln. Nun braucht das Land ein | |
> neues Geschäftsmodell. | |
Bild: Der Protest der Waorani in Ecuador hat sich gelohnt | |
Das Referendum in Ecuador ändert alles, selbst die Zeitungslandschaft: | |
„Nachhaltige Landwirtschaft in der Amazonasregion ist ein Teil der Lösung“ | |
schrieb Ecuadors El Comercio wenige Tage nach dem sensationellen Sí im | |
Yasuní-Referendum. Durchaus ungewöhnlich für das sonst konservative Blatt, | |
das in Ecuadors Hauptstadt Quito [1][Leitmedium] ist. | |
Am Sonntag hatten nach Auszählung fast aller Stimmen 59,31 Prozent der | |
WählerInnen für ein Ende der Förderung in einem der größten Ölfelder des | |
Landes gestimmt, dem Bloque 43 im Yasuní- Nationalpark – ein unerwartet | |
klarer Sieg für das größte ecuadorianische Naturschutzgebiet, in dem die | |
Waorani und tausende teils vom Aussterben bedrohte Tiere und Pflanzen | |
leben. | |
Und auch ein Sieg für die HüterInnen dieses ökologischen Schatzes. „Ich | |
denke, wir sind mit dem Ergebnis in die Diskussion über das | |
[2][Nach-Erdöl-Zeitalter in Ecuador] eingetreten“, sagt Ivonne Yánez, | |
Gründungsmitglied und Sprecherin der Umweltorganisation Acción Ecológica. | |
Das Ergebnis habe „durchaus Effekte für die Region – und vielleicht sogar | |
für den Rest der Welt“. | |
Einzigartig sei nicht nur, dass die Bevölkerung mit einer so deutlichen | |
Mehrheit dafür gestimmt habe, das Erdöl im Dschungelboden zu lassen. | |
Sondern auch, dass nun Bohrlöcher, aus denen seit sieben Jahren gefördert | |
wird, versiegelt und die Anlagen binnen 365 Arbeitstagen komplett | |
zurückgebaut werden sollen. Das hatte das Verfassungsgericht im Mai so | |
festgelegt. | |
## Weitsichtige RichterInnen | |
„Erdölquellen, aus denen gefördert wird, so stillzulegen, dass sie kein | |
Risiko für die Umwelt mehr bergen, das hat es noch nicht gegeben“, sagt | |
Yánez über die Weitsicht der RichterInnen. Die Abstimmung sei nicht nur | |
eine Zäsur für Ecuador, sondern auch ein wichtiger Denkanstoß für das | |
politische Establishment in den Nachbarländern Kolumbien, Brasilien oder | |
Peru, ihr Erdöl im Boden zu lassen. | |
Die vor 37 Jahren gegründete Acción Ecológica ist Ecuadors bekannteste | |
Umwelt-NGO. Sie tritt seit Jahren dafür ein, Öl und Gas im Boden zu lassen | |
– für Klima- und Umweltschutz. „Keep it in the ground“ – „Lasst es im | |
Boden“ – war schon die Parole, als die Regierung unter dem damaligen | |
Präsidenten Rafael Correa 2007 den Vereinten Nationen anbot, auf die | |
Förderung im Bloque 43 zugunsten von Umwelt, Klima und der indigenen | |
Bevölkerung zu verzichten. | |
Im Gegenzug sollte damals die internationale Gemeinschaft Ecuador für die | |
Hälfte der entgangenen Einnahmen entschädigen. Trotz Solidarität in der | |
ganzen Welt fand sich jedoch keine Mehrheit dafür. Im Jahr 2013 verkündete | |
Correa schließlich, die Förderung im Dschungel freizugeben. Der Kampf um | |
das Yasuní-Öl begann erneut. In Ecuador brachte er der Acción Ecológica | |
massive Angriffe der Regierung ein, die jahrzehntelang der Ausbeutungslogik | |
von Fauna und Flora gefolgt war. | |
## Junge Menschen mit großem Einfluss | |
Das wurde nun mit dem Votum der Bevölkerung beendet. „Vor allem die jüngere | |
Generation hat sich gegen die tradierte Rohstoffexportpolitik gestellt“, | |
sagt Mario Melo, Dekan der juristischen Fakultät der Päpstlichen | |
katholischen Universität in Quito, – und das gleich doppelt. | |
Denn neben dem Yasuní-Referendum stimmen die BewohnerInnen im Großraum | |
Quito auch gegen die Förderung von Kupfer- und anderen Mineralienvorkommen | |
im Chocó Andino ab, einem weiteren von der UN-Kulturorganisation Unesco zum | |
Biosphärenreservat erklärten Schutzgebiet. In den vergangenen Jahren hatte | |
