# taz.de -- Soundart bei der Monheim Triennale: Klangkunst im Nahverkehr | |
> Die "Monheim Triennale", gestartet als Musikfestival, macht nun in | |
> Performance- und Soundart. Bei der technischen Umsetzung hapert es leider | |
> noch. | |
Bild: Lautsprecher hängen in Bäumen: Soundinstallation „Lost Lullaby“ von… | |
Es wird erzählt, dass der Chemiker Carl Leverkus (1804–1889) einst seine | |
Fabrik in Wiesdorf am Rhein gebaut habe, weil er in der Rheinschleife | |
zwischen Köln und Düsseldorf das Rheingold, den Schatz der Nibelungen, | |
vermutete. Mit dieser Fabrik gab er den Startschuss für eine | |
weiterreichende Ansiedlung der Petrochemie und der | |
Pharmazeutikaherstellung. | |
Längst ist Wiesdorf Teil der Stadt, die seit 1930 den Namen des Fabrikanten | |
trägt: Leverkusen. In Wiesdorf steigen heute jene um, die in das nördlich | |
angrenzende Monheim am Rhein reisen wollen. Obwohl die Stadt mit ihren | |
knapp 40.000 Einwohner*innen in den letzten Jahren einen Boom erlebt | |
hat – ein niedriger Gewerbesteuerhebesatz macht es möglic –, ist die | |
Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln für das Rheinland ungewohnt | |
aufwendig. | |
Warum also eine ruckelige Busfahrt durch das suburbane Nordrhein-Westfalen | |
auf sich nehmen? Die Antwort lautet: zwecks Besuchs der Monheim Triennale. | |
Ursprünglich war diese als handelsübliches Musikfestival mit einem | |
zentralen Event am Anfang eines Zyklus und Leerlauf bis zur nächsten | |
Ausgabe geplant. Corona-bedingt fiel jenes Großevent 2020 ins Wasser und | |
Festivalleiter Rainer Michalke (lange Jahre Chef des Jazzfestivals Moers) | |
und sein Team nahmen Abstand von der Idee. Stattdessen wird die Triennale | |
fragmentiert dargeboten: Drei verschiedene Formate für die drei Jahre eines | |
Turnus. | |
## Gleich ein Klangskulpturenpark | |
Im Jahr 2023 eröffnete man nun den zweiten Turnus mit einer simplen Idee: | |
Die Stadt Monheim wird für den Zeitraum von einem Monat zum | |
Klangskulpturenpark. Im Stadtgebiet verteilt warten Installationen | |
auf die Besucher*innen und Einwohner*innen. Man verlieh der | |
neuerlichen Edition ohne falsche Scham den strotzenden Namen „The Sound“; | |
was bisweilen hohe Erwartungen weckt. | |
Wer nach ellenlanger Bustour im Stadtzentrum ankommt, darf sich gleich in | |
den nächsten Bus setzen. Die autonom fahrende Linie A01 wird zum | |
Klangkunstvehikel. Das Versprechen lautet: Steigt in einen der vier Busse | |
und lauscht den Installationen von Geert-Jan Hobijn, Gründer des | |
holländischen Industrial-Labels Staalplaat. Ich mache dennoch ein langes | |
Gesicht, als die 16 selbstgebauten Spieluhren, die etwas heimgewerkelt | |
daherkommen, nicht anspringen wollen. | |
Dabei verheißt die Installation in Kombination mit dem eh schon quängelnden | |
Kleinkind, das mit im Minibus fährt, interessant zu werden. Auch der | |
behände Druck auf die drei Abspielknöpfe (Rhythm, Lyrics, Minimal) hilft da | |
nicht weiter. Der begleitende Angestellte der Stadtwerke zeigte sich indes | |
unbeeindruckt: „Ist Solarstrom betrieben. Klappt nicht.“ Die gleißende | |
Sonne an diesem Nachmittag widersprach seiner These. | |
## Die Warnsirenen gekapert | |
Nicht der einzige Sand im Getriebe: Die „Saab Sculpture“, ein mit | |
Hornlautsprechern ausgestatteter Oldtimer, der Brüsseler Künstlerin Amber | |
Meulenijzer sollte zunächst ebenfalls stumm bleiben, genau wie auch die | |
Installation „A Moment in Passing“ des Künstlers Hakeem Adam. Wenigstens | |
funktionierte die Arbeit der Niederländerin Angela de Weijer, die jeden | |
Samstag um 16 Uhr die Warnsirenen der Stadt kapert und mit einem | |
somnambulen, atmosphärischen Soundtrack bespielt, der pittoresk durch die | |
Stadt schimmert. Hier sieht das Experiment, eine Stadt zum Skulpturenpark | |
ummünzen zu wollen, gelungen aus. | |
Auch sehr stimmig: Die Windharfen hinter dem Damm, der die Stadt vor dem | |
angrenzenden Rhein beschützt, oder der Spielplatz eines verlassenen | |
Kindergartens in der Nähe der Altstadt, der von der georgischen Künstlerin | |
Anushka Chkheidze zum Erinnerungsort transformiert ist. Aus sechs Boxen, | |
die in die Bäume vor dem verlassenen Gebäude verpflanzt wurden, tönen aus | |
verschiedenen Richtungen wunderschön spatialisierte Klänge. | |
Es sind Kinderlieder, um genau zu sein: Schlaflieder. „Lost Lullabys“, so | |
der Name der Installation, lässt mich zwischen den wild und unkultiviert | |
wachsenden Gräsern rasten. Modularsynthese, Ambiance und ungeübter Gesang | |
treffen aufeinander – sehr berührend. Auf dem (wieder überlangen) Rückweg | |
gibt es genug Zeit, um zu rekapitulieren. | |
„The Sound“ ist ein ehrenwerter Versuch, die eventisierte Natur der Bi- und | |
Triennalen aufzubrechen. Es hakt nur etwas bei der Ausführung, doch bleiben | |
wir gnädig: Auch Carl Leverkus suchte bekanntermaßen bis zuletzt vergeblich | |
nach dem Rheingold. | |
15 Jun 2023 | |
## AUTOREN | |
Lars Fleischmann | |
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