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# taz.de -- Proteste indischer Ringerinnen: Die Medaillen fliegen in den Ganges
> Indische Sportlerinnen werfen dem Ringerverband sexuelle Belästigung
> junger Frauen vor. Ihr Protest wurde von der Polizei gewaltsam aufgelöst.
Bild: Die Ringerin Vinesh Phogat soll von der Polizei festgenommen werden, 28. …
Mumbai taz | An den Händen und Füßen halten sechs Polizistinnen eine junge
Frau fest. Sie kann kaum atmen. „Was haben wir getan?“, fragt die indische
Ringerin Sakshi Malik unter größter Anstrengung. Kurz darauf wird sie in
einen Bus verfrachtet.
Sie ist an diesem Tag nicht die einzige Frau, die mit Gewalt abgeführt
wird. Sie war zur Eröffnung des neuen Parlaments in die Hauptstadt Delhi
gekommen, um zu demonstrieren. Es geht um den [1][Vorwurf], dass indische
[2][Ringerinnen] durch Mitarbeiter ihres eigenen Verbandes sexuell
misshandelt wurden.
Am Tag der Einweihung des neuen Parlaments wollten die jungen Frauen nicht
einfach auf dem vorgesehenen Protestplatz sitzen. Schließlich tragen sie
schwerwiegende Vorwürfe vor: Der 66-jährige Verbandschef Brij Bhushan Singh
soll junge Sportlerinnen sexuell genötigt und ihnen Sponsorengelder
vorenthalten haben. Der einflussreiche Funktionär und Politiker, der
Mitglied der Regierungspartei BJP ist, hat die Vorwürfe aber bisher
erfolgreich zurückgewiesen.
Während der indische Premierminister Narendra Modi (BJP) eine feierliche
Zeremonie mit Hindu-Preistern abhielt, saß Brij Bhushan Singh im Innern des
Prachtgebäudes.
## Regierung setzt auf Härte
Doch draußen wurden die Sportlerinnen gewaltsam weggezerrt und kurzzeitig
verhaftet. Es sind Bilder, die viele Menschen in Indien empören. „Als
Sportlerin, aber mehr noch als Frau ist es zu hart, das mit anzusehen“,
äußerte sich beispielsweise die erfolgreiche Tennisspielerin Sania Mirza.
„Sie haben unserem Land Lorbeeren eingebracht und wir haben sie alle
gefeiert.“ Andere Sportgrößen wie Abhinav A. Bindra oder der ehemalige
Cricketer Irfan Pathan schlossen sich ihr an.
Malik bedankte sich später auf Twitter für die Unterstützung. Zu Ende sei
ihre Bewegung aber nicht, verkündete sie Anfang der Woche. „Die Polizei
Delhis hat sieben Tage gebraucht, um ein Verfahren gegen Brij Bhushan
einzuleiten, der Ringerinnen sexuell missbraucht hat, und es hat nicht
einmal sieben Stunden gedauert, um einen Fall gegen uns zu eröffnen“,
empört sich die 30-jährige Malik.
In der [3][Bevölkerung] wächst die Unterstützung für die protestierenden
Frauen. Viele Oppositionspolitiker:innen haben sich bereits mit
ihnen solidarisiert. Doch die BJP-Regierung scheint entschlossen, hart zu
bleiben: Inzwischen hat die Polizei Delhis gegen die Ringerinnen Anklage
erhoben, unter anderem wegen Ruhestörung. Auf dem Jantar Mantar, dem
offiziellen Protestplatz in Delhi, werden die Sportlerinnen nur noch mit
spezieller Erlaubnis geduldet.
Lange war es um sie dort weitgehend friedlich gewesen, bis sie sich in der
letzten Aprilwoche wieder versammelt haben. Ohne Gerechtigkeit wollen sie
diesmal nicht nach Hause gehen. Anfang des Jahres gab es schon einmal
Proteste der Ringerinnen. Sie hatten einen offenen Brief an das Olympische
Komitee Indiens (IOA) geschickt. Vor allem forderten sie dort, dass sich
die IOA neue aufstellt und künftig Athlet:innen in die Entscheidungen
eingebunden werden. Die Sportler:innen erhielten das Versprechen, dass
ein Komitee die Vorwürfe aufklären würde. Seither hat sich nicht viel
getan, sagen die Ringerinnen jetzt. Deshalb sind sie wieder auf den
Protestplatz gezogen.
Erst vier Monate nach Beginn der Proteste wies das Oberste Gericht die
Polizei von Delhi an, ein Ermittlungsverfahren gegen Brij Bhushan
einzuleiten. „Was nützen die Medaillen um unseren Hals, wenn wir nicht für
Gerechtigkeit kämpfen können?“, fragte die 28-jährige Ringerin Vinesh
Phogat mehrmals. Wie viele andere Frauen musste sie all die Jahre
stillschweigend wegen eines Mannes leiden. Warum Brij Bhushan geschützt
werde, wisse niemand, sagen die Frauen. Der Frust unter den Ringerinnen
ist mittlerweile so groß, dass sie am Dienstag verkündeten, ihre Medaillen
in den heiligen Fluss Ganges werfen zu wollen.
30 May 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Natalie Mayroth
## TAGS
Ringen
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Sexuelle Gewalt
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