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# taz.de -- Zombie-Klassiker an Halloween im Kino: Ich rieche, rieche Menschenf…
> George A. Romeros Klassiker „Die Nacht der lebenden Toten“ von 1968 kommt
> an Halloween digital restauriert ins Kino. Aus „Schund“ wurde Kulturgut.
Bild: Schlechte Nachrichten im Fernsehen: Die Protagonisten von „Die Nacht de…
Dass der 31. Oktober in vielen evangelisch geprägten Bundesländern seit
2018 ein Feiertag ist, vergisst man aus Berliner Werktagsperspektive
mitunter. Für Leser der gedruckten Zeitung aus dem Norden bringt das
umgekehrt den Nachteil mit sich, dass sie, sofern sie nicht aufs taz-ePaper
zurückgreifen, den Anlass dieses Texts versäumen könnten.
Wer dem „Süßes oder Saures“-Rummel ein wenig entgehen möchte, kann sich …
diesem Montag nämlich ins Kino flüchten. Dort läuft als bundesweite
Ein-Tages-Aktion ein Klassiker des Horrorfilms, der den Schrecken von
Halloween mit dem Gedanken der Auferstehung verbindet, Letzteres allerdings
in eher unchristlicher Form.
[1][George A. Romeros] Spielfilmdebüt „Die Nacht der lebenden Toten“
erschien 1968, im Jahr, in dem auch Stanley Kubricks „2001“, Sergio Leones
„Spiel mir das Lied vom Tod“ oder May Spils’ „Zur Sache, Schätzchen“…
Kino kamen. Im Gegensatz zu diesen hatte „Die Nacht der lebenden Toten“ ein
winziges Budget, wurde in der Freizeit der Beteiligten gedreht und blieb
von einem größeren Publikum zunächst unbemerkt.
Doch der Film prägte das Genre bis in die Gegenwart und bildete den Auftakt
zu Romeros Zombie-Tetralogie. Seither machen die Untoten als Kannibalen die
Leinwände unsicher.
## Böser und gnadenloser als Hitchcock
Die Handlung ist eher schlicht und wirkt über große Strecken wie ein
verschärfter Hitchcock. Ein Haus, in dem verschiedene Menschen wie in „Die
Vögel“ vor einer äußeren Bedrohung Zuflucht nehmen: eine Kleinfamilie, ein
junges Paar, eine junge Frau und ein mitteltalter Mann, er ist der einzige
schwarze Protagonist im Film. Man sieht auch Details wie ein bedrohlich
aufragendes Treppenhaus im Stile von „Psycho“ oder ausgestopfte Tiere an
den Zimmerwänden.
Bei Romero sind die Wendungen bloß viel böser und die Figuren gnadenloser
gezeichnet. Die Menschen, die vor umhertapernden Zombies Schutz suchen,
bilden keine Schicksalsgemeinschaft, die Einzelinteressen prallen so heftig
aufeinander, dass es unter ihnen nicht bloß durch die Angriffe „dieser
Dinger“ – das Wort „Zombie“ kommt im Film nicht vor – zu Toten kommt.…
Georg Seeßlen pointiert schreibt: „Adornos ‚Es gibt kein richtiges Leben im
Falschen‘ ist vermutlich niemals eindringlicher illustriert worden.“
Romero hat zudem ein Gutteil Mediensatire mit im Film verarbeitet, einen um
Sachlichkeit bemühten Nachrichtensprecher etwa, der vom Einsatz des
Militärs gegen die unvertrauten Gewaltausbrüche berichtet, verspricht sich
an einer Stelle, als er an den Ort des Geschehens nach „Saigon“ schalten
will. Neben dem Vietnamkrieg sind die Unruhen in den USA im Jahr 1968 eine
weitere gesellschaftliche Zuspitzung, die im Film auf drastische Weise ins
Bild gesetzt werden – „Aufstand der Kannibalen“ lautete damals ein
Werbeslogan eines deutschen Filmplakats.
Und dass die Hauptfigur ein Afroamerikaner ist, reflektiert die Proteste im
Zuge der Bürgerrechtsbewegung, mit einem Schluss, der sich als [2][„Black
Lives Matter“] avant la lettre verstehen lässt: Neben dem Militär
durchkämmen auch schießfreudige Redneck-Bürgerwehren die „verseuchten“
Gebiete.
Lange Zeit galt „Die Nacht der lebenden Toten“ als billiges Schmuddelkino
mit geschmacklosem Grauen. Dass der Film, der nach heutigen
Blutigkeitsmaßstäben wenige krasse Momente hat, keine Unterhaltung für die
ganze Familie bietet, lässt sich auch aus heutiger Sicht nicht bestreiten.
Dass er gesellschaftliche Fragen aufspießt mit einer Ästhetik, die in jeder
Hinsicht auf die Eingeweide zielt, ist eine seiner Stärken, die seine
schlicht-nüchternen Schwarz-Weiß-Bilder und sein elektronisches
Frequenzbrummen unverändert nachwirken lassen. Seit 1999 zählt der Film in
den USA zum schützenswerten Kulturgut.
31 Oct 2022
## LINKS
[1] /Nachruf-auf-George-Romero/!5427073
[2] /Schwarze-Filmgeschichte-in-den-USA/!5717581
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
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Spielfilm
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