# taz.de -- Kriegsversehrte in der Ukraine: Kampf gegen das Trauma | |
> Je länger der Krieg in der Ukraine dauert, desto größer auch die Zahl der | |
> Kriegsversehrten. Zu Besuch in einer Rehaklinik, wo Soldaten Alltag | |
> lernen. | |
Bild: Ruslan, 20 Jahre, aus Kyjiw, trat an Heiligabend 2022 bei Donezk auf eine… | |
Lwiw taz | Ruslans Lungen pumpen etwas. Man hört, wie er ein- und ausatmet. | |
Seine Arme kreisen um seinen kräftigen Oberkörper, als würde er im | |
Delfinstil schwimmen. Aber Ruslan liegt auf dem Bauch auf einer Liege, die | |
mit türkisfarbigem Kunstleder bezogen ist. Sein Kopf ist dabei höher als | |
sein Gesäß, er muss den Rücken durchdrücken. Die Balance zu halten und die | |
Kraft aufzubringen ist für ihn schwieriger als für andere Menschen, denn | |
Ruslan hat keine Beine mehr. Er ist an beiden Oberschenkeln amputiert. | |
Ruslan ist Soldat der ukrainischen Armee. Er streckt zur Begrüßung die Hand | |
aus, während er sich auf der Liege mit dem anderen Ellbogen abstützt. Er | |
trägt ein olivgrünes T-Shirt. Die ebenfalls olivgrüne Kappe sitzt | |
verkehrtherum. Sein Gesicht ist glatt rasiert, die Wangen sind voll, die | |
Augen wach. Er spricht Englisch, als hätte er sein ganzes Leben nichts | |
anderes gesprochen. Eigentlich studiert der 20-Jährige aus Kyjiw | |
Wirtschaftswissenschaften. Doch als die großangelegte [1][Invasion | |
Russlands in die Ukraine im Februar 2022] begann, hat er sich freiwillig | |
gemeldet. | |
Seit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine wütet, gibt es [2][immer | |
mehr Menschen mit Amputationen]. Wie viele genau, ist schwer zu sagen. Die | |
ukrainische Regierung nennt weder Zahlen zu getöteten noch zu verletzten | |
Soldaten. Man will dem Feind keinen Rückschluss auf die eigene | |
Personalstärke erlauben. Jüngst berichtete das Nachrichtenportal Euractiv | |
unter Berufung auf ein internes EU-Papier von 13.000 getöteten ukrainischen | |
Soldaten und 35.000 Verwundeten. In Schätzungen westlicher Militärs waren | |
zuvor deutlich höhere Opferzahlen angegeben worden. Für die Genesung sind | |
die Verwundeten auf Hilfe angewiesen. | |
Seit einer Woche kommt Ruslan jeden Nachmittag in den Übungsraum im siebten | |
Stock eines Gebäudes der Städtischen Klinik St. Panteleimon in Lwiw. Es ist | |
ein Dienstag Ende April. Beim Blick aus dem Fenster kann man die | |
Plattenbauten der Vorstadt sehen und dahinter die Hügel der Umgebung in | |
frühlingshaftem Grün. Auf dem Programm steht sozusagen Fitnesstraining für | |
Amputierte. Neben Liegen und Matten sind ein Laufband und Sprossenwände | |
aufgestellt. Fünf Soldaten sind an diesem Tag in der Trainingsgruppe. Gegen | |
Fotografieren haben sie nichts einzuwenden. Einer zieht sich aber eine | |
Sturmmaske über den Kopf. Er sei Scharfschütze gewesen und möchte lieber | |
unerkannt bleiben. Die anderen wollen nur mit Vornamen genannt werden. | |
Wer es in den siebten Stock geschafft hat, hat schon einiges erreicht und | |
Schlimmes hinter sich. Verwundete Soldaten werden an der Front von | |
Sanitäter:innen erstversorgt und dann so schnell wie möglich in das | |
nächste Krankenhaus gebracht. Bei schweren Verletzungen an den Extremitäten | |
bleibt oft nur die Amputation. Oft folgen mehrere Operationen. Dazu werden | |
die Patienten meist in Krankenhäuser weit entfernt von der Front verlegt. | |
Sind sie schmerzfrei, beginnt in der Regel die erste Phase der | |
Rehabilitation. Dabei sollen die verletzten Arme oder Beine auf eine | |
