# taz.de -- Architekturforscherinnen über Space-Mining: „Der Mond als Tankst… | |
> Francelle Cane und Marija Marić thematisieren auf der Venedig-Biennale | |
> den Mond als Rohstoffquelle und die medialen Versprechen der | |
> Weltraumforschung. | |
Bild: Laboranordnung mit Minirover, der eine simulierte Mondoberfläche nach Re… | |
taz: Frau Cane, Frau Marić, Sie forschen beide an der Architektur-Fakultät | |
der Universität von Luxemburg zu ökologischen und ethischen Fragen. Worum | |
geht es dabei und was zeigen Sie als Kuratorinnen des Luxemburg-Pavillons | |
bei der diesjährigen Architekturbiennale? | |
Francelle Cane: Ich konzentriere mich in meiner Forschungsarbeit nicht nur | |
auf gebaute Formen, sondern auch darauf, wie wir die Erde und die Böden | |
verändert haben, etwa durch landwirtschaftliche Projekte. All das ist auch | |
sehr stark von Gesetzen und vom politischen Willen geprägt. | |
Marija Marić: In unserer Ausstellung untersuchen wir kritisch, was | |
Weltraumbergbau heute bedeutet. Auf der Suche nach verfügbaren Ressourcen | |
hat sich der Mond als attraktiver Ort erwiesen, auch deshalb, weil er | |
rechtlich eine Grauzone ist. Es ist historisch akzeptiert, dass alle | |
Himmelskörper, einschließlich des Mondes, Eigentum der gesamten Menschheit | |
sind. Dieses Narrativ wollen wir in Frage stellen. In unserem Projekt | |
versuchen wir zu verstehen, was Space-Mining ist und welche futuristischen | |
Versprechungen und Techno-Träume dabei bedient werden. | |
Frau Marić, inwiefern sind Medienstrategien auch für Space-Mining relevant? | |
MM: In meinen Forschungen habe ich untersucht, wie im Kontext des globalen | |
Kapitalismus Kommunikations- und Medienstrategien eine zentrale Rolle bei | |
der gebauten Umwelt spielen. Etwa bei der Verflechtung von Medien und | |
Immobilienspekulation. Das Biennale-Projekt baut auf diesem Wissen auf, | |
insbesondere auf dem Gebiet des Space-Mining, das ebenfalls eine | |
spekulative Wirtschaft ist. Meiner Meinung nach gibt es viele Ähnlichkeiten | |
mit der Welt der Blockchain und der Kryptowährungen, wo mediale Erzählung | |
zum Versprechen von Wachstum und Profit wird. Im Falle des Weltraumbergbaus | |
könnte man auch von „Ressourcenfiktion“ sprechen. | |
Die Industrie konstruiert Vorstellungen von der [1][Zukunft des | |
Weltraumbergbaus]. Der hat sich seit den 1960er Jahren stark verändert, als | |
Weltraumforschung allgegenwärtig wurde und wir uns an einzelne spektakuläre | |
Bilder von [2][Neil Armstrong auf dem Mond] erinnern. Doch in dem Moment, | |
in dem sie produziert wurden, wurden sie bereits politisch verwendet, | |
dienten auch als heroische Bilder von Nationen, die neue Grenzen erobern. | |
Heute haben wir keine Nationalstaaten mehr, die ihre Flaggen auf dem Mond | |
aufstellen, sondern ein ganzes Werbegenre, in dem die Technologie zum | |
Hauptdarsteller wird. Es ist jetzt nicht der erste Schritt des Menschen, | |
sondern der Rover, der die Oberfläche nach nutzbaren Ressourcen absucht. | |
Weshalb haben Sie für Ihre Installation den Titel „Down to Earth“ gewählt… | |
MM: Das ist eine Redewendung, die im Englischen eine bodenständige, | |
geerdete Person beschreibt, in Dualität zu unserer Fallstudie, dem Mond. | |
Der Titel beinhaltet auch den Moment, wie dieses ganze Unterfangen unser | |
