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# taz.de -- Grünen-Co-Chef auf Sommertour: Nouripour und das Wunderfahrzeug
> Der Grünen Co-Chef trifft auf GSG9-Polizisten und
> Frauenhaus-Mitarbeitende. Die Grünen wollen das Thema Innere Sicherheit
> stärker besetzen.
Bild: Will Zivilschutz und innere Sicherheit zu grünen Themen machen: Nouripou…
Bonn/Troisdorf/Mannheim taz | Richtig begeistert sieht Omid Nouripour aus,
als er selbst in das kleine, schwarze ATV, das All-Terrain-Vehicle, steigen
darf. Eine Stunde haben die Leute vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und
Katastrophenhilfe (BBK) vorgeführt, was sie so alles können.
Da fährt ein Zivilschutzfahrzeug mit Blaulicht vor, zwei Einsatzkräfte in
voller Schutzmontur samt Masken und Helm springen heraus und prüfen, ob die
neongelbe Flüssigkeit, die aus den mit Totenkopf markierten Tonnen läuft,
chemischen Kampfstoff oder radioaktives Material enthält. Da demonstrieren
Sanitäter, wie ungleich schwerer es ist, geborgene Patienten in den über 20
Jahre alten und noch im Einsatz befindlichen Rettungswagen zu hieven im
Vergleich zu einem neuen – und wie miserabel die Patienten in dem alten
gelagert sind. Da wird ein Unimog vorgeführt, der durch 1,20 Meter tiefes
Wasser fahren und noch vieles andere kann, von diesen Spezialfahrzeugen hat
das BBK nur zwei. Da dampft und piepst und knallt es.
Der Grünen-Chef hat interessierte Fragen an alle gerichtet und häufig dafür
gedankt, „dass Sie mit Kompetenz und Leidenschaft für unseren Schutz
sorgen“. Und dann fährt er, die Zunge zwischen die Zähne geklemmt, mit dem
ATV über die extrem unebene, mit kleinen Hügeln und großen Schrägen
gespickte Probestrecke, steigt schließlich aus und grinst: „Das ist ein
Wunderfahrzeug, das kann sogar ich.“
Das „Wunderfahrzeug“ wurde etwa bei der [1][Flut im Ahrtal] vor zwei Jahren
eingesetzt, um Wege zu erkunden – oder wenn die Rettungskräfte mit den
größeren und schwereren Fahrzeugen nicht mehr weiter kamen. Dann kann man
Gerät und Material auf die kleine Ladefläche umpacken. Auch die Mitarbeiter
des BBK sind von dem Gefährt angetan.
## Nouripour will wissen, „wo der Schuh drückt“
Omid Nouripour ist auf Sommerreise, [2][wie viele Politiker*innen
derzeit]. „Stärken, die uns schützen“ ist das Motto der Tour, es geht um
innere Sicherheit. Fünf Tage fährt er durch den Westen und Südwesten der
Republik, bis er am Ende Charlotte Knobloch, die Präsidentin der
Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, treffen wird. Davor
unter anderem, jenseits des BBK: Besuche bei der GSG9 und der Freiwilligen
Feuerwehr, beim Technischen Hilfswerk, einem Frauenhaus in Troisdorf und
der Wasserschutzpolizei am Bodensee.
Bei vielen Terminen ist die Presse zur Begleitung eingeladen. Warum diese
Tour? In diesen Zeiten großer Unsicherheit wolle er denen danken, die
Schutz geben, und auch fragen, wo der Schuh drücke, sagt Nouripour. Und
weil er dabei „Präventions- und Exekutivansatz“ zusammenbringen wolle, sei
die Tour so breit geworden.
Was Nouripour nicht sagt, nicht direkt zumindest: Die Grünen wollen sich
inhaltlich breiter aufstellen, neben der Sozialpolitik gehört dazu die
innere Sicherheit. Wer, allen schlechten Umfragen derzeit zum Trotz, weiter
mit dem Kanzleramt liebäugelt, kommt an dem Thema nicht vorbei. Auch
Außenministerin Annalena Baerbock hat ihre Deutschland-Tour in diesem
Sommer dem Thema Resilienz gewidmet.
Die Kompetenz, die die Bevölkerung den Grünen laut Umfragen bislang bei der
inneren Sicherheit zuschreibt, ist miserabel. Dass die Partei in Berlin
nach der Randale in der Silvesternacht keine Antwort fand, hat auch zu
ihrem schlechten Wahlergebnis beigetragen, in der Hauptstadt regiert jetzt
bekanntlich Schwarz-Rot. Zwar haben die Grünen anerkannte
Innenpolitiker*innen, aber das Innenministerium haben sie bislang weder im
Bund noch in einem der Länder besetzt, obwohl die Forderung parteiintern
immer wieder zu hören ist. Doch wenn es ernst wird, ziehen die Grünen
andere Ministerien vor – vielleicht auch, weil ihnen das Innenressort dann
doch zu heikel ist.
