# taz.de -- Meta-Komödie mit Nicolas Cage: Schauspieler der Extreme | |
> Nicolas Cage ist ein Hollywoodstar, der auch mal miese Rollen gespielt | |
> hat. Im Film „Massive Talent“ wird das als sehenswerte Komödie erzählt. | |
Bild: Auf so bekloppte Weise cool aussehen kann auch nur Nicolas Cage: Szene au… | |
Er hat einen Oscar, in weit über 100 Filmen gespielt und steht im Ruf, der | |
Hollywoodstar mit den meisten schlechten Rollen zu sein. Nicolas Cage ist | |
ein extremer Schauspieler. Er ist zudem ein überzeugter Vertreter des | |
Method Acting, das in der von ihm modifizierten Version „Nouveau Shamanic“ | |
heißt. Er arbeitet sich auf ganz eigene Weise in seine Figuren ein. Mit dem | |
Resultat, dass er nach Kräften überzeichnet. Oder er hat diesen glasigen | |
Blick, der sich wahlweise als hundetreu oder apathisch lesen lässt. Genau | |
damit entfaltet er oft einen Charme, durch den man ihm einiges durchgehen | |
lässt. | |
Cage hatte zunächst „seriöse“ Erfolge mit exaltierten Rollen etwa in | |
[1][David Lynchs Fantasy-Roadmovie „Wild at Heart“ (1990)], dem | |
Alkoholikerdrama „Leaving Las Vegas“ (1995) von Mike Figgis, für das es den | |
Oscar gab, oder John Woos Action-Klassiker „Face/Off“ (1997). In diesem | |
Jahrtausend hingegen bekam er vor allem Parts in weniger überzeugenden | |
B-Movies, Mark Steven Johnsons „Ghost Rider“ von 2007 ist davon noch eines | |
der reizvolleren Beispiele. | |
Obwohl Cage vorübergehend zu den am höchsten bezahlten Stars in Hollywood | |
zählte, mit einem Vermögen von geschätzt 150 Millionen Dollar, hatte er | |
recht hohe Ausgaben, darunter diverse Immobilienkäufe – eine Insel nahe den | |
Bahamas und ein Schloss in der Oberpfalz gehörten dazu –, und vor allem | |
beträchtliche Steuerschulden. Um die zu begleichen, nahm er wahllos | |
Angebote an. | |
## „No! Not the bees!“ | |
Als Karrieretiefpunkt gilt seine Hauptrolle in „Wicker Man“ (2006), einem | |
Remake von Robin Hardys Horrorklassiker „The Wicker Man“ aus dem Jahr 1973. | |
Besonders eine Szene, in der Cage mit Bienen gefoltert wird und dazu laut | |
aufschreit: „No! Not the bees!“, wurde ihrer unfreiwilligen Komik wegen zum | |
gern parodierten Internet-Meme. | |
Aus dieser interessanten Darstellerpersönlichkeit hat der Regisseur Tom | |
Gormican jetzt einen Film gemacht: „Massive Talent“ ist eine Komödie, in | |
der Nicolas Cage sich selbst spielt. Und das sehr realistisch. Auch dieser | |
Nicolas Cage akzeptiert einen Auftrag nach dem anderen, er hat hohe | |
Schulden zu begleichen, ist gern überdreht. Und er will der Filmwelt | |
endlich beweisen, dass er nicht auf Dauer fürs Knallchargenfach abonniert | |
ist. | |
Zu Beginn sieht man ihn beim Lunch mit einem Regisseur. Man merkt dem | |
Film-Cage deutlich an, dass er die Hauptfigur, für die der Regisseur nach | |
dem richtigen Star sucht, sehr gern spielen würde. Film-Cage kommt mehr und | |
mehr in Fahrt, und als der Regisseur schon im Begriff ist, in sein Auto zu | |
steigen, lässt er es sich nicht nehmen, ein kurzes Vorsprechen zu | |
improvisieren. Am Gesichtsausdruck des Regisseurs, der sich höflich | |
