Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Sexualisierte Gewalt in Indien: Tödliche Übergriffe auf Frauen
> Ein schockierendes Video aus Manipur zeigt brutale Übergriffe mit
> Todesfolge. Indiens Premier Modi bricht jetzt sein wochenlanges
> Schweigen.
Bild: Student:innen und Aktivist:innen in Neu-Delhi demonstrieren gegen die eth…
Berlin taz | Seit dem 3. Mai kommt es in Indiens nordöstlichem Bundesstaat
Manipur zu tödlicher [1][ethnischer Gewalt]. Doch erst jetzt scheint
aufgrund eines schockierenden Videos vielen Menschen klar zu werden, wie
brutal, entwürdigend und frauenverachtend diese Eskalation im Staat an der
Grenze zu Myanmar ist. Erstmals hat sich nach mehr als zweimonatigem
Schweigen dazu jetzt auch Indiens Regierungschef Narendra Modi geäußert.
Der 26-Sekunden-Clip zeigt einen Mob von mehrerer Dutzend mit Stöcken
bewaffneter Männer der Meitei-Ethnie, wie sie zwei nackte und um Gnade
flehende Frauen der Kuki-Minderheit auf ein Reisfeld treiben. Dabei werden
die Frauen begrapscht und misshandelt.
Auf dem Feld soll die 21-jährige Tochter anschließend von mehreren Männern
vergewaltigt worden sein. Zuvor soll das betroffene Kuki-Dorf angezündet
und der Mann ihrer 42-jährigen Mutter sowie eine andere Person von dem Mob
getötet worden sein, heißt es in der Anzeige der Überlebenden bei der
Polizei, über die mehrere Medien berichten. Ihre Kuki-Gruppe sei dann
zunächst von der Polizei begleitet worden, die sie dann aber dem Meitei-Mob
überlassen habe.
Das Video, dessen Authentizität bisher nicht in Frage gestellt wird, soll
Vorgänge vom 4. Mai in einem Dorf rund 40 Kilometer von Manipurs Hauptstadt
Imphal entfernt zeigen. Veröffentlicht hat das das Video [2][Indigenous
Tribal Leaders' Forum (ITLF)], ein im letzten Jahr gegründetes Bündnis von
ethnischer Minderheiten in Manipur, am Mittwoch.
## Bereits mehr als 130 Tote
Die Regierung hatte auf die ethnische Gewalt, bei der inzwischen mehr als
130 Menschen, meist überwiegend christliche Kuki von überwiegend
hinduistischen Meitei getötet und rund 50.000 vertrieben worden sein
sollen, mit einer massiven Aufstockung der Sicherheitskräfte in Manipur
reagiert.
Ergänzt wurde dies von einer dortigen Sperrung sozialer Netzwerke sowie von
Internetblockaden. Auch jetzt erging die Anordnung, das Video von ITLF
nicht zu zeigen.
Indiens seit 2014 amtierender Premierminister Narendra Modi von der
hindunationalistischen Volkspartei (BJP), der normalerweise keine
Interviews gibt, sondern nur noch twittert, erklärte vor Beginn einer
Parlamentssitzung in Delhi am Donnerstag zu dem Video gegenüber
Journalisten: „Mein Herz ist voller Trauer und Wut. Der Vorfall in Manipur
ist eine Schande für jede Zivilgesellschaft.“
Modi war zuvor wochenlang von Politikern der Opposition und aus Manipur
vergeblich gedrängt worden, mäßigend auf den Konflikt in Manipur
einzuwirken und sich für den Schutz der betroffenen Minderheit einzusetzen.
Stattdessen ließ es sich lieber bei [3][Besuchen in den USA] und Frankreich
als Staatsmann feiern. Doch auch jetzt sprach er nur über das Video, aber
nicht grundsätzlich zum Konflikt und der ethnischen Gewalt in Manipur.
„Wenn Modi zum Wahlkampf nach Manipur kommen kann, warum kann er dann jetzt
nicht dort die Menschen zur Einheit aufrufen?“ [4][twitterte der
Oppositionspolitiker Pawan Khera] von der Kongress-Partei. Ein BJP-Sprecher
sprach hingegen von einer Verschwörung, die nur darauf ziele, dem Ansehen
Indiens und Manipurs zu schaden.
## „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“
Dessen Ministerpräsident N. Biren Singh, ein Meitei und
hindunationalistischer Parteikollege Modis, bezeichnete die im Video
gezeigte Gewalt gegen die beiden Frauen als „Verbrechen gegen die
Menschlichkeit“. Er versprach eine umfassende Untersuchung und forderte
eine harte Bestrafung der Täter. Oppositionspolitiker fordern inzwischen
Singhs Rücktritt.