Prothese vorbereitet werden. Oft haben sie durch die wochenlange Ruhe an | |
Beweglichkeit und Kraft verloren. Dieser Prozess kann je nach Verletzung | |
Wochen oder Monate dauern. Wenn die Prothese dann da ist, müssen sie | |
lernen, damit umzugehen. Soldaten wie Ruslan, aber auch zivile Kriegsopfer | |
sollen hier in einer Rehaklinik lernen, trotz ihrer Verletzungen den Alltag | |
selbstständig zu bewältigen. | |
Zwar ist nicht jede Verwundung schwer. Aber Kriegsverletzungen gehen oft | |
mit großen Wunden, großem Blutverlust und Infektionen einher. Tourniquets | |
sind bei den Soldaten heiß begehrt. Damit kann man einen Arm oder ein Bein | |
selbst abbinden. Das kann den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. | |
Eine der häufigsten Ursachen für die schweren Verletzungen sind | |
Antipersonenminen. Sie explodieren oft schon bei leichter Berührung und | |
können je nach Typ entweder durch die Detonation selbst oder durch Splitter | |
verletzen. Oft sind sie nicht sofort tödlich. | |
Auch Ruslan ist durch so eine Antipersonenmine verwundet worden. „Es ist am | |
24. Dezember passiert“, erzählt er. „Kein gutes Weihnachten für mich.“ … | |
spricht darüber, ohne zu zögern. Er sei mit seiner Aufklärungseinheit in | |
der Region Donezk nahe der Ortschaft Nju-Jork im Einsatz gewesen. Die | |
Bergarbeitersiedlung rund 40 Kilometer entfernt von der Großstadt Donezk | |
hat nichts mit New York zu tun, sondern wurde im 19. Jahrhundert von | |
Kolonisten aus dem norddeutschen Jork gegründet. | |
Der Frontverlauf in diesem Teil des Donbass ist vergleichsweise statisch. | |
Nördlich und südlich davon greift Russland zu jener Zeit die Städte Bachmut | |
und Awdijiwka an. Doch das ausgegebene Ziel des Kremls ist die Eroberung | |
der ganzen Oblast Donezk. Einheiten wie die Ruslans sollen herausfinden, ob | |
die russische Armee einen Angriff vorbereitet. „Wir wollten die feindlichen | |
Stellungen auskundschaften.“ Das Gebiet sei unbekannt gewesen. Ob dort | |
Minen lagen oder nicht, habe man vorher nicht gewusst. „Auf die Mine bin | |
ich selbst getreten. Meine Kameraden haben mich gerettet“, erzählt Ruslan. | |
Allerdings waren die Verletzungen an beiden Beinen so schwer, dass den | |
Ärzten keine andere Wahl blieb als die Amputation. Vier Monate sei das | |
inzwischen her. Seit einer Woche sei er nun hier in Lwiw und habe seine | |
Prothesen bekommen. „Aber ich muss noch lernen, wie ich sie benutze“, sagt | |
er und zeigt auf den Rollstuhl neben der Trainingsliege. Einmal täglich | |
habe er ein Prothesentraining. Nachmittags gehe es in einer zweiten Einheit | |
um Stabilität im Rumpf und Muskelaufbau. Auch wenn es nicht so aussehe, | |
habe er viel Muskelmasse verloren. „Als Aufklärer muss man viel Ausrüstung | |
mit sich herumtragen“, sagt er. Die Soldaten sind viel zu Fuß unterwegs. | |
Mit Schutzweste, Waffen, Nahrung und Wasser kommen sie auf mehrere Dutzend | |
Kilogramm Gepäck. „Dafür muss man fit sein.“ | |
An eine Zukunft nach dem Krieg möchte Ruslan noch nicht denken, sagt er. | |
Natürlich wolle er sein Studium abschließen. Aber das habe keine Bedeutung, | |
solange die russische Armee noch in der Ukraine ist: „Wenn wir Russland | |
nicht besiegen, werden sie uns nie in Ruhe lassen.“ Erst mal wolle er | |
wieder so gesund werden, dass er zu seiner Einheit zurückkann. Er habe | |
schon mit dem Kommandeur darüber gesprochen und der würde ihn gern wieder | |
