# taz.de -- Ein Abstecher zum Rhein: Experimenteller Kick | |
> Die Monheim Triennale bietet traumhafte improvisatorische Einwürfe in | |
> einer Stadt, in der man sich gar nicht zwischen Kölsch und Alt | |
> entscheiden will. | |
Bild: Die amerikanische Jazz-Geigerin yuniya edi während ihres Auftritts auf d… | |
Monheim ist ein westdeutsches 40.000-Einwohner-Städtchen. Tech- und | |
Chemiefirmen sind hier ansässig, auch Briefkastenfirmen ([1][die | |
Gewerbesteuer ist hier niedrig]), es gibt keinen Bahnanschluss, aber jede | |
Menge Kunst im öffentlichen Raum. Die Mittelstadt liegt am Rhein. Und sie | |
liegt am Äquator. | |
Denn Monheim ist etwas weniger als 17 Kilometer von Düsseldorf entfernt und | |
etwas mehr als 17 Kilometer von Köln. Ich könnte hier also gut beides | |
abwechselnd trinken, das dunkle Altbier und das säuerliche Kölsch. Monheim | |
liegt am rheinischen Bieräquator. | |
In der Praxis ist die Auswahl weniger groß. Am späten Donnerstagabend | |
bedauert der Barkeeper an der Hotelbar, kein Alt ausschenken zu können. | |
Immerhin bekomme ich eine kühle Kölschstange. Das beruhigt nach einem | |
nervenaufreibenden Reisetag. Die Konzerte des Tages habe ich allesamt | |
verpasst. | |
Ich bin wegen der Monheim Triennale an den Niederrhein gekommen, ein | |
internationales Musikfestival für improvisierte und experimentelle Musik, | |
das alle drei Jahre nach Monheim kommt, aber auch in den Zwischenjahren ein | |
aufwendig kuratiertes Programm bietet. 2024 ist so ein Zwischenjahr. | |
## „Is the red team Germany?“ | |
Freitagabend in Monheim. Unglücklicherweise steht parallel ein alles | |
überschattendes Großereignis an. Man muss halt damit umgehen können – und | |
die Triennale kann. Der New Yorker Multiinstrumentalist [2][Shahzad | |
Ismaily] sitzt am Flügel und spielt einige sanfte Akkorde, dazu | |
improvisiert die indisch-US-amerikanische Sängerin Ganavya Doraiswamy mit | |
ihrer famosen Sopranstimme. „Hey, I heard there’s Fußball going on“, sagt | |
Ismaily zu seiner Partnerin, und prompt erscheint auf der bislang schwarzen | |
Leinwand hinter der Bühne das aktuelle Fernsehbild des [3][EM-Spiels | |
Deutschland – Spanien]. | |
Die beiden kommentieren nun für gute 20 Minuten das Geschehen. Beide haben | |
nicht die blasseste Ahnung von Fußball und thematisieren dies auch | |
lustvoll. „Is the red team Germany?“, fragt Ismaily. Dani Olmo erzielt den | |
spanischen Führungstreffer („Olmo? Sounds German to me!“), und Ismaily | |
verspricht, einen kriegerischen Song zur Motivation der Deutschen zu | |
spielen. Genützt hat es wenig. Aber ich bin ja für die Musik hier. | |
16 KünstlerInnen sind für fünf Tage an den Rhein gekommen, um zu | |
improvisieren, sich auszutauschen, um spontan Duos, Trios und größere Bands | |
zu bilden. Eine erstaunlich vielfältige Auswahl wurde dabei getroffen, | |
queere KünstlerInnen, People of Colour, Kunstschaffende aus Georgien, | |
Australien und dem Iran sind vor Ort; abgesehen davon liegt der Schwerpunkt | |
eindeutig auf US-KünstlerInnen. | |
## Hypnotische Drones | |
Ich will wissen, wie der erste Festivaltag, an dem ich es zu den Konzerten | |
nicht geschafft habe, verlaufen ist, und die Kollegin sagt: „dreamy“. In | |
ähnlicher Stimmung beginnt der zweite Nachmittag. Den Satz „Ich bin | |
eigentlich kein Dudelsack-Fan, aber …“ höre ich gleich mehrmals. Gemünzt | |
ist er auf die Schottin [4][Brighde Chaimbeul]. | |
Sie spielt eine Smallpipe, bei der der Sack nicht mit dem Mund, sondern | |
über einen Blasebalg unter dem Ellenbogen aufgeblasen wird. Durch die 500 | |
Jahre alte Marienkapelle direkt am Rheinufer wabern hypnotische Drones, die | |
weder nach Highlands noch nach Rheinland klingen. Alleine interpretiert | |
Chaimbeul Philipp Glass – und Monheim scheint in Richtung eines anderen | |
Universums zu schweben. | |
Nur ein paar Meter von der Kapelle entfernt liegt die „MS Rheinfantasie“ am | |
Anleger der Stadt. Das 85 Meter lange Ausflugsschiff ist Hauptspielort der | |
Triennale, auf der Bühne im abgedunkelten Bauch ist drei Tage lang bis spät | |
in die Nacht Programm. Für ein leises Quartett ist Chaimbeul mit Gitarrist | |
Ismaily, der Sängerin Doraiswamy und der Violinstin yuniya edi kwon | |
zusammengekommen, zuvor hat ein Bläser-Trio die schrillen Seite der | |
Impro-Kultur ausgelotet. Ich habe Durst. | |
Über die Bar auf dem Oberdeck des Partyschiffs weht ein strammer Wind. Auf | |
der Getränkekarte steht doch tatsächlich: „Alt nur in Düsseldorf“. Der | |
Kellner grinst. Kein Problem, wir sind doch hier auf halbem Wege. | |
17 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Kreative-Steuerpolitik-in-NRW/!5008337 | |
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Shahzad_Ismaily | |
[3] /DFB-Aus-im-Viertelfinale/!6019275 | |
[4] /Visionaere-schottische-Dudelsackspielerin/!5928087 | |
## AUTOREN | |
Jan Paersch | |
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