Menschenrechtler werfen ihm vor, durch Stellungnahmen die Gewalt gegen Kuki
angeheizt zu haben. So soll er sich sehr abfällig über Flüchtlinge aus
Myanmar aus dessen angrenzenden Chin-Staat geäußert haben. Die Chin sind
ethnisch mit den Kuki verwandt und werden von dort gegen den Willen der
Regierung in Delhi unterstützt.
Nach Aussage der Familien der im Video gezeigten Frauen gegenüber dem
[5][Sender al-Dschasira] hatten sie am 18. Mai Anzeige bei der Polizei
erstattet, doch sei diese erst aktiv worden, nachdem in dieser Woche das
Video Aufmerksamkeit auf den Fall gelenkt habe. Inzwischen nahm die Polizei
vier Männer fest und verhörte etliche weitere.
Das Video führte inzwischen zu empörten Protesten in mehreren Regionen
Indiens. So blockierten etwa in Chennai (Tamil Nadu), Studierende aus
Manipur am Freitag Bahngleise. Am gleichen Tag zogen mit Stöcken bewaffnete
vermummte Frauen in Manipur vor das Haus eines der im Video gezeigten
gewalttätigen Männer und zündeten es an. Ein entsprechendes [6][Video]
zeigte die Agentur PTI in einem Tweet.
## Es geht um Privilegien von Minderheiten
Der Konflikt zwischen den indigenen Stämmen der Naga und Kuki und den
Meitei, die meist im Tal von Manipurs Hauptstadt Imphal leben, war nach
einem Gerichtsurteil entbrannt. Danach sollen jetzt auch die Meitei einen
besonderen Minderheitenstatus erhalten. Seit zwei Jahrzehnten fordern sie,
in die Liste „geschützter Stämme“ aufgenommen zu werden, der ihnen
Privilegien wie etwa Quoten bei Regierungsposten und Hochschulplätzen, aber
auch Zugang zu Waldgebieten verschaffen würde.
Die Kuki, die zu den bisher anerkannten Stämmen gehören, fürchten die
Souveränität über ihr angestammtes Land zu verlieren, wenn dies künftig
auch von Meitei erworben werden kann. Als die Kuki Anfang Mai mit einer
großen Demonstration protestierten, kam es zu Ausschreitungen. Seitdem
eskalierte die Gewalt. Inzwischen haben sich die verfeindeten Ethnien
teilweise in „ihren“ Gebieten verschanzt und Bürgerwehren organisiert.
21 Jul 2023
## LINKS
[1] /Gewalt-im-Nordosten-von-Indien/!5930230
[2] https://www.itlfmediacell.com/condemnation-19-july-2023/
[3] /Umstrittener-Staatsbesuch-in-den-USA/!5942674
[4] https://twitter.com/PTI_News/status/1682348412086149125
[5] https://www.aljazeera.com/news/2023/7/20/outrage-in-india-over-video-of-man…
[6] https://twitter.com/PTI_News/status/1682285223696891906
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
Indien
Sexuelle Gewalt
Narendra Modi
BJP
GNS
Sexuelle Gewalt
Indien
Indien
Indien
Indien
Ringen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Debatte nach Vergewaltigung einer Ärztin: Warum Indien?
Nach der Vergewaltigung einer Ärztin ist das Land in Aufruhr. Warum gibt es
so viel sexualisierte Gewalt in Indien? Drei Gründe stechen heraus.
G20-Gipfel in Indien: Faule Kompromisse
Das Interesse an Indien als wirtschaftlichem Partner ist im Westen sehr
groß. Dass dort Frauenrechte und Demokratie verletzt werden, nimmt man hin.
Kampf der Opposition in Indien: Rahul Gandhi kehrt zurück
Indiens Oppositionsführer Rahul Gandhi bekommt durch ein Gerichtsurteil
sein Parlamentsmandat vorerst zurück – kurz vor einem Misstrauensvotum.
USA empfangen Indiens Premierminister: Diplomatie und Drohnenkäufe
Beim Besuch von Indiens Premier Modi in den USA stehen Militärkooperationen
im Vordergrund. Die USA versuchen, Indien enger an den Westen zu binden.
Zugunglück in Indien: Regierung spricht von Signalstörung
Nach dem Zusammenprall mehrerer Züge in Indien scheint ein technischer
Fehler wahrscheinlich. Doch Indiens Opposition stellt weitere Fragen.
Proteste indischer Ringerinnen: Die Medaillen fliegen in den Ganges
Indische Sportlerinnen werfen dem Ringerverband sexuelle Belästigung junger
Frauen vor. Ihr Protest wurde von der Polizei gewaltsam aufgelöst.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.