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# taz.de -- Hype um Super Recognizer: Die Menschen mit dem Superblick
> Großes erwarten Polizei, Politik und Medien von „Super Recognizern“,
> die besonders gut Gesichter wiedererkennen. Begründet ist das nur zum
> Teil.
Ein diffuses Unwohlsein beschleicht die sächsische Landtagsabgeordnete
Juliane Nagel, wenn sie über sogenannte [1][„Super Recognizer“ bei der
Polizei] liest. Das sind Menschen, die ein besonderes Gespür für Gesichter
haben: Sie können sich sehr lange an sie erinnern, auch nach flüchtigem
Kontakt. Oder wissen sofort, ob es sich um ein- und dieselbe Person
handelt, von der sie vielleicht nur ein unscharfes Foto gesehen haben, und
die sich stark verändert hat.
Super Recognizer hatten in den vergangenen Monaten Hochkonjunktur, unter
anderem wegen eines [2][Fernseh-„Tatort“ im April], in dem eine Super
Recognizerin einen Mörder finden sollte. Zudem haben mehrere Bundesländer
angekündigt, verstärkt auf dieses Fahndungstool setzen zu wollen, darunter
Sachsen.
Wie das funktioniert, bleibt in den Medienberichten oft nebulös. Manchmal
klingt es, als hätten sich die Journalist:innen [3][in eine Comic-Welt
verirrt]: Da ist die Rede von Menschen mit [4][„übernatürlichen
Fähigkeiten“], die „Verbrecherjagd per Superkraft“ betreiben – weil sie
„Augen haben, die nicht vergessen“.
Angesichts solcher Schlagzeilen ist es nicht verwunderlich, dass die
Linken-Abgeordnete Nagel Sachsens CDU-Landesregierung auffordert,
aufzuklären über den Einsatz dieser „menschlichen ‚Speichermedien‘“, …
sie es nennt. Verwunderlich ist eher, dass sie damit die einzige
Parlamentarierin ist: Es gibt zwar eine Handvoll Anfragen, aber die zielen
darauf, wann überall Super Recognizer eingesetzt werden.
## Innenminister verweigert Auskunft
Dabei ist es dringend geboten, genauer hinzuschauen. Allerdings geht es
dabei weniger um Bedenken, wie Juliane Nagel sie hegt: dass sich die Super
Recognizer „präventiv“ jede Person merken könnten, die ihnen auf Demos
begegnet. Die Sorge ist unbegründet. Selbst wenn sie das könnten, hätte das
alleine keine Folgen. Das hätte ihr auch Innenminister Armin Schuster im
Juni auf ihre Anfrage im Landtag erklären können. [5][Aber er verweigerte
die Auskunft.]
Problematisch ist vielmehr: Mit Ausnahme von Berlin und Rheinland-Pfalz
haben fünf von sieben Innenministerien sowie die Bundespolizei keine
Ahnung, ob ihre Super Recognizer für die ihnen zugedachten Aufgaben
geeignet sind – und was das Verfahren taugt, mit dem sie gesucht werden.
Das zeigen Antworten auf Fragen der wochentaz, die alle Bundesländer sowie
die Bundespolizei angeschrieben hat.
Zunächst zu dem, was die Behörden wissen: Abgesehen von Nordrhein-Westfalen
können sie sagen, wie viele Super Recognizer sie beschäftigen. Das reicht
von drei in Berlin bis zu 400 in Baden-Württemberg. Bei der Bundespolizei
sind es 113. In Hessen hatten landesweit 3.104 Polizeibedienstete eine
computergestützte Testreihe absolviert, 237 Kandidat:innen bestanden
alle Stufen.
In Bayern identifizierte das Polizeipräsidium München 23 Super Recognizer
in seinen Reihen, genauso viele gibt es im sächsischen Chemnitz. Und in
Rheinland-Pfalz waren im Polizeipräsidium Koblenz sechs im Einsatz. Die
anderen Bundesländer setzen derzeit keine ein – teils mit der Begründung,
es gebe kein wissenschaftlich gesichertes Auswahlverfahren.
