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# taz.de -- Referendum in Ecuador: Ölförderung im Amazonas abgewählt
> Die Mehrheit der Menschen in Ecuador stimmt für den Schutz des
> Yasuní-Nationalparks. Es ist ein wegweisendes Votum – nicht nur für die
> Indigenen.
Bild: Der Regenwald gehört der Natur: Indigene Demonstration gegen Ölförderu…
Hamburg taz | Bis zum Wahltag war Pedro Bermeo mit den Aktivist:innen
der YASunidos in ganz Ecuador unterwegs, um für ein Sí zu werben. Ein Ja
zum Schutz des Yasuní-Nationalparks und zum Ende der Erdölförderung in
einem der artenreichsten Biosphärenreservate der Welt.
Der Ausgang des Referendums, sagte der Jurist und Umweltaktivist wenige
Tage vor der Abstimmung am Sonntag, habe Signalcharakter – für sein Land,
aber auch darüber hinaus. „Es könnte mehr Referenden zur Folge haben, unser
Land basisdemokratischer machen und das könnte Modellcharakter für andere
Länder haben“, so Bermeos Prognose.
Diesem Traum ist der 31-Jährige, schlaksig, Vollbart und zurückgebundener
Haarschopf, nun einen großen Schritt näher gekommen. Denn nach Auszählung
von rund 93 Prozent der Stimmen (Stand: Montagnachmittag) ist klar:
[1][Eine Mehrheit der Menschen in Ecuador, um die 60 Prozent, hat für die
Natur gestimmt] – das Nein-Lager, das für eine Fortführung der
Erdölforderung warb, hat verloren.
[2][Es ist ein wegweisendes Referendum]. Mehr als zehn Jahre lang war es
mit allerlei politischen Tricks verschleppt worden. Schließlich war es das
ecuadorianische Verfassungsgericht, das im Mai grünes Licht für die
Volksabstimmung gab. Die Richter:innen legten zudem fest, dass ein Ja
zum Schutz des Regenwaldes unmittelbar umgesetzt werden muss. Heißt: Binnen
365 Arbeitstagen müssen alle Förderanlagen im betreffenden Bloque 43, auch
ITT genannt, zurückgebaut und die Bohrlöcher versiegelt werden.
## Für den Schutz der Artenvielfalt und soziale Entwicklung
„Das ist technisch kein Problem, es kann zu Verzögerungen kommen, aber die
Regierung und der staatliche Förderkonzern Petroecuador sind dazu
verpflichtet“, [3][sagt Alberto Acosta], Ökonom, ehemaliger Bergbau- und
Energieminister und einer der Väter der Yasuní-ITT-Initiative aus dem Jahr
2007.
Die Idee von letzterer war, CO2-Emissionen durch die Nichtausbeutung
fossiler Brennstoffe zu reduzieren und dadurch den Schutz der Artenvielfalt
und die soziale Entwicklung im Yasuní-Nationalpark, der seit 1989
Biosphärenreservat der Unesco ist, zu gewährleisten. Konkret sollten die
drei bei Probebohrungen entdeckten Ölquellen – Ishpingo, Tambococha und
Tiputini – im Schutzgebiet nicht ausgebeutet werden. Zudem war das Ziel,
die beiden in freiwilliger Isolation dort lebenden indigenen Völker zu
schützen.
Dafür erklärte sich die ecuadorianische Regierung bereit, auf fünfzig
Prozent der Erlöse aus der Ausbeutung der Vorkommen von etwa 850 Millionen
Barrel Erdöl zu verzichten. Als Gegenleistung forderte die Regierung des
damals regierenden Präsidenten Rafael Correa einen Ausgleichsbetrag der
internationalen Gemeinschaft, der mindestens 50 Prozent des potenziellen
Ertrags aus dem Erdölverkauf abdecken sollte. Das entsprechende Abkommen
wurde im August 2010 auf UN-Ebene fixiert, ein Treuhandfonds eingerichtet.