aufnehmen. „Natürlich nicht zur Aufklärung“, sagt Ruslan und zeigt auf | |
seine Stümpfe. „Aber ich könnte Drohnenpilot werden.“ | |
In der Mitte des Raums steht eine zierliche Frau in einer roten | |
Fleecejacke. Die Trainingsgruppe am Nachmittag leitet Roksolyana Shmilo. | |
Die 25-Jährige ist Physiotherapeutin. Sie erklärt den Soldaten eine Übung, | |
die ihre Rückenmuskulatur stärken soll. Sie sollen in Bauchlage mit | |
ausgestreckten Armen einen Ball anheben. Einer der Männer hat | |
Schwierigkeiten. Sie kniet sich als Gegengewicht auf sein gesundes Bein. | |
Gleich nach der Schule sei sie in den Beruf eingestiegen, erzählt sie | |
später. Meist habe sie Patienten mit Rückenbeschwerden behandelt. Seit | |
einem Jahr arbeitet sie nun in der Rehaklinik in Lwiw. Statt Rückenleiden | |
hätten die meisten ihrer Patienten nun Amputationen an den Beinen. Vierzig | |
Patienten habe sie seitdem schon persönlich betreut. Mit einigen habe sie | |
noch immer Kontakt. „Das Ziel ist, dass alle nach der Therapie hier ohne | |
Krücken hinausgehen können.“ Aber das Körperliche sei natürlich nur die | |
eine Seite. Das Erlebte und der Verlust eines Körperteils seien auch | |
psychologisch eine traumatische Erfahrung. | |
Das mächtige, neunstöckige Hauptgebäude an der Straße ist in der Sowjetzeit | |
erbaut worden. Graue Platte. Doch von innen sieht es deutlich freundlicher | |
und moderner aus. Die helle Holzvertäfelung und die Sitzgruppen im Foyer | |
erinnern an ein schwedisches Möbelhaus: Ikea zählt zu den Förderern. An | |
einem Ende gibt es eine Apotheke und ein Café, am anderen eine Kapelle. | |
Das Klinikareal ist weitläufig. Der Vorplatz ist neu gestaltet und an der | |
Gebäudeecke prangt ein großes Plakat in Englisch und Ukrainisch: „Unbroken. | |
National Rehabilitation Center“. Vom Hauptgebäude führt in der siebten | |
Etage eine verglaste Brücke in die frühere Poliklinik aus Sowjetzeiten. | |
Seit Ende Dezember vergangenen Jahres wird sie zu einem Rehazentrum | |
ausgebaut. Anfang April wurde der erste Teil eröffnet. Später soll noch ein | |
zweites Gebäude dazukommen und ein Gebäude mit temporären Appartements für | |
Patienten, die nicht in der Umgebung wohnen. Je länger der Krieg dauert, | |
desto größer wird der Bedarf. | |
Seit dem Beginn von Russlands Invasion im Februar 2022 ist auch die | |
Bedeutung von Lwiw gewachsen. Die Stadt hatte früher rund 750.000 | |
Einwohner. In den vergangenen 15 Monaten sind laut UN-Angaben rund 200.000 | |
Binnengeflüchtete dazugekommen. Außerdem ist die Stadt für die Versorgung | |
aus dem nahen Polen ein wichtiger Knotenpunkt. Es kreuzen sich mehrere | |
Fernstraßen und Eisenbahnlinien, über die das Land auch mit Waffen und | |
Munition versorgt wird. Die Grenze zum Nato-Nachbarn ist nur rund 70 | |
Kilometer entfernt. Und es werden auch viele Verletzte aus den Gebieten | |
weiter im Osten des Landes nach Lwiw gebracht – Zivilisten und | |
Soldat:innen. Viel weiter von der Front als in Lwiw kann man in der Ukraine | |
nicht sein. Zwar ist die Stadt auch mehrfach mit Raketen angegriffen | |
worden, doch deutlich seltener als Städte weiter östlich. | |
Das Rehazentrum in Lwiw soll in der Ukraine der neue Maßstab sein, wenn es | |
nach Gesundheitsminister Viktor Liaschko geht, der die Einrichtung im | |
Frühjahr besuchte. Durch die Investitionen können in diesem Jahr dort 8.000 | |
Rehabehandlungen stattfinden – mehr als doppelt so viele wie vor | |
Kriegsbeginn. Der Ansatz ist, vieles möglichst aus einer Hand vor Ort | |