Die wochentaz hat mehrere Polizeipräsidien gefragt, ob sie mit einem Super
Recognizer sprechen kann. Alle sagten mit der Begründung ab, die
Betroffenen seien den Medienrummel leid. Ihre Tätigkeit ist dabei weniger
glamourös als es manche Berichte erscheinen lassen. Darin gestehen
Verdächtige ihre Taten auf der Stelle, weil sie so perplex sind, aufgespürt
worden zu sein. Dass Super Recognizer dabei helfen, Kapitalverbrechen
aufzuklären, ist die Ausnahme.
## Einsatz auf Großveranstaltungen
Oft geht es darum, Videoaufnahmen von Straftaten auszuwerten und bekannte
Personen zu identifizieren – meistens Wiederholungstäter. Oder zu
entdecken, dass es sich bei unterschiedlichen Taten um dieselbe Person
handelt. Zudem können Super Recognizer auf Großveranstaltungen nach
bekannten Gewalttätern Ausschau halten, die einen bestimmten Ort nicht
betreten dürfen oder die die Polizei im Auge behalten möchte.
Dazu muss man kein Super Recognizer sein. So sagte eine:r der drei
Polizist:innen, die nach den Attacken auf Frauen in der Kölner
Silvesternacht 2015 viele Verdächtige auf Videoaufnahmen identifiziert
hatten, über sich, er sei ein sehr erfahrener Fahnder. Sein
Wiedererkennungsvermögen war tatsächlich nur durchschnittlich ausgeprägt,
[6][wie Meike Ramon bei einem Test entdeckte].
Die Professorin für kognitive Neurowissenschaften forscht [7][im
schweizerischen Lausanne] zur Super Recognition und hat mit der Berliner
Polizei eigens ein Verfahren entwickelt, Super Recognizer auszuwählen. Auch
in Rheinland-Pfalz hat sie bei der Identifizierung geholfen.
Zurück zu den Antworten der Behörden: Danach gefragt, wie sie den Erfolg
der Super Recognizer messen, nennen einige Pressestellen Zahlen, ohne sie
ins Verhältnis zu setzen. „Im Zeitraum Mai 2021 bis März 2023 konnten die
Frankfurter Super-Recognizer in über 1.400 Fällen Personen wiedererkennen,
Taten zusammenführen und Ersuchen anderer Dienststellen erfolgreich
bearbeiten“, schreibt das hessische Innenministerium. Wie viele
Identifizierungen wären es ohne Super Recognizer gewesen? Unbekannt.
## Polizei verweist auf Anekdoten
Andere stellen Beispielhaftes heraus: Bei der Aufarbeitung von
Ausschreitungen in Stuttgart im Juni 2020 hätten Super Recognizer
„wesentlich zur Identifizierung von rund 60 Tatverdächtigen beigetragen“,
heißt es aus Baden-Württemberg. Nordrhein-Westfalen verweist auf einen
Artikel, in dem die Polizei Anekdoten erzählt: „Bei einem Fußballspiel der
Borussia identifizierte eine Super-Recognizerin nach wenigen Minuten einen
Tatverdächtigen unter 20.000 Zuschauern.“
Das bayerische Innenministerium sagt, die Erfolge seien schwer zu messen,
zumal die Identifizierung nicht zwangsläufig zur Aufklärung führe.
„Jedoch“, schreibt der Sprecher, sei „das generelle Feedback durchweg
positiv“. Überhaupt keine Daten gibt es zu Verurteilungsquoten, was
folgerichtig ist: Das Wiedererkennen alleine stellt keinen Beweis dar.
Müssen die Aussagen von Super Recognizern vor Gericht anders bewertet
werden als die ihrer Kolleg:innen? [8][Meike Ramon, die seit 17 Jahren zur
Gesichtserkennung forscht], hält das für nicht ausgeschlossen: wenn klar
sei, wie anders die Gehirne von Super Recognizern arbeiten.
