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# taz.de -- Deutsche Wirtschaft in der Flaute: Konjunkturelles Kriegsgeschrei
> Derzeit tritt die deutsche Wirtschaft auf der Stelle. Doch liegt das
> nicht unbedingt an einer mangelnden Wettbewerbsfähigkeit.
Bild: Gehen bei der deutschen Chemie bald die Lichter aus? Chemieanlage in Sach…
Berlin taz | Sie geht wieder um, die Rede von Deutschland als krankem Mann
Europas. „Wir haben eine Mischung aus kurzfristigen Problemen und
längerfristigen Herausforderungen, die Deutschland in besonderer Weise
treffen“, sagte der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, am
Montag im Deutschlandfunk. Insbesondere vor einer Deindustrialisierung
energieintensiver Bereiche aufgrund [1][hoher Strompreise] warnte der
Ökonom.
Neueste Zahlen zeigen, dass es hierzulande im europäischen Vergleich in der
Tat nicht sonderlich rundläuft. Während die 20 Volkswirtschaften der
Eurozone im zweiten Quartal dieses Jahres im Schnitt um 0,3 Prozent
wuchsen, schrammte Deutschland mit einem Nullwachstum lediglich an einer
Verlängerung der Winterrezession vorbei, wie das Statistische Bundesamt
bereits am Freitag bekannt gab. Im ersten Quartal war die Wirtschaft 0,1
Prozent geschrumpft.
Da sie im letzten Quartal 2022 bereits um 0,4 Prozent zurückgegangen war,
befand sich die Wirtschaft im Winterhalbjahr laut Definition in einer
technischen Rezession. Währenddessen konnte sich zum Beispiel Irland im
zweiten Quartal über ein Wirtschaftswachstum von 3,3 Prozent freuen, und
auch in Frankreich und Spanien legte die Konjunktur um 0,5 beziehungsweise
0,4 Prozent zu, wie das Statistikamt Eurostat am Montag berichtete.
Doch ist die Rede von der drohenden Deindustrialisierung infolge hoher
Strompreise unter Expert*innen umstritten. Für den Bremer Ökonom Rudolf
Hickel „Kriegsgeschrei“. Statt in einem Prozess der Deindustrialisierung
befinde sich die Industrie in einem Prozess der ökologischen
Transformation.
Weil dies auch höhere Energiepreise bedeutet, spricht sich Hickel auch für
die [2][Einführung eines Industriestrompreises] als Überbrückungshilfe aus,
wie ihn Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck jüngst ins Spiel brachte.
Anlässlich der jüngsten Konjunkturzahlen erneuerte der Grünen-Politiker
seine Forderung. „Was Deutschland jetzt braucht, sind zielgerichtete
Impulse für Investitionen und Spielräume für unsere energieintensive
Industrie“, so Habeck am Freitag. Es gehe um die globale
Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.
## EZB-Zinsanhebung drückt auf die Konjunktur
Die Ursachen für die gegenwärtige Konjunkturflaute liegen laut Hickel
jedoch „ganz woanders“. So spürt die exportorientierte deutsche Wirtschaft
die abnehmende Nachfrage auf den Weltmärkten, die im vergangenen Jahr
gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise drücken vor allem auch auf die
Konsumausgaben der privaten Haushalte, und die EZB drückt mit ihren
Zinsanhebungen zusätzlich auf die Nachfrage und somit auch auf die
Konjunktur.
Ähnlich schätzt man die Problemlage auch beim Deutschen Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW) ein: „Gebremst wird die deutsche Konjunktur von
der wenig dynamischen Weltwirtschaft, den erschwerten
Finanzierungsbedingungen durch die weiter steigenden Zinsen der
Europäischen Zentralbank sowie einer nur langsam sinkenden Inflation“,
erklärte DIW-Konjunkturexpertin Geraldine Dany-Knedlik Ende vergangener
Woche. Demnach häufen sich Anzeichen, dass das Wirtschaftsjahr 2023 schwach
verlaufen wird.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht bereits davon aus, dass [3][die
hiesige Wirtschaft] dieses Jahr um 0,3 Prozent schrumpfen wird. Im April
prognostizierte er noch ein Miniwachstum von 0,1 Prozent.
31 Jul 2023
## LINKS
[1] /Energiesubventionen-fuer-Unternehmen/!5941931
[2] /Vorstoss-von-Robert-Habeck/!5932539
[3] /BIP-im-ersten-Quartal-geschrumpft/!5936836
## AUTOREN
Simon Poelchau
## TAGS
Konjunktur
Industriepolitik
Robert Habeck
China
Konjunktur
Industrie
Wirtschaftswachstum
Strommarkt
Inflation
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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