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# taz.de -- Neuer Vampirfilm mit Nicolas Cage: Stell dich deinem Dämon
> Die Horrorkomödie „Renfield“ widmet sich dem Diener von Graf Dracula. Er
> will sich aus der toxischen Beziehung zu seinem narzisstischen Herrn
> lösen.
Bild: Der gute alte Dracula, hier dargestellt von Nicolas Cage
Über den schillernden Vampir – gerade über den erlauchten [1][Graf Dracula,
die wohl berühmteste Nachtgestalt] – wurden bereits viele Worte verloren,
Filme gedreht und Serien produziert. Aber wer sind eigentlich seine
Gehilfen? Die, die sich anders als er in die Sonne wagen können, dort seine
Geschäfte – oder schlicht das nächste „Opfer“ – organisieren und sich…
die Hände schmutzig machen müssen?
In Bram Stokers kanonischem Roman „Dracula“ ist Renfield sein loyalster
Diener. Und gleichsam einer, der über dieses Dienen verrückt geworden ist.
Als Insasse einer Irrenanstalt verspeist er Insekten in der Hoffnung, sich
ihre Lebenskraft zu eigen machen zu können. In der Überzeugung, dass es der
Ursprung des ewigen Lebens sei, beginnt er später schließlich Blut zu
trinken.
## Gehilfe leidet unter „Co-Abhängigkeit“
Nach der tragischen Figur, die in Filmadaptionen etwa von Dwight Frye,
Klaus Kinski und Tom Waits porträtiert wurde, ist das „Renfield-Syndrom“,
als ein anderer Ausdruck für klinischen Vampirismus – das zwanghafte
Bedürfnis, Blut zu trinken – benannt. Regisseur Chris McKay („The Lego
Batman Movie“) und Drehbuchautor Ryan Ridley („Community“) rücken den
Diener Draculas nun ins Zentrum der Aufmerksamkeit, und nähern sich ihm
dabei ebenfalls über eine psychische Störung.
Allerdings über eine, die dem leichtherzigen Ton einer Horrorkomödie, als
die sich ihr Film versteht, angemessener ist: Der titelgebende „Renfield“,
gespielt von einem Nicholas Hoult, dessen Aufzug stark an die Frontsänger
großer Emo-Bands der 2000er Jahre, wie My Chemical Romance, erinnert,
leidet unter seiner „Co-Abhängigkeit“ – und zwar vom Fürsten der Finste…
persönlich.
## Ein manipulativer dracula
Mit einem Augenzwinkern greift der Film damit die gerade in den sozialen
Medien boomende, in TikTok-Clips, Instagram-Beiträgen, kostenlosen
Persönlichkeitstests und Beziehungs-Podcasts oft auf das Niveau bloßer
Küchentischpsychologie verkürzte „Bindungstheorie“ auf. Die verschiedenen
Bindungsstile sollen Aufschluss darüber geben, wie man sich in
zwischenmenschlichen, oftmals romantischen Beziehungen verhält.
Wie die toxische, wenn auch platonische Beziehung aussieht, die Renfield zu
seinem Herrn unterhält, verdeutlicht ein rasanter Rückblick zu Beginn des
Films: Dracula wird wieder einmal von Vampirjägern heimgesucht. Gerade ist
es ihnen gelungen, den Blutsauger in einem Schutzkreis zu bannen, als
Renfield den Saal betritt. Während ihn die Verfolger beschwören, sich ihnen
anzuschließen, setzt Dracula unmittelbar zur Manipulation an: „Ich bin
deine einzige Rettung. Ich bin dein einziger Freund. Ich bin der Einzige.
Der Einzige, der sich um dich kümmert“, mahnt er seinen treuen Diener mit
einem höhnischen Lächeln, wohl wissend dass er damit die exakte
Schwachstelle von Menschen trifft, die sich in Beziehungen zuerst nach
Bestätigung sehnen.
Und es funktioniert: Renfield durchbricht den Kreis galant mit einem
Pantoffel, woraufhin sein Herr grausame Rache an seinen Kontrahenten nimmt.
## Affektiertheit und Eleganz
Die außergewöhnliche Prämisse ist die wohl größte Stärke des Films. Nicol…
Cage in der Rolle des Grafen Dracula erweist sich dabei unerwartet als
enorme Bereicherung. Die Besetzung des Schauspielers, der nach seinem
Karrierehöhepunkt in den Neunzigern immer wieder durch zweifelhafte
Auftritte in anspruchsfreien Actionstreifen in Erscheinung tritt und ein
charmantes Potenzial zur [2][Selbstironie erwies, als er sich in der
Komödie „Massive Talent“ selbst spielte], passt zum scherzhaft-spöttischen
Ton, der den Film durchzieht.
Überraschenderweise mimt Nicolas Cage den Fürsten der Finsternis, der bei
der Attacke durch Sonnenlicht schwere Verbrennungen erlitt und sich über
die knappe Spielzeit von 93 Minuten erst nach und nach wieder herstellt –
aber auch qua eines gelb verfärbten Gebisses aus angespitzten Zähnen nicht
gerade durch Ansehnlichkeit besticht –, mit einer einnehmenden Mischung aus
Affektiertheit und Eleganz. Leider weiß „Renfield“ weder das Potenzial des
vielversprechenden Ausgangspunkts noch sein überzeugendes Casting richtig
auszuschöpfen und verliert sich bald in einem stumpfen Krimiplot.
## Chance zur Weltherrschaft
Renfield nimmt an der Selbsthilfegruppe „Dependent Relationship: Anonymous
Addiction Group“ teil, um die nächsten Opfer für seinen Herrn auszuwählen.
Er hört sich die Geschichten seiner Leidensgenossen an, um ihre Peiniger
ausfindig zu machen. Er wählt also andere Monster, um damit sein eigenes zu
füttern.
Dabei gerät er unversehens zwischen die Fronten einer Mafiafamilie,
insbesondere den zur Prahlerei neigenden, letztlich aber unfähigen Sohn der
Anführerin Bellafrancesca Lobo, und der Polizistin Rebecca Quincy, die sie
als einzige nicht korrupte Ermittlerin New Orleans dingfest machen will.
Während sich zwischen Renfield und Rebecca ein Flirt anbahnt, sieht Dracula
in der Familie seine Chance zur Weltherrschaft gekommen.
## Ein „empowernder“ Beziehungstipp
Die Beziehung zwischen Renfield und Dracula selbst gerät bis zum großen
Finale so zusehends ins Hintertreffen und wird bald von einer
Aneinanderreihung überaus blutiger, absurd gewalttätiger Kampfszenen
verdrängt. Dank eines launigen Soundtracks und einer dynamischen
Inszenierung gestaltet sich das über weite Strecken immerhin unterhaltsam.
Echten Biss entwickelt „Renfield“ so allerdings nicht, echte Spuren wird er
keine hinterlassen. Höchstens einen weiteren „empowernden“ Beziehungstipp:
Auch Co-Abhängige sind zu Großem fähig, wenn sie sich endlich ihrem Dämon
stellen.
23 May 2023
## LINKS
[1] /Nachruf-auf-Christopher-Lee/!5203567
[2] /Meta-Komoedie-mit-Nicolas-Cage/!5858265
## AUTOREN
Arabella Wintermayr
## TAGS
Horrorfilm
Kino
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Schauspiel
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Spielfilm
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