Wie wenig durchdacht deren Einsatz in Deutschland ist, wie sehr sich
Verantwortliche von einem „positiven“ Grundgefühl leiten lassen, zeigen
weitere Antworten. So gibt es wissenschaftliche Belege, dass Super
Recognizer genau wie Normal-Betrachter:innen Menschen unterschiedlich gut
auseinanderhalten können, je nachdem, wie vertraut ihnen die Gesichtszüge
sind: Weiße erkennen am besten andere Weiße wieder.
## Behörden denken nicht nach
Innenministerien und Bundespolizei negieren diesen [9][„Other-Ethnicity
Effect“]. Bayerns Innenministerium behauptet gar, das Beispiel der
Metropolitan Police London beweise das Gegenteil. Dort war 2015 die
weltweit erste Super-Recognizer-Einheit eingerichtet worden – ihr
[10][Gründer selbst hatte stets öffentlich bedauert], dass seine Leute in
dieser Hinsicht eine Schwäche hätten.
Und ob sie wirklich ein Verfahren haben, die richtigen Leute zu finden:
Darüber denkt man in den Behörden offenbar nicht nach. Als „erprobt und
praktikabel“ bezeichnet eine Sprecherin aus Sachsen die Massentestung, die
an der Londoner University of Greenwich konzipiert worden ist, der
Marktführerin in diesem Bereich, im Internet leicht zu finden.
[11][Deutsche Polizeidienststellen sind ihre Hauptkunden].
Hessen, Baden-Württemberg und Bayern wollen an dieser Methode festhalten,
einzig Nordrhein-Westfalen arbeitet an einer neuen. Auch die Bundespolizei
hat sich laut einer Sprecherin wiederholt für Greenwich entschieden
„aufgrund dortiger Studienlagen und Untersuchungsmethoden“. Diese hätten
„die derzeit größtmögliche Evidenz“. Auf die Frage nach Belegen verweist
die Sprecherin auf eine online veröffentlichte Publikationsliste des
Test-Instituts – ohne sagen zu können, wo sich die Evidenz verbirgt.
Die kann es gar nicht geben: Der Psychologie-Professor Josh Davis, der die
Testreihe seit dem Jahr 2011 entwickelt hat, veröffentlicht deren
wissenschaftliche Auswertung nicht. Seine Konkurrentin Meike Ramon macht
ihm dies zum Vorwurf: „Wissenschaft bedeutet, dass Untersuchungen
wiederholbar und damit überprüfbar sind.“
## Sorge um Vertrauen in Behörden
Dabei geht es ihr nicht einfach um die Wissenschafts-Ehre: Sie fürchtet um
das Vertrauen in deutsche Behörden, wenn solche Prozesse intransparent
sind. Keine aus der Luft gegriffene Sorge, wie das Beispiel der sächsischen
Abgeordneten Juliane Nagel zeigt, der die Super Recognizer suspekt sind.
Im Gespräch erklärt Josh Davis, welche Testmethoden er bei der
Super-Recognizer-Suche verwendet. Zehn bis elf seien es, sagt er, die
meisten davon seine eigenen. Da müssen die Proband:innen anhand von
Bildmaterial erkennen, ob sie Gesichter schon einmal gesehen haben, oder ob
es sich um ein und dieselbe Person handelt.
Meike Ramon [12][kritisiert die fehlende Praxisnähe seiner Testreihe],
genauso wie [13][die britische Psychologie-Professorin Sarah Bate] von der
University of Bournemouth. Beide sagen auch, dass einige der verwendeten
Tests nicht sensitiv genug seien – sogar Gesichtsblinde könnten dabei gut
abschneiden. Beide fordern verbindliche Definitionen und Diagnosekriterien
für die Identifizierung von Super Recognizern.
Bei der Entwicklung ihres Tests für die Berliner Polizei haben Ramon und
ihr Team Interviews mit Polizist:innen in verschiedenen Abteilungen
geführt, um zu verstehen, wo Super-Recognizer hilfreich sein können.
