| # taz.de -- „Hail, Caesar!“ auf der Berlinale: Im Zweifel hilft beichten | |
| > Die Coen-Brüder verneigen sich in „Hail, Caesar!“ vor der Dream Factory | |
| > Hollywood – mit einem großen Genre-Potpourri. | |
| Bild: Eddie Mannix (Josh Brolin) muss täglich die Klatschpresse (Tilda Swinton… | |
| Eddie Mannix findet keine Ruhe. Der Mann, der bei Capitol Pictures den | |
| Laden als Geschäftsführer zusammenhält und dabei hauptsächlich mit | |
| Konfliktmanagement beschäftigt ist – dem Vertuschen von Skandalen oder | |
| Umbesetzungen von Hauptrollen bei laufender Produktion –, rast im Auftrag | |
| des Studios von Filmset zu Filmset, von Meeting zu Meeting: Für einen | |
| unehelich schwangeren Star mit Unschuldsimage (Scarlett Johansson) muss | |
| rasch ein Ehemann gefunden werden, ein Rodeo-Held mit schwerer Zunge soll | |
| plötzlich anspruchsvolle Dialoge sprechen – und ausgerechnet in der | |
| wichtigsten Produktion, dem titelgebenden „Hail, Caesar!“, kommt | |
| unversehens der Hauptdarsteller Baird Whitlock (George Clooney) abhanden. | |
| Mannix hätte allen Grund zum hysterischen Überagieren. Doch der | |
| Chefausputzer, von Josh Brolin mit wunderbar verkniffenem Pokerface | |
| gegeben, verliert fast nie die Fassung, auch wenn um ihn herum lichterloh | |
| die Hütte brennt. Er tut, was er tun muss: irgendwie Lösungen finden. | |
| Täglich muss er die Klatschpresse hinhalten, die in Gestalt von Tilda | |
| Swinton in der Doppelrolle als konkurrierende Zwillingsreporterinnen – ein | |
| schöner Running Gag – daherkommt und mit einer Enthüllungsgeschichte über | |
| Baird Whitlock droht. Von dem fehlt zunächst noch jede Spur. | |
| Dass Mannix seinen Seelenfrieden allein in der täglichen Beichte findet, | |
| ist kein skurriles Detail, das sich die Coen-Brüder für den Eröffnungsfilm | |
| der Berlinale ausgesucht haben: Gleich zu Anfang sieht man ein Kruzifix, | |
| unterlegt mit sakral anmutender Chormusik, im nächsten Bild zeigt die | |
| Kamera Mannix im Beichtstuhl. Er glaubt eben – an Gott, an die | |
| Illusionsmaschine Hollywood und damit auch an seine Arbeit. Selbst wenn sie | |
| sehr viel Mühe macht. | |
| Joel und Ethan Coen verneigen sich in „Hail, Caesar!“, der zu Beginn der | |
| fünfziger Jahre spielt, zugleich vor den alten Hollywood-Studios. Und der | |
| Aufgabenbereich von Eddie Mannix gestattet es ihnen, übergangslos zwischen | |
| den Genres hin und her zu springen. Im einen Moment macht der Westernstar | |
| Hobie Doyle (Alden Ehrenreich) Handstand auf seinem Pferd, um kurz darauf | |
| im Smoking bei einer Abendgesellschaft zu versuchen, die Zeile „Would that | |
| it were so simple“ fehlerfrei zu artikulieren. | |
| Dazwischen sieht man Scarlett Johansson in einem herrlich überkandidelten | |
| Wasserballett aus einer Fontäne aufsteigen oder Matrosen in einer | |
| Hafenkneipe aberwitzige Stepptanz-Choreografien vollführen. Kaum ein Genre, | |
| das die Coens bisher erkundet haben, bleibt unberührt, auch der von ihnen | |
| hoch geschätzte Film noir wird angedeutet – Baird Whitlock wurde entführt | |
| und ausgerechnet von kommunistischen Drehbuchautoren festgehalten. Die | |
| haben als einen ihrer Verbündeten sogar einen „Professor Marcuse“ in ihren | |
| Reihen, der den ahnungslosen Whitlock, die ganze Zeit seiner Entführung | |
| über im Legionärskostüm, über die Dialektik des Kapitalismus aufklärt, auch | |
| das ein schöner Seitenhieb auf die Ausbeutungsindustrie in Hollywood. | |
| Über diesem Film-Film-Zitatenreigen droht ihnen die eigene Komödie fast | |
| auseinanderzufallen. Wäre da nicht Brolin, der als stoischer Zentralgestirn | |
| die Fäden am Ende alle zusammenführt. Glaube, so erfährt man, ist im | |
| Zweifel unerschütterlich. Selbst wenn er, wie in einer grandiosen Szene, in | |
| der Clooney als Legionär sein Bekenntnis zum gekreuzigten Jesus Christus | |
| ablegt und damit die Leute am Filmset fast zu Tränen rührt, bloß Teil einer | |
| großen Show ist. | |
| 11 Feb 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Tim Caspar Boehme | |
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