anzubieten: wiederherstellende Chirurgie, Orthopädie, Physiotherapie und | |
Psychotherapie. In einer eigenen Werkstatt werden Prothesen angepasst. Wenn | |
alle Um- und Ausbauten abgeschlossen sind, sollen hier jährlich bis zu | |
10.000 Patienten behandelt werden können. | |
Das alles kostet natürlich viel Geld. Ohne Hilfe aus Deutschland wäre das | |
ganze Projekt so nicht möglich. Allein 500.000 Euro aus Spendengeldern | |
brachte der Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn mit in die ukrainische | |
Partnerstadt. „Auf Vermittlung und Anregung Freiburgs sind für die wichtige | |
Einrichtung zudem zwölf Millionen Euro vom Bundesministerium für | |
wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) geflossen“, teilt die | |
Stadt Freiburg mit. | |
Zwischen den Gebäuden sieht man noch die Spuren des Winters, als Russland | |
versucht hat, die Ukraine mit Bombenangriffen auf die Energieversorgung zum | |
Aufgeben zu bringen. Im Hof steht ein Generator in der Größe eines | |
Kleinbusses. Dieser und weitere Generatoren wurden für 10 Millionen Euro | |
vom BMZ beschafft. | |
Am anderen Ende des Übungsraums geht Jewhen auf zwei Krücken Richtung | |
Fenster. Er ist fast 1,90 Meter groß und schlank. Sein Gesicht ist schmal, | |
die Wangen sind etwas eingefallen. Die schwarze Trainingsjacke scheint um | |
seinen Oberkörper zu flattern. Aus der Sporthose guckt statt des rechten | |
Beins eine Prothese hervor. Das Bein ist am Oberschenkel amputiert. Sein | |
Ziel ist das Laufband. Die Krücken stellt er beiseite und hält sich am | |
Geländer des Geräts fest. Dann fängt er langsam zu gehen an. „Ich muss | |
üben, wieder normal zu gehen“, erzählt er. Das soll dazu dienen, das | |
unverletzte Bein zu trainieren. | |
Die Prothese hat er nun seit einer Woche und benutzt sie, so oft er kann, | |
erzählt er. Viermal am Tag geht er zur Therapie, jeweils 20 bis 30 Minuten | |
lang. „Es wird noch Zeit brauchen, bis es sich normal anfühlt.“ Er sei im | |
vergangenen Jahr verletzt worden. Seine Einheit habe eine Stellung bei der | |
Ortschaft Tscherwonopopiwka in der Oblast Luhansk verteidigt. Dorthin, nahe | |
dem heftig umkämpften Kreminna, war die ukrainische Armee nach ihrer | |
Offensive bei Charkiw vorgedrungen. | |
Doch irgendwann stockte der Vormarsch und im Winter begannen die russischen | |
Truppen wieder anzugreifen. Bei einem dieser Angriffe sei es dann passiert. | |
„Eine Panzergranate ist direkt neben mir explodiert.“ Er habe alles | |
mitbekommen. „Ich habe gleich gedacht, das war es mit dem Bein.“ Was davon | |
übrig war, konnten die Ärzte nur noch amputieren. | |
Auch Jewhen ist kein Berufssoldat. Bis zum Beginn von Russlands Einmarsch | |
hat er in seiner Heimatstadt Schitomir, ungefähr 200 Kilometer westlich von | |
Kyjiw, als Verkehrspolizist gearbeitet. Dann habe er sich zur Armee | |
gemeldet. Ob er nach dem Krieg wieder als Polizist arbeiten werde, wisse er | |
nicht. Es habe keinen Sinn, sich jetzt über die Zukunft zu unterhalten. | |
„Solange der Krieg dauert, machen wir keine Pläne.“ Er presst die Lippen | |
aufeinander und zieht die Mundwinkel etwas nach oben. Ein bitteres Lächeln. | |
Als die Übungsstunde vorbei ist und die Teilnehmer sich nacheinander | |
verabschieden, bleibt Jewhen noch. Er will weiter üben. Roksolyana Shmilo | |
stellt einen mannshohen Spiegel in den langen Flur vor dem Übungsraum. | |
Davor legt sie im Abstand von einem Meter einige schwarze Stoffsäckchen auf | |