Anschließend nutzten sie keine Bilder von gestellten Situationen wie Davis,
sondern authentisches Material: Bilder also, mit denen die Super Recognizer
später auch arbeiten würden, etwa Videoaufnahmen von Straftaten. „Wir
wollten nicht die suchen, die im Labor gut abschneiden“, so Ramon, „sondern
in der Praxis.“
## Erster empirischer Effizienz-Nachweis
Ob das funktioniert, untersucht sie jetzt begleitend zum Einsatz der drei
Super Recognizer in einem einjährigen Modellprojekt des Berliner
Landeskriminalamts. Ihr zuvor über fünf Jahre entwickelter Test „beSure“
wäre damit weltweit der erste wissenschaftlich validierte zur
Identifizierung von Super Recognizern bei der Polizei. Ende des Jahres soll
in einer Pressekonferenz eine Halbzeitbilanz gezogen werden.
Dass es sinnvoll ist, Super Recognizer bei der Polizei einzusetzen, konnte
Ramon [14][in diesem Jahr als Erste nachweisen]. Sie fand auch den ersten
empirischen Beweis dafür, dass die von ihr identifizierten
Polizist:innen für eine Effizienzsteigerung sorgen. Dabei vermutet sie,
dass Menschen in der Gesichtserkennung immer besser sein werden als
Computer, weil diese manche Aufnahmen von Gesichtern gar nicht als solche
klassifizieren können und extrem große Trainingsdatensätze brauchen.
Anders als Josh Davis würde sie aber nie fordern, jede Polizei müsse Super
Recognizer einsetzen: „Die Bedarfe einer Behörde können individuell
variieren“, sagt Ramon. Sollte aber der oder die Richtige an der richtigen
Stelle landen, könne das enorm motivieren: „Es ist toll, wenn man seine
Fähigkeiten gut nutzen kann.“
Die Wissenschaftlerin findet Super Recognizer interessant, weil diese ihr
Einblicke ermöglichen in die Arbeitsweise menschlicher Gehirne, genauer: in
deren Variabilität. Das sei Grundlagenforschung, sagt sie, die dabei helfe,
individualisierte Ansätze etwa in der Medizin voranzubringen: Also nicht
mehr alle gleich zu behandeln, ohne zu wissen, wie gut eine Therapie
jeweils wirkt.
## Test ist kostenpflichtig
Bezahlt hat die Berliner Polizei Meike Ramon als Beraterin während der
Entwicklungsphase. Ihre Tests sind kostenlos, anders als die aus England:
Was die Greenwich-Testreihe kostet, verrät nur Sachsens Innenministerium.
Demnach hat die Polizeidirektion Chemnitz 4.800 Euro gezahlt. Eigentlich
müsste er noch mehr verlangen, sagt Davis, weil er keine finanzielle
Förderung für seine Super-Recognizer-Arbeit bekommen habe.
Daher untersuche er auch nicht, wie sich die von ihm identifizierten
Deutschen entwickeln. „Ich habe das den Polizeibehörden angeboten, aber sie
wollten dafür leider kein Geld ausgeben.“ Dass er so wenig veröffentliche,
liege an zu wenig Zeit. Auf die Bedenken, seine Tests seien nicht geeignet,
die Richtigen auszuwählen, [15][entgegnete er 2020 in einem Aufsatz]: „Ich
bin pragmatisch: Kriminelle warten nicht, und Organisationen brauchen jetzt
Super Recognizer“.
Diese Überzeugung teilt Davis mit Mike „Mick“ Neville, dem Gründer der
ersten Super-Recognizer-Einheit bei der Metropolitan Police London. Sie
arbeiten seit 2011 eng zusammen. Wer sich mit der Verbindung von Davis und
Neville beschäftigt, kommt nicht umhin zu fragen, ob die deutschen
Polizeibehörden mit dem richtigen Institut kooperieren. Ganz unabhängig vom
wissenschaftlichen Wettstreit um die besten Tests.
