# taz.de -- Zugunglück in Indien: Regierung spricht von Signalstörung | |
> Nach dem Zusammenprall mehrerer Züge in Indien scheint ein technischer | |
> Fehler wahrscheinlich. Doch Indiens Opposition stellt weitere Fragen. | |
Bild: Der betroffene Bahnabschnitt in Balasore, Indien, am Samstag nach dem Ung… | |
Mumbai taz | Übereinandergestapelte, teils kopfüber liegende Zugwaggons | |
sind auf dem Gleisabschnitt im ostindischen Balasore zu sehen. So schwer | |
war der Zusammenstoß, der sich am Freitagabend auf der viel befahrenen | |
Strecke ereignete. Unter den Wracks sind drei verschiedene Modelle zu | |
erkennen, zwei davon sind Personenzüge. Es ist der Schauplatz des | |
tödlichsten [1][Zugunglücks in Indien] seit mehreren Jahrzehnten. | |
Mindestens 288 Menschen kamen nach offiziellen Angaben ums Leben. Etwa | |
eintausend Personen wurden verletzt. | |
„Als wir am Unglücksort eintrafen, war es dunkel. Wir hörten Hilferufe, | |
Kinder weinten“, erzählt Swastikant Rao. „Einige Menschen waren bewusstlos, | |
andere mussten von tief unten aus den Trümmern gezogen werden. Bei manchen | |
hingen Gliedmaßen aus den offenen Fenstern der Waggons“, sagt der | |
34-Jährige der taz am Telefon. Rao hatte einen Anruf erhalten und war einer | |
der Freiwilligen der lokalen Hilfsorganisation Sakhyam Foundation, die als | |
Erste Helfer vor Ort brachte. Später trafen auch Einsatzkräfte des | |
Katastrophenschutzes, der Feuerwehr und der Luftwaffe ein. | |
Während die Leichen an der Unglücksstelle mittlerweile geborgen sind, | |
gingen die Aufräumarbeiten am Sonntag weiter. Indiens | |
[2][Premierminister Narendra Modi (BJP)] eilte noch am Samstag zur | |
Unglücksstelle und sprach von einem „schmerzlichen Vorfall“. „Die | |
Schuldigen werden hart bestraft“, sagte Modi nach dem Besuch eines | |
Krankenhauses in Balasore, in dem verletzte Passagiere behandelt werden. | |
Die Angehörigen von Verstorbenen sollen nun von der Regierung eine | |
Entschädigung von umgerechnet rund 11.000 Euro erhalten, Schwerverletze das | |
Doppelte. | |
Die indische Eisenbahn spricht von einer „Signalstörung“ als Auslöser, es | |
habe ein Problem mit einem elektrischen Stellwerk gegeben. Eine | |
Bahnmanagerin sagte am Sonntag, die vorläufigen Untersuchungen hätten | |
ergeben, dass der Schnellzug Coromandel Express zunächst das Signal für | |
eine Weiterfahrt auf dem Hauptgleis erhalten habe. | |
## Sorge vor noch höherer Totenzahl | |
Das Signal sei aber später geändert worden und der Zug sei stattdessen in | |
eine angrenzende Schleife eingefahren, wo er einen mit Eisenerz beladenen | |
Güterzug rammte. Durch die Wucht wurden die Wagen des Coromandel Express | |
auf ein benachbartes Gleis geschleudert, wodurch der aus der anderen | |
Richtung kommende Yesvantpur-Howrah Express ebenfalls entgleiste. Die | |
Personenzüge fuhren der Bahnmanagerin zufolge nicht mit überhöhter | |
Geschwindigkeit. | |
„Wir haben die Ursache des Vorfalls und die Verantwortlichen gefunden“, | |
erklärte auch Indiens Eisenbahnminister Ashwini Vaishnaw (BJP) gegenüber | |
Medien. Der Ruf nach seinem Rücktritt ist dennoch laut. Die Opposition | |
fragt, warum auf der Strecke das automatische Zugsicherungssystem Kavach | |
noch nicht installiert worden ist. Dieses hätte die Folgen des Unglücks | |
wohl mildern, wenn nicht gar den Unfall gänzlich verhindern können. | |
Bei der Geschwindigkeit des Aufpralls hätte kein Warnsystem geholfen, | |
erklärte dagegen Jaya Verma Sinha, Mitglied des Eisenbahnvorstands. Die | |
Eisenbahn stand aufgrund von Mängeln ohnehin bereits in der Kritik. In den | |
vergangenen Jahren hatte es Abstriche bei der Sicherheit gegeben, zudem | |
bleiben viele Stellen unbesetzt. | |
Nach dem Unglück fielen am Wochenende zahlreiche Zugverbindungen zwischen | |
Ost- und Südindien aus. Die Reparatur der Strecke ist im Gange. Vor Ort ist | |
nun die Sorge groß, dass die Zahl der Todesopfer noch weiter steigt. Für | |
die Behörden ist es zudem nicht einfach, die Toten zu identifizieren, da | |
sich in dem Zug viele Wanderarbeiter befanden. Sie waren auf der Reise vom | |
ärmeren Ostindien in den Süden des Landes. Ihre Namen sind größtenteils | |
nicht dokumentiert. | |
„Es hat mich Kraft gekostet, Menschen in so großer Not zu sehen“, sagt | |
Sozialarbeiter Swastikant Rao. Er ist nun damit beschäftigt, Betroffene im | |
Krankenhaus mit Lebensmitteln und Trinkwasser zu versorgen. „Wir stehen das | |
gemeinsam durch“, hofft er. Hilfe komme aus dem ganzen Land. Dennoch hat | |
ihn, wie viele andere auch, das Ausmaß dieser Katastrophe überwältigt. | |
Mitarbeit: Mona Thakka | |
4 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
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