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# taz.de -- Mit Schafen und Radlern unterwegs: Zu Fuß gehen am Deich
> Es gibt Paradiese für Fußgänger*innen wie dieses kleine Dorf hinterm
> Deich. Auf dem Deichweg rast die Welt aber doch wieder an einem vorbei.
Bild: Am Deich muss man sich vor Schafshaufen in Acht nehmen
Ich mache Ferien an einem dieser Orte, die ihre einzigartige Skyline,
gemalt als Silhouette, auf T-Shirts drucken und diese an Tourist*innen
verkaufen. Diese Skyline bietet eine alte Windmühle und daneben einen alten
Kirchturm, der wie ein Leuchtturm aussieht: rund und oben mit Ausguck und
abgerundeter Kuppel. Das sieht tatsächlich wunderschön aus, auch wenn es
hier in Nordwest-Ostfriesland einige von diesen Leuchtturmkirchtürmen gibt:
Die Windmühle direkt daneben macht den Unterschied. Der Name des Dörfchens
steht sicherheitshalber trotzdem noch auf den T-Shirts drauf.
Das kleine Dorf hinterm Deich ist ein Paradies für Fußgänger*innen. Man
geht durch schmale Gassen, vorbei an niedrigen Fischerhäuschen, davor
stehen Bänke und daneben meist ein üppiger Rosenstrauch. Kleine Gärten,
Licht und Schatten, die Windmühle, der Kirchturm, wie die Häuser aus rotem
Backstein. Keine Trennung in Geh-, Fahr- und Radwege, keine einzige Ampel
im Ort. Autos und Räder (von denen es hier viele gibt, dazu gleich mehr)
fahren im Schritttempo durch den Ort: Dessen Gassen sind viel zu
verwinkelt, um hindurchzurasen.
Jedoch ist das Dorf eben auch ziemlich klein.
Will man weiter gehen, weiter sehen, geht man am Deich lang. Das ist auch
wunderschön, Weite, Wind, Wiese, Wasser, rechts Kühe, links Schafe oder
umgekehrt. Das Zufußgehen am Deich ist aber so eine Sache. Das liegt daran,
dass die Weite so weit ist. Man geht und geht, rechts Wasser und Schafe,
links Wiese und Kühe (oder umgekehrt), und kommt dabei nicht so recht
voran. Und weiß zudem, dass man am Ende denselben Weg zurück muss: links
Wasser, rechts Wiese oder andersherum. Kühe, Schafe, Vögel, Horizont. Ganz
hinten: ein Kirchturm, eine Windmühle. Und auf dem Deichweg:
Radfahrer*innen, [1][meist auf E-Bikes].
## Leises Surren auf dem Deichweg
Auf dem Deichweg überholen die Fußgängerin Radfahrer*innengruppen, die
meist nur ein leises Surren und manchmal ihre laute Unterhaltung ankündigt.
Sie reden miteinander, denn sie sind nicht außer Atem. Sie fahren riesige
Radmonster, auf denen die hier oft betagten Fahrer*innen aussehen, als
könnten sie ohne Hilfe kaum absteigen.
Es überholen mich Gruppen jüngerer E-Biker, die Räder schmaler und
eleganter als die der älteren Radler*innen, insektenkopfartige Helme,
Spezialschuhe und -klamotten, GPS, Taschen, Rucksäcke, Brillen,
extraleicht. Sie ziehen wie Ameisen auf Rädern mit leisem Surren an mir
vorbei und sparen sich dabei sogar das hier bei jeder Begegnung mit
Menschen eigentlich übliche „Moin!“.
Ich spare mir meins auch, erst mal, und gehe der Schafscheiße aus dem Weg,
die ihre schnellen Räder hinter den Davonziehenden aufwirbeln. Ich weiß,
ich werde sie wiedersehen.
Man muss sich beim Gehen auf dem Deich nicht vor Hunde-, sondern vor
Schafshaufen in Acht nehmen. Vielen. Blickt man den langen Deichweg
entlang, wirkt es, als sei er mit Schafscheiße geteert. Erst beim
Näherkommen sieht man, dass die Schafe kleine Lücken für die Füße der
Gehenden gelassen haben. Das macht das Gehen manchmal mühsam, ist aber
eigentlich eine gute Sache: Die Schafe machen offenbar lieber auf die Wege
als aufs Gras, sie kacken nicht auf ihr Essen. Es sind kluge Tiere.
Die E-Bikes treffe ich am Gatter wieder. Die Schafe grasen den Deich ab,
Stück für Stück; Zäune und Gatter halten sie dort, wo sie das gerade tun
sollen. Um das Gatter herum führt für Fußgänger*- und Radler*innen ein
Viehgitter, über das die Schafe nicht gern gehen. Sie legen sich jedoch,
wenn sie genug gegrast haben, sehr gerne in Grüppchen davor. Man kann dann
über sie hinweg steigen, sie sind auch sehr freundlich und bleiben einfach
gelassen liegen. Ich überhole hier, „Moin!“, die E-Biker*innen, die ihre
schweren Räder nicht über die Tiere tragen können.
3 Jul 2023
## LINKS
[1] /SUV-E-Bikes/!5910549
## AUTOREN
Alke Wierth
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