So ist in Deutschland weitgehend unbekannt, dass die Londoner Einheit schon
2017 wieder aufgelöst wurde. Das hängt mit dem Ende von Mike Nevilles
Polizeikarriere zusammen: Im Januar 2017 beschwerte er sich [16][in der
Boulevardzeitung Daily Mail] darüber, wegen seiner politischen Ansichten
aus dem Job gedrängt worden zu sein. Laut Medienberichten hatte Neville
sich in sozialen Medien als Anhänger [17][der rechtspopulistischen
Ukip-Partei] geoutet, gegen die Homosexuellen-Ehe und Sozialleistungen für
Migrant:innen ausgesprochen sowie gegen die „trendy metropolitan Elite“
gehetzt.
## Mit dem Militär vernetzt
Seitdem konzentriert sich Neville auf [18][sein Unternehmen Super
Recognisers International Ltd], kurz SRI. Laut Website vermittelt es Super
Recognizer für die Überwachung von Personen und die Auswertung von
Videoaufnahmen. SRI sei weltweit mit „militärischen Streitkräften“
vernetzt, heißt es auf der Seite, und dass britische Polizeibehörden ihre
Dienste nutzten bei Ermittlungen in „Mordfällen und anderen schwerwiegenden
Verbrechen“.
Eine Sprecherin der Thames Valley Police, die als Referenz genannt wird,
bestätigt die Zusammenarbeit. Die ebenfalls aufgeführte Metropolitan Police
London hingegen sagt, sie arbeite weder mit Neville noch mit Davis
zusammen.
Josh Davis wiederum hat einen Beratervertrag mit SRI, ein Hinweis findet
sich auf seiner Website. Nicht ersichtlich ist dort, dass die Firma seine
Arbeit sponsert – und Davis im Gegenzug Werbung für sie macht. Diese
erhält, wer eine im Internet offen zugängliche Testreihe absolviert.
„Aufgrund außergewöhnlich guter Ergebnisse“ habe sie sich „als eine der
wenigen Personen qualifiziert, die eine Einladung zur Teilnahme an einer
fortgeschritteneren Testreihe für Super-Recognisers International und die
Association of Super-Recognisers erhalten“, erfuhr die Autorin dieses
Texts.
Ebenso, was ihr winke, wenn sie sich weiter testen ließe: SRI habe „in
verschiedenen Teilen der Welt Voll- und Teilzeitarbeitsplätze für Super
Recognizer gefunden“. Doch wer für SRI arbeiten will, muss erst mal die
Testergebnisse bezahlen: 30 britische Pfund, etwa 35 Euro; wer nicht über
die University of Greenwich kommt, zahlt doppelt so viel. Anschließend
werden mindestens 240 Pfund fällig für einen „Trainings-Kurs“ –
Voraussetzung für eine von SRI vermittelte Tätigkeit.
## Geist des Geheimbündlerischen
Der Abstand zu seriöser Wissenschaft wird noch etwas größer: Zertifiziert
werden Test und Kurse von der – ebenfalls durch Davis beworbenen –
„Association of Super Recognisers“. Das ist laut eigener Homepage ein
„Fachverband“ und eine der „selektivsten und exklusivsten Organisationen
der Welt“. Vorausgesetzt, man zahlt für Tests und Kurse, kann man dort über
vier Stufen bis zum „Honorary Fellow“ aufsteigen, von „Chairman and
Executive“ ausgewählt. Wer das ist? Auf der Seite fehlt jeglicher Hinweis,
wer den Verband repräsentiert.
Den Geist des Geheimbündlerischen atmet auch die Verleihung der „Lizenzen“
durch die Association: Auf seiner Homepage verlinkt Josh Davis [19][einen
Artikel über eine solche „Zeremonie“], bei der er selbst einen Gastvortrag
hielt: In den Londoner Räumen einer Freimaurerloge habe Schirmherr „Lord
Lingfield“ die Urkunden überreicht. Der 80-Jährige engagiert sich [20][im
britischen Oberhaus] gegen die Benachteiligung von Jungen.
Davis erklärt der wochentaz, warum Proband:innen seiner Tests Werbung
für SRI erhalten: Das Unternehmen finanziere die Auswertung der Tests durch
seine Mitarbeiter:innen und kümmere sich zudem um den E-Mail-Verkehr.
