| # taz.de -- 48 Stunden Neukölln: Ein Bezirk als Kunstinstallation | |
| > Beim größten Kunstfestival Berlins gab es viel zum Mittun: „Playground“ | |
| > war das Motto der 25. Ausgabe. Unser Autor begab sich ins kreative | |
| > Getümmel. | |
| Bild: Kunst zum eintauchen, wie Carla Mercedes Hihns „ÇIKIŞ--EXIT“ in d… | |
| Berlin taz | Lieber mit dem ausfaltbaren Veranstaltungsplan auf die | |
| 48-Stunden-Neukölln-Tour oder sich einfach treiben lassen? Das Event | |
| „Schlammkuchen“ klingt gut, „Kunst & Kekse“ sowieso. Aber wo genau sind | |
| diese Shows? Und wo befindet man sich selbst eigentlich gerade? Am Ende | |
| gibt man es besser auf mit dem Plan. Neukölln ist groß, [1][das seit 1999 | |
| stattfindende Kunstfestival] ist das größte Berlins, und dieses Jahr zeigen | |
| 1.200 Künstler und Künstlerinnen an 300 Orten alles nur Erdenkliche von | |
| Mini-Aktzeichnungen bis hin zu immersiven Installationen im Großformat. | |
| Also los mit dem Fahrrad und zu Fuß irgendwo zwischen Kreuzkölln und | |
| Karl-Marx-Straße und sobald man einen Ort erblickt, an dem das bunte | |
| 48-Stunden-Neukölln-Plakat hängt: Einfach rein. | |
| Manchmal läuft gerade eine Performance wie das Kunstevent in der | |
| Weserstraße, das sich „partizipative Ausstellung“ nennt, bei dem die | |
| Teilnehmenden gerade nicht gestört werden wollen. Von außen sieht man, wie | |
| sie angeregt interagieren. Wahrscheinlich arbeiten sie sich gerade an solch | |
| wirklich wichtigen Fragen des Lebens ab, wie sie beispielhaft an den Wänden | |
| aushängen: „Kommst Du eher zu früh oder zu spät?“ oder: „Wünscht Du D… | |
| eher mehr Zeit für Dich oder mit anderen?“ | |
| Ganz Nord-Neukölln wirkt während des Kunstfestivals wie eine begehbare | |
| Installation. Dazu passt auch das Motto des diesjährigen 25-jährigen | |
| Jubiläums: „Playground“. Teils fragt man sich: ist das ein Ort der Kunst | |
| oder ein noch geöffneter Tattooladen? Ein Imbiss bietet ein | |
| 48-Stunden-Neukölln-Nachos-Special an und auch Kinder dürfen sich selbst | |
| als Künstler versuchen. Im Jugendclub „Manege“ etwa lautet die | |
| Aufgabenstellung für den künstlerischen Nachwuchs: „Neukölln bedeutet für | |
| mich…“. Und man erfährt, dass der oft als Problembezirk verschrieene Kiez | |
| sehr positive Assoziationen hervorzurufen vermag. Zu sehen sind etwa ein | |
| Einhorn, ein Frosch und wirklich sehr viele Herzen. | |
| Mal wird man enttäuscht, mal wirklich überrascht, wie das halt so ist mit | |
| der Kunst. In der Schönstedtstraße bieten Künstler und Künstlerinnen | |
| einfach Einblicke in ihre Arbeit und man steht neben riesigen Skulpturen, | |
| während die Bildhauer selbst an einem Tisch hocken und Weißwein aus | |
| Tetrapaks trinken. Gegenüber im queeren Atelierhaus Altes Finanzamt wurde | |
| dagegen mit viel Aufwand ein ganzer Raum wie eine verwunschene Parallelwelt | |
| gestaltet, mit sonderbaren Gerüchen und Projektionen von Naturbildern. Es | |
| kommt einem vor wie ein LSD-Trip. Voll der Knaller ist die Musikperformance | |
| in einem ehemaligen Wettbüro in der Karl-Marx-Straße, vor dessen Betreten | |
| man sich die Schuhe ausziehen muss. Drinnen klimpert eine ältere Dame, die | |
| aussieht, als wollte sie eigentlich zum Bingo-Abend gehen, auf allerlei | |
| elektronischem Gerät herum und singt mit verzerrter Stimme, während ein | |
| Klarinettist zu den undefinierbaren Klängen improvisiert. | |
| ## Eine überbordende Kreativzone, die verbindet | |
| 48 Stunden lang verwandelt sich ein ganzer Bezirk in eine überbordende | |
| Kreativzone und setzt auf ein Miteinander, das nun doch mal aus mehr | |
| besteht als aus dem Konsum von irgendwas. Kunst verbindet, das scheint dann | |
| auch die Message dieser pneumatischen Skulptur ganz in der Nähe des | |
| Kunstraums im stillgelegten Wettbüro zu sein. Die bläht sich per Knopfdruck | |
| auf, aber dafür müssen tatsächlich vier Personen gleichzeitig auf Buttons | |
| drücken, nur dann passiert etwas. | |
| Gleich daneben behauptet einer, mit seiner „Wortschmiede“ in ein paar | |
| Minuten aus dem Stegreif ein Gedicht zu einem bestimmten Thema zu zaubern. | |
| Der Dichter bietet sich gewissermaßen als menschliches ChatGPT an. Er macht | |
| dann aus der Aufgabe, Erich Fried zu parodieren: „Es war nichts, was es | |
| wurde, es wäre das, was es isst.“ Kann man sich dann über das Bett hängen, | |
| das Gedicht. Allerdings will der Wortschmied für sein Werk auch bezahlt | |
| werden. Er sei kein Teil von 48 Stunden Neukölln, sagt er. Obwohl er es | |
| irgendwie natürlich schon ist. | |
| 26 Jun 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://48-stunden-neukoelln.de/de/festival | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Hartmann | |
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