# taz.de -- Ausstellung über Austrofaschismus: Der österreichische Faschismus | |
> In Wien informiert derzeit eine Ausstellung über die Zerstörung der | |
> Demokratie und die Etablierung eines Ständestaats um 1930 in der | |
> Alpenrepublik. | |
Bild: Absperrungen an der Zweierlinie beim Wiener Volkstheater am 1. Mai 1933 | |
Selbstausschaltung des Parlaments“, hieß es im März 1933 in Österreich. | |
Lange Jahre wurde auch an den Schulen gelehrt, dass der autoritäre | |
Ständestaat – „Austrofaschismus“ nannten ihn nur die Linken – eine qua… | |
natürliche Konsequenz aus dem Versagen der demokratischen Institutionen | |
gewesen sei. | |
Die Ausstellung „Die Zerstörung der Demokratie“ in der Wiener | |
Rathausbibliothek erzählt jetzt die andere Geschichte: wie Österreich | |
bereits vor dem Anschluss an Nazi-Deutschland die autoritäre Wende vollzog | |
und in einen Bürgerkrieg schlitterte. | |
Die Weltwirtschaftskrise und die Massenarbeitslosigkeit ab 1929 hatten die | |
demokratischen Institutionen bereits zermürbt. Ein Putschversuch der | |
rechten paramiliärischen Heimwehren unter Walter Pfrimer im September 1931 | |
scheiterte zwar, doch rechtsextreme Kräfte waren im Aufwind. | |
## Stimmen für die NSDAP | |
Die auch in Österreich agierende NSDAP, seit den Wahlen 1930 mit 3 Prozent | |
der Stimmen eine marginale Kraft im Parlament, erreichte 1932 bei | |
Landtagswahlen in Wien, Niederösterreich und Salzburg plötzlich | |
zweistellige Ergebnisse von bis zu 20 Prozent. | |
Die Sozialdemokraten, noch stärkste Partei im Parlament, sahen mit großer | |
Sorge, was sich in Deutschland anbahnte. Sie versuchten vergeblich, den | |
Christlichsozialen eine gemeinsame Front gegen die Nazis in Österreich | |
anzubieten. Doch die hatten andere Pläne. Welche, zeigt die jetzige | |
Ausstellung im Wiener Rathaus. | |
Sie dokumentiert das Handeln der wichtigen historischen Protagonisten, wie | |
die Demokratie Schritt für Schritt in eine Diktatur umgestaltet wurde. | |
Österreichs damaliger Bundeskanzler Engelbert Dollfuß lauerte spätestens ab | |
Herbst 1932 auf die Gelegenheit, das Parlament auszuschalten, so Bernhard | |
Hachleitner, einer der Kuratoren der Ausstellung. | |
Das Parlament wurde am 4. März 1933 gezielt in eine Geschäftsordnungskrise | |
hineinmanövriert und von der Polizei daran gehindert, seine Sitzung | |
verfassungsgemäß zu beenden. | |
## Masterplan für den Putsch | |
Hachleitner glaubt nicht an einen Masterplan für den Putsch. Doch sehr | |
schnell ließen die Austrofaschisten die demokratischen Institutionen per | |
Notverordnung ausschalten. Zuerst den Verfassungsgerichtshof, der die | |
antidemokratischen Verordnungen nicht toleriert hätte. Autoritäre | |
Regimewechsler, sagt Co-Kurator Werner Michael Schwarz, würden sich immer | |
zuerst Verfassung und rechtsstaatliche Justiz vornehmen. | |
Die katholische Kirche unter Kardinal Theodor Innitzer applaudierte, als | |
der Erlass des sozialdemokratischen Reformpädagogen Otto Glöckel im April | |
1933 aufgehoben wurde. Der hatte die Schulkinder „vom Zwang zur Teilnahme | |
an religiösen Übungen“ befreit. Glöckel selbst wurde während des kurzen | |
Bürgerkrieges im Februar 1934 in seinem Arbeitszimmer verhaftet und erst im | |
Oktober auf internationalen Druck freigelassen. Er starb kurz darauf. | |
[1][Engelbert Dollfuß], der im Juli 1934 bei einem Putschversuch der am | |
Deutschen Reich und Hitler orientierten Nationalsozialisten ermordet wurde, | |
propagierte eine Gesellschaftsvision, die vor die Französische Revolution | |
zurückging. In einer „Geschichtslektion“, die er im April 1933 vor dem | |
Katholischen Männerverein hielt, schwärmte er von der Zeit unter der | |
katholischen Herrscherin Maria Theresia, als noch kaum jemand in Frage | |
stellte, dass nicht alle Menschen gleiche Rechte genießen sollten. | |
Seinen Ständestaat errichtete er nach diesem Vorbild und definierte ihn als | |
„christlich, deutsch und bodenständig“. Kardinal Innitzer feierte dann auf | |
dem Deutschen Katholikentag im September 1933 die enge Verbindung zwischen | |
Kirche und autoritärer Regierung. | |
Maiaufmärsche der linken Arbeiterbewegung wurden verboten, wenig später das | |
Streikrecht unterbunden, Sozialdemokraten und Kommunisten in den Untergrund | |
gedrängt. Wahlen wurden abgeschafft, Zensur und Todesstrafe wieder | |
eingeführt. | |
## Gnadenlos gegen arme Delinquenten | |
Justizminister Kurt Schuschnigg, der Dollfuß als Kanzler folgte (und wenige | |
Jahre später von Hitler zum Rücktritt gezwungen wurde), zeigte sich | |
besonders gnadenlos gegen mittellose Rechtsbrecher. Außenpolitische | |
Schützenhilfe gegen Hitler erhoffte man sich von dessen Rivalen im | |
faschistischen Italien. | |
„Ich wußte seit jenen Tagen in Wien, daß Österreich verloren war“, wird | |
Schriftsteller Stefan Zweig auf einer Schautafel zitiert, „freilich ahnte | |
ich noch nicht, wieviel ich damit verlor.“ Nachdem die Polizei im Februar | |
1934 sein Haus nach Waffen des linken Republikanischen Schutzbundes | |
durchsuchte, verließ der pazifistische Autor das Land und ging ins Exil. | |
Zweig sollte nicht zurückkehren. | |
28 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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