„Das würden wir sonst nicht schaffen“. Sollte sich jemand stören an der
Verquickung von Wissenschaft und Geschäftsinteresse, täte ihm das leid.
Mit fünf Prozent schnitten ohnehin nur wenige so gut ab, dass sie die
Einladung bekämen. Wer die Tests auf Englisch absolviere, bekomme
neuerdings per Mail erklärt, wie selten Menschen aufgrund ihrer Super
Recognition eingestellt werden, sagt er. Die meisten würden dort
rekrutiert, wo sie arbeiten, etwa bei der Polizei.
## Menschen hoffen auf Jobs
Dennoch machen sich Menschen Hoffnung, aufgrund ihrer Gabe eingestellt zu
werden oder in Kriminalfällen helfen zu können. Immer wieder bekäme sie
Anfragen, ob sie dazu raten könne, sich von SRI „ausbilden“ zu lassen,
erzählt Meike Ramon. Ihr seien keine Möglichkeiten bekannt, als
Zivilist:in wegen einer Begabung als Super Recognizer eingestellt zu
werden. „Es wäre verwerflich, fehlgeleitete Hoffnungen zu wecken.“
Josh Davis bescheinigt seinen Kritikeri:nnen „eine Obsession mit der
Test-Qualität“. Und zu skeptischen Äußerungen einer
Linken-Bundestagsabgeordneten im August 2021 [21][merkt er auf seiner
Website an], dahinter stecke die Absicht, „die Öffentlichkeit zu
verunsichern“.
Fraglich ist, ob nicht eher eine Melange aus Intransparenz und
Auserwählten-Fantasien für Verunsicherung sorgt. Deutsche Behörden tragen
dazu bei, wenn sie Fragen nicht beantworten können oder wollen, ebenso wie
Medien, wenn sie Super Recognizer in die Nähe von Superheld:innen
rücken, die außerhalb des Gesetzes agieren.
Die sächsische Linken-Politikerin Juliane Nagel will unterdessen eine Idee
aus [22][Rheinland-Pfalz] aufgreifen: Dort soll in einer der nächsten
Sitzungen des Innenausschusses ein Super Recognizer seine Arbeit erklären.
Ein Ausschussmitglied erzählt, das sei dem Innenminister im Juli nicht
gelungen. Die Super Recognizer habe der aber super gefunden.
29 Jul 2023
## LINKS
[1] /Sexuelle-Uebergriffe-von-Koeln/!5317184
[2] /Neuordnung-im-Dortmund--Tatort/!5926497
[3] https://en.wikipedia.org/wiki/Top_10_(comics)
[4] https://www.newyorker.com/magazine/2016/08/22/londons-super-recognizer-poli…
[5] https://www.linksfraktionsachsen.de/presse/detail/juliane-nagel-klarheit-ue…
[6] https://www.institut-police.ch/06-wissen/06-04-format-magazine/2020-10/Inha…
[7] https://afclab.org/team
[8] https://afclab.org/team
[9] https://eprints.bournemouth.ac.uk/31749/1/The%20limits%20of%20super%20recog…
[10] https://www.youtube.com/watch?v=TPGf6kDnYeM
[11] https://www.superrecognisers.com/_files/ugd/9bb3fa_336e8ae5d9c946159cc2439…
[12] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33662395/
[13] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34110226/
[14] https://psyarxiv.com/9zq7j/
[15] https://www.researchgate.net/publication/343799207_CCTV_and_the_super-reco…
[16] https://www.dailymail.co.uk/news/article-4165194/Met-detective-says-Scotla…
[17] /Ukip/!t5008991
[18] https://find-and-update.company-information.service.gov.uk/company/10210697
[19] https://www.superrecognisers.com/post/lord-lingfield-certifies-police-and-…
[20] https://hansard.parliament.uk/search/MemberContributions?house=Lords&m…
[21] https://www.superrecognisers.com/post/super-recogniser-police-assist-in-st…
[22] /Rheinland-Pfalz/!t5021919
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