| # taz.de -- Remake von Horrorfilm „Hellraiser“: Die Hölle ist langatmig | |
| > Der legendäre Horrorfilm „Hellraiser“ bekommt eine Neuauflage spendiert | |
| > mit neuen alten Figuren. Dabei bleibt er schockierend harmlos. | |
| Bild: Jamie Clayton als Pinhead | |
| Horrorfilme leben von ihren Ikonen. Von den Gestalten, vor denen sich das | |
| Publikum fürchten soll. Frankensteins Monster als Sinnbild einer | |
| depravierten Wissenschaft, Dracula als ein die Zeiten überdauerndes Wesen, | |
| Freddy Krueger, vor dem man selbst in seinen Träumen nicht sicher ist, | |
| [1][oder Steven Spielbergs weißer Hai], der blutrünstig am Ende der | |
| Nahrungskette steht. Eine Gestalt aber sticht unter den Ikonen hervor wie | |
| die Stecknadeln in seinem Kopf: Pinhead. Die markanteste Figur der | |
| „Hellraiser“-Filmreihe ist zugleich ein Charakteristikum: eine | |
| Gratwanderung zwischen Ekel, Body-Horror und der Suche nach sich selbst. | |
| Was 1987 als philosophischer Horrorfilm begonnen hat und auf den Büchern | |
| von Clive Barker basiert, hat sich fortgehend zur Karikatur entwickelt. Wie | |
| so viele Horrorreihen hat sich auch „Hellraiser“ immer weiter | |
| kommerzialisiert und ist zu einer fleischigen Hülle seiner selbst | |
| verkommen. Ein Remake soll der beinahe toten Reihe nun wieder neues Leben | |
| einhauchen. Doch das Wesen von „Hellraiser“ zu modernisieren gestaltet sich | |
| schwierig. | |
| In den USA schon seit Oktober letzten Jahres erhältlich, erscheint der Film | |
| hierzulande erst jetzt auf dem Streamingdienst Paramount+. Regie führt | |
| David Bruckner, der 2017 mit seinem Netflix-Horrorfilm „The Ritual“ für | |
| Aufmerksamkeit sorgte. In seinem neuesten Film geht es um Riley (Odessa | |
| A’zion), die mithilfe ihres Bruders Matt (Brandon Flynn) versucht, ihre | |
| Drogensucht zu therapieren. Ihre Bettbekannschaft Trevor (Drew Starkey) | |
| überredet sie dazu, in ein Lager einzubrechen und zu stehlen, was auch | |
| immer sie dort finden. | |
| Statt großer Reichtümer finden sie nur einen ominösen Puzzlewürfel, der mit | |
| seinen goldenen Verzierungen, Dreh- und Schiebemechanismen zum Rätseln | |
| einlädt. Kenner der Reihe wissen, dass es sich dabei um die | |
| Lament-Konfiguration handelt, ein Puzzle, das letztendlich mit Blut bezahlt | |
| wird und die Zenobiten herbeiruft, Wesen aus einer Zwischenwelt, die kaum | |
| mehr als Menschen zu erkennen sind. Stattdessen tragen sie ihre Schmerzen | |
| nach außen hin zur Schau, sind gehäutet, haben schmerzhafte | |
| Körpermodifikationen und offenliegendes Fleisch. | |
| ## Nichts Schockierendes | |
| Unter ihnen sticht der Pinhead als Oberhaupt der Gruppe hervor. Mit seinem | |
| starren Gesichtsausdruck und den Stecknadeln in seinem Gesicht wurde er | |
| zum Aushängeschild der Filmreihe, obwohl weder Clive Barker noch der | |
| ursprüngliche Pinhead-Darsteller Doug Bradley, das beabsichtigt haben. Im | |
| Remake wird die Figur von der trans Frau Jamie Clayton gespielt. Das ist | |
| insofern passend, da im ersten „Hellraiser“ Sexualität und Identität eine | |
| essentielle Rolle spielen. Barker hatte bereits in seiner Romanvorlage „Das | |
| Tor zur Hölle“ 1986 starke BDSM-Anleihen, die die Filme optisch noch | |
| stärker zur Geltung brachten. | |
| Während die erste Verfilmung 1987 mit ihrer Darstellung von | |
| selbstbestimmter Sexualität gepaart mit blutigen Gore-Effekten für Skandale | |
| sorgte, wirkt das Remake beinahe harmlos. Zwar gibt es immer wieder | |
| explizite Gewaltspitzen, doch nichts, was heutzutage noch ernsthaft | |
| schockieren würde. Dafür zeigt der Film in den ersten Minuten bereits einen | |
| Kuss zwischen Männern, später auch ein gleichgeschlechtliches Paar, und | |
| macht deutlich, dass in „Hellraiser“ [2][die Repräsentation eine | |
| Selbstverständlichkeit ist]. Auch aus den Zenobiten ist kaum ein Geschlecht | |
| herauszulesen, sie scheinen fluide zu sein, wenn auch blutrünstig. | |
| Wie bereits in den alten Filmen beschäftigt sich auch der neue „Hellraiser“ | |
| mit der Frage, was die größtmöglichen Freuden sind und wie man sie | |
| erreichen kann, was die Zenobiten mit Schmerzen beantworten. Doch wirkt die | |
| Geschichte rund um Riley und ihre Erfahrungen mit der Konfiguration sehr | |
| langatmig und die Charaktere bleiben nur an der Oberfläche. Besonders die | |
| zweite Hälfte des Films, die sich in einem verlassenen Herrenhaus | |
| festfährt, scheint orientierungslos und die Lauflänge von über zwei Stunden | |
| erscheint so sinnlos wie der deutsche Untertitel „Das Schloss zur Hölle.“ | |
| Dafür haben die Designentscheidungen, die an die Puzzlebox angelehnt sind, | |
| durchaus ihren Charme und verleihen dem Film eine optische Identität. | |
| Dennoch bleibt dieser „Hellraiser“ am Ende nur ein Kuriosum, dessen | |
| Hintergrundgeschichte und Prämisse interessanter sind als die finalen | |
| Filme. Trotz der Gewalt wirkt dieses Remake blutleer und kann seine | |
| interessanten Ansätze nicht wirklich auserzählen. | |
| 28 Apr 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Martin Seng | |
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