## „Reibungsverluste“ bei der Ahrflut
Auf seiner Tour bekommt Nouripour eines immer wieder zu hören: Dass sich
die Zusammenarbeit verbessern müsse. „Wir haben kein Ressourcenproblem, wir
haben ein Koordinationsproblem“, sagt etwa Jochen Stein, der Leiter der
Feuerwehr in Bonn. „Da müssen die Bundesländer besser werden.“ Bei der
Ahrflut habe es „unheimliche Reibungsverluste“ gegeben: „Da sind Schäden
entstanden, die hätten nicht entstehen müssen.“ Stein fordert eine Änderung
bei der Zusammenarbeit von Bund und Ländern: Entscheidend dürfe nicht sein,
wer zuständig ist, „sondern wer etwas beitragen kann“.
Auch Monika John-Koch, Leiterin des Gemeinsamen Kompetenzzentrum
Bevölkerungsschutz von Bund und Ländern, beklagt, dass sich die Beteiligten
„nicht gern in die Karten gucken lassen“. Das Vertrauen dafür zu schaffen,
sei „vielleicht das schwierigste“. Das Kompetenzzentrum hat vor gut einem
Jahr die Arbeit aufgenommen, um die Kooperation zu verbessern.
BBK-Präsident Ralph Tiesler betont zwar, dass seine größte Herausforderung
die Finanzen seien, der aktuelle Haushaltsentwurf der Bundesregierung sieht
deutliche Kürzungen vor. Aber auch er macht klar, dass die Zusammenarbeit
von Bund und Ländern nicht ausreiche. Es gebe zum Beispiel „keinen
kompletten Überblick über alle Ressourcen, die wir in Deutschland haben“.
Es könne nicht sein, dass man erst in den Keller steigen müsse, um zu
schauen, ob dort Schlauchboote seien, wenn diese bei Rettungseinsätzen
gebraucht würden, so kommentiert Nouripour das später auf der Tour. „Es
gibt Zögerlichkeiten und Kompetenzgerangel, die am Ende zu großen Schäden
führen können. Der Bund muss deutlich mehr Koordination übernehmen können.�…
Da sei man sich in der Ampel einig, mit den Ländern müsse geredet werden.
Es ist wahrlich nicht der erste Versuch.
## Besuch im Frauenhaus
Auch im Frauen- und Kinderschutzhaus in Troisdorf wünschen sich die
Mitarbeiterinnen eine bessere Zusammenarbeit – mit Familiengerichten etwa,
mit dem Ausländer- und Wohnungsamt. Dass sie nicht frühzeitig von frei
werdenden Wohnungen erfahren würden, trage wegen [3][der Wohnungsnot] auch
dazu bei, dass die Frauen so lange blieben, häufig sechs bis zwölf Monate.
Auch Finanzen sind hier ein Thema, ein drittes Haus im Rhein-Sieg-Kreis
werde dringend gebraucht, sagt Geschäftsführerin Michiko Park.
Vor zwei Jahren ist das Frauenhaus in einen Neubau umgezogen, ein lichtes
Gebäude mit einladenden Wohnungen und einem großen Spielraum für Kinder.
Das sei nicht der Standard für Frauenhäuser, sagt Park fast entschuldigend.
Eine Investorenfamilie habe das Haus im sozialen Wohnungsbau geplant und
dem Verein zur Miete angeboten, ein Glücksfall. Während die
Mitarbeiterinnen von ihrer Arbeit erzählen, schaut Nouripour kurz aus dem
Fenster, wo Kinder spielen und Frauen im Schatten sitzen. „Hier wird auch
viel gelacht“, sagt er. „Ja“, sagt Park. „viele sind hier auf dem Weg in
ein besseres Leben“.
Als Nouripour später beim THW in Mannheim gefragt wird, wo er schon überall
gewesen sei, erzählt er zuerst vom Troisdorfer Frauenhaus.
19 Jul 2023
## LINKS
[1] /Hochwasserkatastrophe-im-Ahrtal/!5924208
[2] /Baerbock-und-Habeck-im-Osten/!5944802
[3] /Wohnungsbau-der-Ampelkoalition/!5933441
## AUTOREN
Sabine am Orde
## TAGS
Bündnis 90/Die Grünen
Omid Nouripour
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Polizei
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