## Initiative war vor dem Durchbruch, dann kam ein FDP-Mann
„Am 5. Juni 2008 hatten alle Parteien des Bundestags Bundeskanzlerin Angela
Merkel aufgefordert, die Yasuní-ITT-Initiative zu folgen, sie zu fördern“,
erinnert sich Alberto Acosta. „Das hätte auf internationaler Ebene zum
Durchbruch der Initiative führen können.“
Doch dann kam in Berlin eine neue Regierung ans Ruder: das bislang von der
SPD geführte Entwicklungshilfeministerium übernahm Dirk Niebel von der FDP.
Die in Aussicht und angeblich bereits zurückgestellte Summe von 200
Millionen US-Dollar wurde eingefroren, der Initiative vom Minister eine
Absage erteilt. „Das war der Dolchstoß“, sagt Acosta heute. Auch von Correa
sei sie nur halbherzig unterstützt worden: „Er hatte keine langfristige
Strategie, wollte aus der Logik der Ressourcenförderung nicht raus.“
Das könnte nun anders werden. Das Yasuní-Referendum und das parallel im
Großraum Quito durchgeführte Referendum zum Schutz des Chocó Andino (ein
weiteres von der Unesco erklärtes Schutzgebiet) seien nicht nur ein Votum
für den Umweltschutz, sondern auch eines für ein anderes Wirtschaftsmodell:
„Beide Referenden sind eine Absage an die traditionelle
Rohstoff-Exportpolitik. Daher müssen wir in eine Debatte über die
ökonomische Zukunft unseres Landes eintreten – es geht um nachhaltige
Zukunftskonzepte“, so Acosta in der Nacht zu Montag bei der Auszählung der
Stimmen in der Zentrale des Nationalen Wahlrats (CNE).
## „Ich kämpfe für mein Haus“
Erstmals wird eine Regierung von der Bevölkerung verpflichtet, Erdöl im
Boden zu belassen. Das könnte in der Region durchaus Schule machen, auch
wenn nicht alle Länder eine derart progressive Verfassung haben wie die
ecuadorianische.
Zudem ist der Ausgang des Referendums, für das die Dachorganisation
indigener Völker Ecuadors (Conaie) explizit warb, auch ein Wink an die
Nachbarn und den jüngst ergebnislos ausgegangenen Amazonas-Gipfel in
Brasilien. An der hatte auch die indigene Aktivistin Alicia Cahuiya
teilgenommen, die im Gebiet des Yasuní-Nationalparks geboren wurde und in
der Waorani-Gemeinde Ñoneno lebt.
Enttäuscht war sie aus Brasilien zurückgekehrt und hatte danach wieder an
Veranstaltungen der YASunidos zum Referendum teilgenommen. Für sie eine
Notwendigkeit: „Ich kämpfe für mein Haus, denn es ist in Gefahr,
ausgelöscht zu werden, mit dieser einzigartigen Tierwelt, die dazu gehört.
Ich habe mit 16 Jahren als Aktivistin angefangen. Es gibt keine
Alternative“, erklärte sie im Anschluss an ihre Rückkehr aus Brasilien der
taz.
Nun kann sie gemeinsam mit den YASunidos und Pedro Barmeo feiern. Der
Aktivist gehört zu den regelmäßigen Besuchern ihrer vom Regenwald und ein
wenig Tourismus lebenden Gemeinde. Diese hat nun allen Grund zu hoffen,
dass sie im Yasuní-Nationalpark weiterleben kann – geschützt, und zwar vom
Volk legitimiert.
21 Aug 2023
## LINKS
[1] https://elecciones2023.cne.gob.ec/Consultas/yasuni#
[2] /Wahlen-in-Ecuador/!5950371
[3] /Oekonom-ueber-Umweltreferendum-in-Ecuador/!5950688
## AUTOREN
Knut Henkel
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