# taz.de -- Indien nutzt G20-Treffen in Kaschmir: Konfliktregion als Tourismusg… | |
> Indien nutzt seinen G20-Vorsitz für ein Tourismustreffen in Kaschmir und | |
> wirbt für den dortigen Fremdenverkehr samt seiner harten Politik. | |
Bild: Indische Paramilitärs kontrollieren an einer Straßensperre in Srinagar … | |
SRINAGAR taz | Hinten erheben sich die Berge des Himalajas, vorn | |
patrouillieren Paramilitärs mit Booten und Fahrzeugen. Zudem säumen im | |
nordindischen Srinagar Plakate von Premierminister Narendra Modi (BJP) das | |
Stadtbild. „Paradies auf Erden“ wird Kaschmir genannt, in diesen Tagen | |
sogar wieder öfter, obwohl die Sicherheitsvorkehrungen verschärft wurden. | |
Monatelang hatte Indiens Regierung ein Treffen vorbereitet, zu dem sie im | |
Rahmen ihrer Präsidentschaft der Gruppe der führenden Industrie- und | |
Schwellenländer (G20) auch deren Tourismus-AG nach Srinagar eingeladen | |
hatte, der Sommerhauptstadt des von Indien kontrollierten Teils von | |
Kaschmir. | |
Unter den über 200 Veranstaltungen von Indiens G20-Vorsitz stechen zwei | |
hervor: Das Technologietreffen im nordöstlichen Bundesstaat Arunachal | |
Pradesh Ende März, das China wegen seiner eigenen Ansprüche auf „Südtibet�… | |
absagte, und das Treffen in der ersten Hälfte dieser Woche in Srinagar. | |
Beide Treffen wurden wegen der umstrittenen Ortswahl von Indiens Nachbarn | |
kritisiert, Srinagar vor allem vom Rivalen Pakistan, mit dem Indien seit | |
1948 um Kaschmir streitet. Peking kam die Kritik an Indien gelegen, worauf | |
sich China Islamabad anschloss. „Wir lehnen jede Form von G20-Treffen in | |
umstrittenen Gebieten ab“, erklärte Chinas Außenministerium. | |
## Kleines Treffen, großer Konflikt | |
Zweifellos wollte Delhi mit dem Treffen zeigen, dass es die Konfliktregion | |
kontrolliert. Knapp 60 ausländische Delegierte aus fast 30 Ländern kamen | |
nach Kaschmir. Von der G20 blieben auch die Türkei und Saudi-Arabien fern. | |
Riad schickte immerhin noch Tourismusvertreter. | |
Doch fehlten auch der Oman und Ägypten. Sie erklärten sich solidarisch mit | |
Pakistan, das Indien unterstellt, seine G20-Präsidentschaft zu | |
„missbrauchen“. Im vom Pakistan kontrollierten Teil Kaschmirs wurde gegen | |
G20 protestiert. | |
Die Spannungen mit Pakistan waren ein Grund für die vielen | |
Sicherheitsmaßnahmen. Dabei war das Treffen die erste internationale | |
Großveranstaltung in der umstrittenen Region seit Delhi im August 2019 dem | |
indischen Teil Kaschmirs die Teilautonomie entzogen hatte. | |
Heute ist der Bundesstaat in die Unionsterritorien Jammu & Kaschmir sowie | |
Ladakh geteilt und Delhi direkt unterstellt. Kaschmirs Gouverneur Manoj | |
Sinha (BJP) hob denn auch die positiven Veränderungen der letztem Jahre | |
hervor. Die Region habe 30 Jahre lang unter dem von Pakistan staatlich | |
geförderten Terrorismus gelitten. Die Modi-Regierung habe eine neue Ära des | |
Friedens und des Wachstums eingeläutet, so Sinha. Nicht alle in Kaschmir | |
teilen diese Meinung. | |
## In Kaschmir arrangieren sich viele mit der Situation | |
Zwar ist Modi mit seinen vielen Plakaten omnipräsent. Doch die muslimische | |
Bevölkerungsmehrheit fühlt sich von seiner hindunationalistischen Partei | |
BJP nicht repräsentiert. Das sagen nur wenige laut, die meisten arrangieren | |
sich mit der Situation. Viele stimmt optimistisch, dass der Tourismus | |
wieder anzieht. | |
Letztes Jahr kamen 18 Millionen Besuchende nach Kaschmir. Zwar ist auch | |
hier die Landwirtschaft der größte Arbeitgeber, doch viele sehen im | |
Tourismus ein Potenzial. Das Treffen in Srinagar soll nicht nur Indiens | |
geografische Vielfalt betonten, sondern auch den lokalen Tourismus stärken. | |
„Unser Ziel ist es, den Filmtourismus nicht nur in Kaschmir, sondern in | |
ganz Indien wiederzubeleben“, erklärte Tourismusminister Kishan Reddy (BJP) | |
auf dem Gipfel. Über 300 Filmdrehgenehmigungen seien jüngst in Kaschmir | |
ausgestellt worden. Die Region, die einst oft in indischen Filmen zu sehen | |
war, kehrt langsam wieder zurück. | |
Das Treffen fiel jetzt sogar in die Hauptsaison. Langjährige Reisewarnungen | |
westlicher Ländern, darunter Deutschland, schrecken nicht ab. Denn im | |
restlichen Indien übersteigen die Temperaturen bei der gegenwärtigen | |
Hitzewelle schon einmal die Marke von 40 Grad. | |
## Tourismus gab es in Kaschmir schon immer | |
„Mit dieser Veranstaltung können wir zeigen, was wir trotz schwieriger | |
Zeiten erreicht haben. Den Tourismus hat es hier immer gegeben“, sagt | |
Monika Rathore, die aus dem hinduistisch geprägten Jammu nach Srinagar kam. | |
Ein Besuch, der nach acht Jahren Pause wieder häufiger werden soll. | |
Vor ein paar Jahren hatte sie einen Molkereibetrieb aufgebaut und wurde als | |
Unternehmerin eingeladen. Die gewaltsamen Konflikte über den Status der | |
Region hätten diese fast zum Stillstand gebracht, sagt sie, doch spüre sie | |
die Veränderung. Mittlerweile gebe es bessere Straßen, Krankenhäuser und | |
Verbindungen in die Winterhauptstadt Jammu. Vielleicht gibt es bei dem | |
G20-Treffen wenigstens eine Empfehlung für nachhaltigen Tourismus. | |
24 May 2023 | |
## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
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