# taz.de -- Film „Hinter den Augen die Dämmerung“: Wo die Bilder wie auf D… | |
> Der Debütfilm „Hinter den Augen die Dämmerung“ von Kevin Kopacka feiert | |
> den Siebziger-Jahre-Horror. Fern der Filmförderung erlaubt er sich so | |
> einiges. | |
Bild: Führt nichts Gutes im Schilde: Eva (Anna Platen) in „Hinter den Augen … | |
Dieter und Margot: Das sind zwei Namen, wie man sie eher nicht aus dem | |
Horrorfilm-Bilderbuch kennt. Aber da sind sie, im Auto, auf der Fahrt durch | |
die Nacht. Sie kommen ins halb verfallene Schloss, Margot, ist den Dialogen | |
zu entnehmen, hat es geerbt. Zwielicht liegt in den Räumen, finster geht es | |
hinab in den Keller, Staub über den Möbeln – hier quietscht es, da knarrt | |
es, auch ein Geist oder dergleichen scheint umzugehen. | |
Dieter, ein Rechthaber vor dem Herrn, hat drunten den Autoschlüssel | |
verloren und traut sich nicht, dort zu suchen, da beschließen die beiden, | |
die Nacht im Schloss abzuwarten. Kein trautes Paar, es schwelen Konflikte, | |
dass sie ihm dann – Achtung, halb schlimmer Spoiler – den Penis abreißt, | |
kommt dennoch unerwartet. | |
Der Film stellt die Zeichen auf Giallo, zum europäischen Genre-Trash der | |
siebziger Jahre, der die Grenzen des guten Geschmacks souverän | |
unterschreitet. Schon der massiv und barock über das Schloss gelegte | |
Titelschriftzug (und natürlich der Titel) spielt darauf an, und zwar | |
deutlich. Überhaupt liegt das Subtile, siehe Penis, diesem Film nicht. | |
Die Beleuchtung ist künstlich, viele der Bilder mit ihrem Leuchten und | |
gelblichem Schimmer und harten Hell-Dunkel-Kontrasten sehen aus und wollen | |
auch entschieden so aussehen, als seien sie gemalt. Ganz klar: Hier geht es | |
einem nicht darum, die Wirklichkeit einzufangen. Hier nimmt sich einer eine | |
Bild- und Film-Tradition und stellt selbstbewusst damit etwas an. | |
„Hinter den Augen die Dämmerung“ ist das Spielfilmdebüt des 1987 geborenen | |
österreichisch-srilankischen Regisseurs Kevin Kopacka, der an der | |
Universität der Künste studiert hat, einige Werbefilme gedreht hat und | |
neben dem Filmemachen auch malt. Die mal figurativen, mal fast oder ganz | |
abstrakten Gemälde gehen oft ins unheimlich Surreale, verwischte Konturen, | |
leere Gesichter, diffuses Licht, etwas ist unbestimmt nicht geheuer. | |
Ins fast Abstrakte, ins entschieden Künstliche zielende Stimmungsmalerei | |
ist denn auch das, was Kopacka in seinem Spielfilm versucht, was ihm in | |
sehr eindrucksvollen Sequenzen immer wieder gelingt. | |
## Den Horror-Rahmen sprengen | |
Für abendfüllend hält er das aber nicht. Und so steckt die Erzählung voller | |
unerwarteter Twists. Nicht der Spannung wegen, auch wenn es Bedrohliches | |
gibt, auch horrorfilmtypische Jump Scares. Nach der ersten halben Stunde | |
mit Margot und dem dann schwanzlosen Dieter wird der Horror-Rahmen | |
zerbrochen. Der Film bleibt im Schloss, aber springt heraus aus dem Film | |
zum Dreh dieses Films, wechselt also das Genre. Anders als man denken | |
sollte, ist der Horror damit noch nicht vorbei. Der Spuk geht weiter, auch | |
wenn nun der Regisseur des Films und seine Freundin/Produzentin ins Zentrum | |
geraten. | |
Der Rahmenbruch wird zur Gelegenheit weiterer Grenzüberschreitung. | |
Drogenparty, Hexensabbat, auch die Bilder benehmen sich, als hätten sie | |
Acid geschluckt: Unschärfen, Schlieren, Kameramann Lucas Dolgner zeigt, was | |
er kann. Die Platte läuft aus der Rille, der Plattenspieler fängt Feuer, | |
nackte Körper winden sich wie direkt aus [1][Lucio-Fulci-Horrorsleaze der | |
Siebziger] importiert, kurzum: Der Hund wird sehr stimmungsvoll in der | |
Pfanne verrückt. | |
In seiner Nische war und ist „Hinter den Augen die Dämmerung“ ein | |
Riesenerfolg. Auf einschlägigen Festivals – Dracula Film Festival, Be | |
Afraid Horror Fest et cetera pp. – international vielfach ausgezeichnet. | |
Der Film hatte sogar kleine Kinostarts in Großbritannien und den | |
Vereinigten Staaten. Sehr reges Leben und Nachleben für eine so | |
eigenwillige Produktion abseits des Filmförder-Mainstreams. Gäbe es im | |
deutschen Kino doch mehr von solchen nicht runden, aber aufs Angenehmste | |
beknackten Sachen. | |
19 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Ekkehard Knörer | |
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