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# taz.de -- Kontaminiertes Wasser in Fukushima: Japan beginnt mit der Verklappu…
> Für die geplante Einleitung von kontaminiertem Wasser in den Pazifik
> hagelt es nationale wie internationale Kritik. Doch Tokio ignoriert sie.
Bild: Durch diese blauen Rohre soll das kontaminierte Wasser aus Fukushima in d…
Tokio taz | Ungeachtet großer Bedenken im In- und Ausland hat die
japanische Regierung beschlossen, mit der Einleitung des gelagerten Kühl-
und Grundwassers im [1][AKW Fukushima] in den Pazifik zu beginnen. Der
AKW-Betreiber Tepco startet die Verklappung am Donnerstag, falls das Wetter
es erlaubt. Die Angelegenheit „kann nicht aufgeschoben werden“, erklärte
Premierminister Fumio Kishida nach dem Beschluss.
Es geht um 1,34 Millionen Tonnen aufbereitetes Kühl- und Grundwasser, die
Menge entspricht 530 Olympia-Schwimmbecken. Mit dem Wasser wurden die
geschmolzenen Brennstoffe in den drei zerstörten Reaktoren gekühlt, es
vermischte sich auch mit eingesickertem Grundwasser.
Tepco und die Regierung begründeten ihre Entscheidung damit, dass
spätestens im nächsten Jahr in dem Kraftwerk kein Platz für neue
Speichertanks mehr ist. Nun sollen täglich 500 Tonnen des gefilterten und
verdünnten Wassers ins Meer fließen. Da ständig neues Kühl- und Grundwasser
radioaktiv kontaminiert wird, dürfte die Verklappung bis zu 30 Jahre
dauern.
Eine Anlage filtert 62 Radionuklide außer Tritium aus dem kontaminierten
Wasser heraus. Auch andere AKWs würden im Regelbetrieb ständig
tritiumhaltiges Wasser ins Meer leiten, argumentiert die Regierung. In
Fukushima wird es noch um das 100-Fache mit Meerwasser verdünnt, um die
Tritium-Konzentration auf unter 1.500 Becquerel je Liter zu drücken. Das
entspricht einem Siebtel des Höchstwertes, den die
Weltgesundheitsorganisation für Trinkwasser festgelegt hat.
## Vorhaben stieß bis zuletzt auf Widerstand
Das Wasser fließt dann über ein Rohr auf dem Meeresgrund in den Pazifik.
Die Öffnung liegt in zwölf Meter Tiefe. Bei Erdbeben und Tsunamis oder
Stromausfällen stoppen Notfallventile die Einleitung. Die Fischereibehörde
will einen Monat lang Meeresfrüchte in einem 10-Kilometer-Radius um die
Atomruine auf Tritium testen und die Ergebnisse innerhalb von zwei Tagen
veröffentlichen.
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hatte im Juli erklärt, Japans
Konzept und Maßnahmen stünden im Einklang mit den internationalen
Sicherheitsstandards. Die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt seien
„vernachlässigbar“, schrieb die IAEA in ihrem Bericht. Dennoch stieß das
Vorhaben bis zuletzt auf starken Widerstand, denn seit der Atomkatastrophe
im März 2011 existiert ein großes Misstrauen gegenüber Tepco und die
Atombehörden. Laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur Kyodo meinten 82
Prozent der befragten Japaner, die offiziellen Erklärungen zur Einleitung
seien „ungenügend“.
Vor dem Premierministeramt in Tokio demonstrierten am Dienstag rund 200
[2][Anti-Atom-Aktivisten]. „Die Entscheidung wurde einfach durchgedrückt,
obwohl es so viel Widerstand gab“, sagte eine Teilnehmerin. Greenpeace warf
Japan eine „falsche Lösung“ des Problems vor. Das Filterverfahren sei
fehlerhaft, es handele sich um eine „vorsätzliche radioaktive Verschmutzung
des Meeres“, erklärte die Umweltorganisation.
Die Fischer der Region lehnten die Einleitung bis zuletzt ab. Sie fürchten
einen Rufschaden für ihren Fang. Bei einem persönlichen Treffen mit Kishida
am Montag erklärte der Vorsitzende der Nationalen Fischerverbände, Masanobu
Sakamoto: „Es gibt ein wachsendes Verständnis für die wissenschaftliche
Sicherheit, aber es geht um die Existenz der Fischer.“
## China ist der schärfste Kritiker der Aktion
Die vorige Regierung hatte ihnen versprochen, nur nach ihrer Zustimmung zu
handeln. Nun beteuerte Kishida gegenüber Sakamoto, dass der Staat bis zum
Schluss die „volle Verantwortung übernimmt“. Rund 500 Millionen Euro stehen
an Wirtschafts- und Finanzhilfen für die Fischer sowie die Region Fukushima
bereit.
China, der schärfste Kritiker der Aktion, verlangte von Japan, „seine
falsche Entscheidung zu korrigieren“. Das Wasser müsse unter strenger
internationaler Aufsicht entsorgt werden, so ein Sprecher des
Außenministeriums in Peking. Die Parteizeitung People’s Daily spricht stets
von „nuklearem Abwasser“. China und Russland hatten im Juli Japan
vorgeschlagen, das Wasser zu verdampfen. Diese Methode hätte geringere
Auswirkungen auf die Nachbarländer. Japan hat diesen Vorschlag aber als
„inakzeptabel“ zurückgewiesen.
Kishida geht ein Risiko ein. Einer Umfrage zufolge ist über die Hälfte der
befragten Japaner unzufrieden mit ihm. Jedoch wählte er den Zeitpunkt der
Einleitung danach aus, die Wähler möglichst wenig zu reizen. Viele genießen
ihren Sommerurlaub. Das Parlament tagt nicht, die Opposition kann kein
Kapital aus dem Beschluss schlagen. Die Teilnahme an internationalen
Konferenzen im September soll Kishida dann frischen Glanz verleihen, damit
seine Partei bei den Regionalwahlen in [3][Fukushima] im November doch noch
gut abschneidet.
22 Aug 2023
## LINKS
[1] /Bericht-der-Atomenergiebehoerde-IAEA/!5941891
[2] /Geschichte-der-Anti-AKW-Bewegung/!5924964
[3] /Japans-Atomkraft-Renaissance/!5918636
## AUTOREN
Martin Fritz
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