bedankt, ist abzulesen, dass er den Film anders besetzen wird. | |
Sobald Film-Cage mit sich allein ist, erscheint ihm sein jüngeres Ich, | |
Nicky, ebenfalls von Cage verkörpert, und erinnert ihn im nostalgischen | |
„Wild at Heart“-T-Shirt daran, dass er ein Star ist und sich verdammt noch | |
mal auch so verhalten soll. Was Film-Cage gekonnt damit kontert, die vielen | |
Rollen seien eben „Arbeit“ für ihn. Ob dies Ausdruck eines hohen | |
Arbeitsethos oder eine zur Tugend erklärte Not ist, hängt vermutlich von | |
der Perspektive ab. | |
## Ein mexikanischer Millionär als Fan | |
Die anschließende Geschichte beschränkt sich im Kern darauf, dass Film-Cage | |
recht unwillig den lukrativen Job übernimmt, bei der Geburtstagsfeier eines | |
mexikanischen Millionärs als Star zu erscheinen. Dieser undurchsichtige | |
Javier „Javi“ Gutierrez (Pedro Pascal) gibt sich als treuer | |
Nicolas-Cage-Fan zu erkennen, der ihm sogar ein Drehbuch auf den Leib | |
geschrieben hat. Film-Cage findet Gefallen an der Sache. Doch dann gibt es | |
eine Komplikation, weil ausgerechnet die CIA sich an Film-Cage klemmt, | |
damit dieser Javis geheime Waffengeschäfte aufdecken hilft. | |
Ohne Frage zählt Plausibilität nicht zu den Dingen, die das Drehbuch zu | |
„Massive Talent“ auszeichnen. Vielmehr geht es darum, Nicolas Cage im Film | |
in möglichst viele Situationen zu bringen, in denen er mit sich Scherz | |
treiben kann. | |
An Verweisen auf sein verzweigtes Schaffen fehlt es nicht. Selbst | |
[2][jüngere Höhepunkte der sonderbareren Art] wie der [3][psychedelische | |
Horrorfilm „Mandy“ (2018) von Panos Cosmatos] haben ihren Platz, in diesem | |
Fall in Gestalt einer gigantischen Kettensägenrequisite, die Javi | |
selbstredend erworben hat. | |
Nicolas Cage ist bei alledem in Hochform. Dass er sich so hinreißend selber | |
spielt, könnte man zugleich als Auskunft über die Egozentrik des realen | |
Nicolas Cage verstehen. Dem Film schadet das kein bisschen. Dieser weiß | |
über die Ichbezogenheit von Film-Cage zudem das eine oder andere zu sagen: | |
In einer gemeinsamen Therapiesitzung von Vater und Tochter wirft Letztere | |
Film-Cage vor, er zwinge sie dazu, so absurde Dinge wie den deutschen | |
Stummfilm „Das Cabinet des Dr. Caligari“ zu sehen, um ihr hinterher lange | |
Monologe zu halten. Was Film-Cage verdutzt als „miteinander drüber | |
sprechen“ charakterisiert. | |
Ein schöner Zug dieses nicht bloß für Nicolas-Cage-Fans unbedingt | |
sehenswerten Films im Film ist die Selbstverständlichkeit, mit der er die | |
anspruchsvollere Filmgeschichte zum solideren Mainstreamkino in Beziehung | |
setzt. An einer Stelle wird Film-Cage jedenfalls mit Tränen in den Augen | |
sagen: „ [4][‚Paddington 2‘] ist wirklich unglaublich gut.“ Und auch die | |
Bienen aus „Wicker Man“ sorgen für eine schöne Pointe. Man hat einfach vi… | |
Freude daran, Nicolas Cage zuzusehen, wie er mit heiligem Ernst über sich | |
lacht. | |
15 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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