Leben auf der Erde, [3][unsere Beziehung zu Ressourcen], unsere Beziehung | |
zur Umwelt prägen wird. | |
Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen? | |
FC: Luxemburg ist eines der Schlüsselländer des Weltraumbergbaus und | |
beteiligt sich an dem, was man als neues Weltraumrennen bezeichnen könnte. | |
Das hat auch eine internationale Bedeutung. | |
MM: Vor ein paar Jahren waren die USA, Luxemburg, die Vereinigten | |
Arabischen Emirate und Japan die ersten vier Länder, die es ihren | |
Unternehmen erlaubt haben, auf dem Mond Bergbau zu betreiben. Es gibt auch | |
eine Abteilung der Europäischen Weltraumorganisation für Ressourcen, die | |
ihr Zentrum in Luxemburg hat. Luxemburg positioniert sich als Vorreiter in | |
dieser Branche. | |
Was hat das alles mit Architektur zu tun? | |
MM: Es gibt immer eine Debatte unter Architekt:innen: Was ist eigentlich | |
Architektur? Architekturdiskussionen müssen einen Weg finden, um mit der | |
Besessenheit von gebauter Architektur zu brechen und eher Umgebungen zu | |
betrachten. Für uns stellt sich die Frage nach den Ressourcen, die unsere | |
Lebensumgebungen ausmachen. Bisher wurde nur sehr wenig Forschung in Bezug | |
auf die extraterrestrischen Ressourcen betrieben. | |
Um ein plastisches Beispiel zu nennen: In den ersten Diskussionen über den | |
Weltraumbergbau wurde [4][Lithium als eine der seltenen Erden] vorgestellt, | |
die aus Asteroiden gewonnen und zur Erde zurückgebracht werden könnte. | |
Viele Länder [5][leiden unter dem Lithiumabbau] und der unglaublichen | |
Umweltzerstörung, die damit einhergeht, unter der Prämisse von | |
Elektrofahrzeugen als eine Greenwashing-Kampagne von nachhaltiger | |
Mobilität. | |
Wir haben für unser Projekt mit vielen Akteur:innen im Bereich des | |
Weltraumbergbaus gesprochen, und Konsens ist, dass sie den Mond derzeit als | |
eine Art Tankstelle zum Mars oder anderswo betrachten, wo die gesamte | |
Infrastruktur zum Aufladen von Raketen und anderen Mobilitätsgeräten gebaut | |
wird, die dann anderswo eingesetzt werden. | |
Sie haben im Pavillon ein Spacelab aufgebaut. Was genau ist die Funktion | |
dieser Labore? | |
FC: Das Spacelab im Pavillon ist ein Archetyp, der bereits als Labor | |
existiert. Wir haben mindestens zwei in Luxemburg und einige andere auf der | |
Welt. Diese Labore werden entweder von Forschenden der Universität oder | |
von privaten Unternehmen genutzt, um mit der Nachbildung der | |
Mondlandschaft ihre Programme zu trainieren, um nach Mineralien zu suchen. | |
MM: Wir sehen das Mondlabor in gewisser Weise als Theaterbühne. Die | |
verschwimmenden Grenzen zwischen dem Labor als wissenschaftlicher Raum und | |
dem Theaterraum oder den Medienstudios, in denen die Bilder produziert | |
werden, waren für uns ein Ausgangspunkt. Wir sehen diese Art von | |
performativem und medialem Aspekt der Industrie als einen entscheidenden | |
Bereich, auf dem diese Industrie aufgebaut ist. | |
Luxemburg wird wegen seiner Unternehmens- und Steuerpolitik kritisch | |
betrachtet. Haben Sie sich auch damit auseinandergesetzt? | |
MM: Wir haben uns mit dem wirtschaftlichen und politischen Umfeld befasst, | |
das ist ein wichtiger Ausgangspunkt für diese Debatte. Unsere Forschung hat | |
nicht zufällig in Luxemburg begonnen. | |
8 Jun 2023 | |
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