es bereits weitere Abstimmungen auf lokaler Ebene gegeben. In Cuenca, einer | |
Kolonialstadt im Süden Ecuadors, stimmte die Bevölkerung 2021 gegen ein | |
Bergbauvorhaben – und damit gegen die drohende Kontaminierung des | |
Trinkwassers. | |
Weitere Referenden könnten nun folgen, meint Melo, 57, der indigene | |
Gemeinden wiederholt in Musterprozessen vertreten hat: „Wir vertrauen einem | |
ökonomischen Modell, das uns nicht weiterbringt. Die Erdölförderregionen | |
gehören zu den ärmsten des Landes, der Reichtum verpufft aber und trägt | |
nicht zu regionalen Entwicklung bei“, sagt er. Dieses Kernproblem des | |
Landes teile Ecuador mit anderen rohstoffreichen Staaten – genauso wie die | |
omnipräsente Korruption. | |
## Probleme mit Korruption | |
Bestechung und Kumpanei – Themen, die den Sonntag in Ecuador mitbestimmten, | |
an dem auch der neue Präsident gewählt wurde. Schließlich war mit Fernando | |
Villavicencio ein Kandidat von einem Killerkommando ermordet worden, der | |
die Korruption im Erdölsektor angeprangert und etliche Anzeigen gegen | |
Politiker wie Ex-Präsident Correa eingereicht hatte – die letzte einen Tag | |
vor seiner Ermordung. | |
Zwar deutet vieles darauf hin, dass die Mörder von einem Drogenkartell | |
beauftragt wurden. Doch für die korrupte politische Elite des Landes war | |
der investigative Journalist ein Unbequemer. Allein bei seiner letzten | |
Anzeige ging es um neun Milliarden US-Dollar, um die die Staatskasse durch | |
Politiker aus dem Umfeld Correas erleichtert worden sein soll – durch die | |
Neuvergabe von Förderverträgen im Erdölsektor, natürlich mit negativen | |
Konditionen für den Staat. | |
Gemeinsam mit Acción Ecológica hatte das Umweltkollektiv YASunidos die | |
Referenden mit initiiert. Die Bevölkerung sei die Korruption, die auch den | |
Drogenkartellen in die Hände spielt, einfach leid, sagt YASunidos-Sprecher | |
Pedro Bermeo. Die politisch-ökonomische Elite bringe ja „keinen US-Cent in | |
die Steuerkasse“, sagt Bermeo, der Anwalt und Klimaaktivist ist. | |
Das belegt eine Studie der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und | |
die Karibik (Cepal). Danach sind allein im Jahr 2021 sieben Milliarden | |
US-Dollar der ecuadorianischen Staatskasse durch Korruption vorenthalten | |
worden – ohne dass lokale Institutionen aktiv wurden. „Einer der Profiteure | |
dieser Realität heißt Daniel Noboa“, sagt Ivonne Yánez von Acción | |
Ecológica. Der zweitplatzierte und als liberal geltende Sohn eines | |
Bananenmilliardärs wird am 15. Oktober bei der Stichwahl gegen Luisa | |
González von der linksgerichteten Bürgerrevolution antreten. | |
Ecuador braucht ein neues Geschäftsmodell mit weniger Korruption und | |
weniger Öl, denn die Quellen des relativ kleinen Landes sprudeln immer | |
weniger kräftig. In den nächsten fünf bis sieben Jahren wird Ecuador laut | |
Studien nur noch ausreichend Erdöl für die eigene Versorgung haben – | |
Alternativen müssen her. Die Politik präferiert den Bergbau, unzählige | |
Konzessionen sind vergeben. Aber die EcuadorianerInnen sind kritisch, | |
wie die Referenden belegen. Eine andere Einnahmequelle könnte nachhaltiger | |
Tourismus sein – im Regenwald und anderen Regionen. Konzepte gibt es, unter | |
anderem von den indigenen Gemeinden, staatliche Förderung allerdings nicht. | |
Typisch für Ecuador. Hier fordern nun immer mehr Menschen ein Umdenken ein. | |
Das Instrument der Volksabstimmung ist zum Glück gleich in mehreren | |
Versionen in der Verfassung verankert. Das sorgt dafür, dass das Land | |
Modellcharakter entwickeln könnte. Nicht nur für die Region, sondern auch | |
für den Rest der Welt. | |
25 Aug 2023 | |
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Knut Henkel | |
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