# taz.de -- Expert:innen über Klimaschutz: Deutschland wird Klimaziele reißen | |
> Die Ampelregierung wird die CO2-Emissionen wohl nicht in dem Maße senken, | |
> wie es gesetzlich vorgeschrieben ist. Das zeigen gleich mehrere Berichte. | |
Bild: Idyllische Lage, aber klimaschädlich: Braunkohlekraftwerk Jänschwalde i… | |
BERLIN taz | Deutschland wird seine Klimaziele aller Voraussicht nach nicht | |
schaffen – wenn die Bundesregierung nicht nennenswert nachsteuert. Das | |
haben am Dienstag gleich zwei Berichte von Expert:innen unabhängig | |
voneinander attestiert. | |
Die deutschen CO2-Emissionen werden bis 2030 mit den aktuell beschlossenen | |
Maßnahmen nicht so schnell sinken wie gesetzlich vorgeschrieben, | |
prognostiziert etwa der Expertenrat für Klimafragen. Diese von der | |
Bundesregierung zur Beratung einberufenen Wissenschaftler:innen | |
überprüfen regelmäßig die Klimapläne der Politik auf ihre Tauglichkeit. | |
Diese Rolle ist sogar im Klimaschutzgesetz offiziell geregelt. | |
„Bei etlichen Maßnahmen sehen wir die Realisierungswahrscheinlichkeit und | |
die Abweichung zwischen der Realität und den Annahmen der Bundesregierung | |
in den Unterlagen kritisch“, sagte Hans-Martin Henning, der Chef des | |
Expertenrats, am Dienstag. „Die erwartete Gesamtminderung wird daher | |
vermutlich überschätzt.“ Im Klartext: Es reicht nicht, was die | |
Bundesregierung beim Klimaschutz liefert – und sie sieht es nicht mal | |
wirklich ein. | |
[1][Analysiert haben die Expert:innen das Klimaschutzprogramm], das | |
Bundesklimaminister Robert Habeck (Grüne) [2][Mitte Juni vorgestellt hat]. | |
Es enthält Pläne der gesamten Bundesregierung. Damit gibt es einen | |
Vorgeschmack darauf, wie die Ampelparteien nach ihrer [3][umstrittenen | |
Reform des Klimaschutzgesetzes] arbeiten wollen. | |
## Problemfelder Verkehr und Gebäude | |
Dann soll nicht mehr jede:r Minister:in für den Klimaschutz im | |
thematisch passenden Bereich verantwortlich sein – sondern die | |
Bundesregierung gemeinsam die Verantwortung für alles tragen. | |
Klimaschützer:innen kritisieren das. Sie befürchten, dass es so für | |
die Politiker:innen einfacher ist, eigene klimapolitische Verfehlungen | |
zu kaschieren. | |
Dass das Klimaschutzprogramm insgesamt nicht ausreicht, um die Emissionen | |
auf das für 2030 gesetzlich vorgeschriebene Niveau zu drücken, hatte auch | |
Habeck schon eingeräumt. Eigentlich sollen sie dann um 65 Prozent unter dem | |
Niveau von 1990 liegen. Dem Minister zufolge würden immer noch rund 220 | |
Millionen Tonnen CO2 zu viel in die Atmosphäre gelangen. Zum Vergleich: Das | |
entspricht fast einem Drittel von dem, was Deutschland im vergangenen Jahr | |
insgesamt emittiert hat. | |
Der Expertenrat kommt nun aber zu dem Schluss: Wahrscheinlich ist es sogar | |
noch mehr. Ganz abschließend könne er das nicht klären, weil die | |
Bundesregierung nur „eine umfängliche, insgesamt aber unzureichende | |
Datengrundlage“ zur Verfügung gestellt habe. | |
Deutliche Fortschritte bringt das Klimaschutzprogramm den Expert:innen | |
zufolge in den Bereichen Energie und Industrie. Beim Gebäudesektor hängt es | |
laut dem Bericht stark von der finalen Ausgestaltung des Gesetzes für den | |
ökologischen Heizungstausch ab, das die Bundesregierung gegenüber ihrem | |
Erstentwurf verwässern will. | |
Besonders große Sorgen macht den Expert:innen der Verkehrssektor, in dem | |
die Bundesregierung mit zu optimistischen Annahmen arbeite, was zum | |
Beispiel die Umsetzungsgeschwindigkeit oder die Finanzierung der Maßnahmen | |
angehe. | |
„Wir sehen Handlungsbedarf für die Bundesregierung sowohl hinsichtlich der | |
Verbesserung der Datengrundlage der Klimapolitik, bezüglich des Schließens | |
der verbleibenden Ziellücke als auch bei der Entwicklung eines | |
Gesamtkonzepts“, sagte die Klimaforscherin Brigitte Knopf, die Teil des | |
Rats ist. | |
