| # taz.de -- Pressefreiheit in Ecuador: Mediale Einfalt | |
| > In Ecuador wurde die Medienkontrollbehörde abgeschafft. Kritische | |
| > Berichterstattung gibt es kaum, außer von kleinen lokalen Radiosendern. | |
| Bild: Lenín Moreno ist seit 2017 Präsident von Ecuador. Er will mehr Dialog s… | |
| Cuenca taz | Das in Blau und Weiß gehaltene Schild mit dem Schriftzug | |
| „Radio Católica“ steht neben der offenen Eingangstür des Regionalradios d… | |
| Stadt Cuenca. In einem ehemaligen Kloster im Süden Ecuadors ist die | |
| Redaktion des kirchliche Senders untergebracht. Mehrere Frauen | |
| verabschieden sich gerade von Redaktionsleiter Mario Calle. „Das waren | |
| Mitglieder einer Frauenorganisation, die gerade im Studio waren. | |
| Wir lassen hier soziale Organisationen zu Wort kommen, berichten über | |
| Konflikte aus unterschiedlichen Perspektiven“, sagt der 47-jährige Direktor | |
| des Kanals wenig später. Das ist nicht unbedingt Usus [1][in Ecuador]. | |
| „Das Gros der Medien aus Cuenca und der Provinz Azuay hat keine lokale | |
| Korrespondenten. Sie berichten aus der Stadt, nicht von vor Ort“, so Calle. | |
| Er ist regelmäßig in den Gemeinden der Provinz Azuay unterwegs, führt | |
| Interviews, lädt lokale Umweltorganisationen, aber auch Politiker und | |
| Mitarbeiter der Behörden in die Redaktion ein, um über Themen wie das | |
| umstrittene Goldförderprojekt oder die Situation der Migranten aus | |
| Venezuela zu berichten. Letztere bieten im Morgengrauen am zentralen Platz | |
| von Cuenca ihre Arbeitskraft als Tagelöhner an, viele betteln in der | |
| Straßen der Touristenstadt um Almosen. | |
| Themen, die in den Regionalzeitungen und den kommerziellen Radiosendern der | |
| Stadt zwar durchaus vorkommen. „Aber oft nur aus einer Perspektive“, sagt | |
| Mauro Cerbino, Medienwissenschaftler aus Quito. Nämlich aus der Perspektive | |
| der Regierung, denn die ist in Ecuador der größte Anzeigenkunde. „Kritische | |
| Medien werden in aller Regel nicht mit Anzeigen bedacht, weshalb viele | |
| Zeitungen und Sender sich an die offiziellen Verlautbarungen anlehnen“, | |
| meint Cerbino. | |
| ## Ende der Kontrollbehörde | |
| Ein Phänomen, welches in Lateinamerika weit verbreitet ist und welches sich | |
| in Ecuador 2013 mit der Verabschiedung des neuen Mediengesetzes ändern | |
| sollte. „Kerngedanke war Sendefrequenzen und deren Vergabe zu | |
| demokratisieren. Mehr kommunale Radios, mehr Vielfalt im Mediensektor und | |
| mehr Qualität in der Berichterstattung wollte man erreichen“, so Cerbino. | |
| Dafür wurde die Superintendencia de la Información y Comunicación | |
| eingerichtet, kurz Supercom. Die Medienkontrollbehörde hatte die Aufgabe, | |
| über die Einhaltung von Standards der Berichterstattung zu wachen und den | |
| Zugang der Bevölkerung zu den Medien zu erleichtern. „Das Dilemma ist | |
| jedoch, dass die Supercom diese Kernidee des Gesetzes nicht vorantrieb, | |
| sondern in den redaktionellen Alltag eingriff. Sie hat Redaktionen über | |
| Bußgelder gezwungen Themen aufzugreifen – das wurde als Zensur im Dienst | |
| der Regierung wahrgenommen“, so Cerbino. | |
| Das hat sich mit dem [2][Regierungswechsel von Rafael Correa zu Lenín | |
| Moreno im Mai 2017 geändert]. Die neue Regierung steht für mehr Dialog, | |
| weniger Kontrolle im Mediensektor. Sie hat die Supercom entmachtet, bevor | |
| im Februar 2019 ein Gesetz zur ihrer Auflösung das Parlament passierte. | |
| Seit dem 31. Juli 2019 ist sie nun Geschichte – da wurden letzte | |
| Pappkartons aus den Büros im Zentrum Quitos abtransportiert. | |
| Ein Schritt, der im Mediensektor des Landes vielerorts begrüßt wurde. Auch | |
| von Mario Calle. „Die Supercom schwebte wie ein Damoklesschwert über den | |
| Redaktionen. Kritische Kommentare über die Regierungspolitik konnten | |
| Geldstrafen nach sich ziehen. Wir würden zu einer ausgewogenen | |
| Berichterstattung verpflichtet“, sagt Calle. Das habe jedoch eher zur | |
| Selbstzensur in den Redaktionen geführt, meint der Radioredakteur, der | |
| mehrfach Probleme mit der Aufsichtsbehörde hatte. | |
| ## Langeweile, Langeweile | |
| Das hat sich geändert. „Heute herrscht mehr Meinungsfreiheit in den | |
| Redaktionen, aber uns fehlen Redaktionen, die unabhängig und auch | |
| investigativ arbeiten“, meint Calle. Eine Einschätzung, die auch Cerbino | |
| teilt: „Wir haben es verpasst, durch die Neuverteilung der Sendefrequenzen | |
| gesellschaftlichen Minderheiten und marginalisierten gesellschaftlichen | |
| Akteuren eine Stimme zu verleihen.“ | |
| Das habe dazu beigetragen, dass Ecuadors Mediensektor heute vollkommen | |
| langweilig sei. „Die großen Medienhäuser, ob El Comercio oder El Universo | |
| im Printbereich oder die TV-Kanäle Ecuavisa und Teleamazonas, lehnen | |
| sich an die Regierung an, statt sie kritisch zu begleiten.“ Einzige | |
| Ausnahme seien einige engagierte Kommunalradios, schreibt Cerbino in | |
| seinem jüngsten Buch und nennt dabei auch den katholischen Sender aus | |
| Cuenca. | |
| 24 Aug 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Knut Henkel | |
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