den Fußboden. Jewhen soll auf den Spiegel zugehen. „Die Hindernisse | |
simulieren eine unebene Oberfläche“, erklärt die Physiotherapeutin. Jewhen | |
soll lernen, die Füße beziehungsweise die Prothese zu heben, ohne darüber | |
nachzudenken. „Die Patienten schauen anfangs auf die Prothese anstatt nach | |
vorn“, sagt Shmilo. Der Spiegel soll dabei helfen, den Blick nach vorn zu | |
führen. Jewhen fällt das noch schwer. Den Weg über die Hindernisse geht er | |
langsam und vorsichtig. Fünf-, sechsmal hin und zurück. „Genug für heute�… | |
sagt Roksolyana. „Ruh dich aus.“ | |
Vor dem Fenster rumort es. Der blaue Ausleger eines riesigen Autokrans | |
hievt eine Palette mit Baumaterial in die Höhe. Das Gebäude ist noch immer | |
eine halbe Baustelle. Im Untergeschoss wird noch ein Pool eingebaut für die | |
Wassertherapie. Außerdem sollen die Patienten in simulierter Umgebung | |
alltägliche Dinge wieder erlernen. Die Pläne sehen beispielsweise ein | |
Appartement mit Küche vor, in dem Patienten in der Ergotherapie üben, sich | |
selbst zu versorgen. Auch einen Lebensmittelladen soll es geben. | |
Roksolyana Shmilo führt ins Treppenhaus, in dem es nach frischem Gips | |
riecht. Auf dem Weg nach unten hört man das Geräusch einer Trennscheibe. | |
„Wir brauchen mehr Kapazitäten“, sagt sie. Das zweite Stockwerk ist auch | |
schon fertig. In dem breiten hellen Flur stehen graue und gelbe | |
Sofaelemente, die man zu Sitzgruppen zusammenschieben kann. | |
Auf diesem Stockwerk arbeitet Psychologin Khrystyna Ruda. Sie hat in Lwiw | |
Psychologie studiert. Es ist ihr erster Job, sie ist 21 Jahre alt. „Wir | |
beginnen hier immer mit der Gesprächstherapie“, erklärt sie und führt in | |
ihr Zimmer, in dem auch eine Couch steht. „Später kommt auch Kunsttherapie | |
dazu.“ Für die meisten sei es eine neue Erfahrung, und sie müssten erst mal | |
lernen, sich zu öffnen. Das falle nicht allen leicht. Angesichts der Menge | |
an Patienten und des Zeitdrucks könne man nicht wirklich in die | |
Psychoanalyse einsteigen. „Viele Soldaten wollen einfach nur schnell zurück | |
zu ihrer Einheit.“ Belastendes werde vertagt. Das werde später | |
zurückkommen. „Wir werden in unserem Land noch viele Probleme haben“, sagt | |
die Psychologin. Wie es genau werden wird, könne man noch nicht sagen, aber | |
es werde schwer. | |
Zunächst gehe es darum, die Patienten zu stabilisieren, dabei helfe ein | |
Ziel. „Das kann die Familie sein oder der Beruf.“ Wichtig sei es, dass die | |
Patienten Fortschritt erleben, also beispielsweise den Rollstuhl gegen | |
Krücken eintauschen. „Dann verbessert sich auch ihr mentaler Zustand.“ | |
Häufig leiden die Soldaten an einer posttraumatischen Belastungsstörung. | |
„Manche haben Flashbacks, andere Phantomschmerzen“, sagt Ruda. Das könne zu | |
Aggressionen gegen sich selbst und andere führen. Zwei bis vier Wochen | |
bleiben in den meisten Fällen nur für die Therapie, bis die Männer wieder | |
an die Front geschickt werden. „Das reicht für eine erste Orientierung, | |
mehr nicht.“ | |
Wenn Soldaten demobilisiert – aus der Armee entlassen – werden, habe man | |
mehr Zeit. Einer, erzählt die Psychologin noch, sei einmal sehr verängstigt | |
gewesen wegen eines Geräuschs von der Straße. Vor dem Fenster sei ein | |
Müllauto vorbeigefahren. | |
26 May 2023 | |
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Marco Zschieck | |
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