## Auch Klimaneutralität 2045 in Gefahr | |
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt der ebenfalls am Dienstag vom | |
Umweltbundesamt veröffentlichte [4][Projektionsbericht 2023]. Je nach | |
Szenario wird Deutschland im Zeitraum von jetzt bis 2030 zwischen 194 und | |
331 Millionen Tonnen CO2 zu viel ausstoßen. | |
„Der Projektionsbericht zeigt deutlich, dass es zusätzliche Maßnahmen | |
braucht, um die gesteckten Klimaziele noch erreichen zu können“, sagte | |
Behördenchef Dirk Messner. Auch das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 | |
wird laut Umweltbundesamt „unter den gegebenen Umständen nicht erreicht“. | |
Klimaschützer:innen sind entsprechend kritisch. „Die Klimapolitik der | |
Bundesregierung verstößt gegen Recht und Gesetz“, sagte Christoph Bals, | |
Chef der Organisation Germanwatch. „Der Bundeskanzler muss dafür sorgen, | |
dass der fortgesetzte Rechtsbruch beim Klimaschutz durch die gesamte | |
Regierung endlich endet und alle Ministerinnen und Minister das Nötige tun, | |
um die Klimazielerreichung sicherzustellen.“ | |
Carla Rochel von der Letzten Generation kündigte an, die Gruppe werde ihre | |
Proteste „weiter fortsetzen und intensivieren“. | |
22 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://expertenrat-klima.de/content/uploads/2023/08/ERK2023_Stellungnahme-… | |
[2] /Plaene-zur-Emissionsminderung/!5941043 | |
[3] /Beschluss-des-Kabinetts/!5939063 | |
[4] https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/projektionsbericht-2023-fuer-d… | |
## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Ampel-Koalition | |
CO2-Emissionen | |
GNS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Extremwetter | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Apokalypse der Woche | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Ampel-Koalition | |
Autoverkehr | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Abschwächung des Klimaschutzgesetzes: Veto zu Klima-Reform gefordert | |
Bundespräsident Steinmeier soll die umstrittenen Pläne der Ampelregierung | |
stoppen. Das fordern Klimaschützer:innen in einem offenen Brief. | |
Emissionen des Militärs: Aufrüstung treibt Klimakrise an | |
Erstmals zeigt eine Studie, was das 2-Prozent-Ziel der Nato-Staaten | |
ökologisch bedeutet. Das passt nicht zu den Klimazielen, mahnen | |
Aktivist:innen. | |
Extremwetter in Griechenland: Biblische Katastrophe | |
Hitzewellen, Waldbrände, Überschwemmungen. Die Debatte über den Klimawandel | |
ist verhalten, aber Athen setzt auf erneuerbare Energien. | |
Geld für Klimaschutz: Deutschland steigert Klimahilfen | |
6,3 Milliarden Euro sind 2022 laut Entwicklungsministerium in den Globalen | |
Süden geflossen. Damit wäre ein internationales Versprechen eingehalten. | |
Unwetter in Garmisch-Partenkirchen: 8 Zentimeter große Hagelbrocken | |
Fast alle Gebäude eines südbayrischen Orts sind kaputt. Der weltgrößte | |
Rückversicherer warnt vor der Klimakrise. | |
Auswirkungen der Klimakrise: Kühe geraten in Hitzestress | |
Kühe sind in Gebieten, die von Ernährungskrisen getroffen sind, | |
überlebenswichtig. Doch die Erderhitzung gefährdet die Gesundheit der | |
Tiere. | |
Verbände für Klima-Kurskorrektur: „Totalausfall“ Wissing | |
Vierzig Verbände unterzeichnen Aufruf an die Bundesregierung für eine | |
bessere Klimapolitik. Vor allem der Verkehrsminister steht in der Kritik. | |
Beschluss des Kabinetts: Klimagesetz für Klimaverschmutzer | |
Der lang angekündigte Abschied von den konkreten Klimazielen für jeden | |
Wirtschaftssektor steht an. Jetzt muss aber noch der Bundestag mitmachen. | |
Pläne zur Emissionsminderung: Trotzdem zu viel CO2 | |
Wirtschaftsminister Habeck hat eine Reform des Klimaschutzgesetzes und ein | |
Programm vorgelegt. Problem bleibt das Verkehrswesen. | |
Expertenrat kritisiert Ampel: Staugefahr beim Klimaziel | |
Deutschlands Klima-Expert:innen stellen der Bundesregierung ein schlechtes | |
Zeugnis aus: Zu viele Autos auf den Straßen und zu viele fossile Heizungen. |