# taz.de -- Geplante Kindergrundsicherung: Haushaltsstreit schwelt noch | |
> Die Kindergrundsicherung ist weiter ein Zankapfel in der Ampelkoalition. | |
> Die Gewerkschaft Verdi fordert, dass sie Kinder aus der Armut holt. | |
Bild: Koalitionsvertrag gegen Spardogmatismus des Finanzministers: Die Kindergr… | |
BERLIN taz | Im Streit in der Ampelkoaltion um die geplante | |
[1][Kindergrundsicherung] fordert die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi | |
eine vollständige Umsetzung der Pläne von Bundesfamilienministerin Lisa | |
Paus (Grüne). | |
„Die Vermeidung von Kinder- und Jugendarmut muss für die Bundesregierung | |
absolute Priorität haben“, sagte der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke. Die | |
von der Koalition angekündigte Kindergrundsicherung müsse daher „so | |
gestaltet sein, dass sie Armut wirksam vermeidet und an den tatsächlichen | |
Bedarfen von Kindern und Jugendlichen orientiert ist“. | |
Die Kindergrundsicherung soll Leistungen für Familien bündeln, dabei | |
Leistungsberechtigte über ihre Ansprüche informieren, Anträge | |
digitalisieren und vereinfachen. | |
Die Süddeutsche Zeitung [2][meldete am Dienstag], dass zwar der Streit in | |
der Ampelkoalition um den Haushalt 2024 beigelegt worden sei, aber der | |
Streit um die Kindergrundsicherung jetzt nicht entschieden werde. Die | |
Verhandlungen gehen jedoch nach Informationen der taz weiter. | |
## Existenzminimum von Kindern neu berechnen | |
Aus Regierungskreisen erfuhr die taz, dass das Familienministerium zum | |
Haushalt zurückmeldete – mit Vorbehalt Kindergrundsicherung. Kanzler Olaf | |
Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) sowie | |
Familienministerin Lisa Paus (Grüne) führen dazu Gespräche. Bis zur | |
Sommerpause bleibt der Regierung dafür Zeit, die letzte Kabinettssitzung | |
ist am 5. Juli. 12 Milliarden Euro will Paus für die Kindergrundsicherung, | |
inklusive Leistungserhöhungen für Familien bis in den Mittelstand hinein. | |
Lindner wollte zunächst nur ein Digitalprojekt daraus machen. Seit Monaten | |
wird darum diskutiert in der Koalition. | |
[3][Verdi fordert] von der rot-grün-gelben Regierung, das soziokulturelle | |
Existenzminimum von Kindern neu zu berechnen. Das hätte zur Folge, dass | |
auch die Leistungshöhe angepasst werden müsste. „Ich habe kein Verständnis | |
dafür, wenn Bundesfinanzminister Christian Lindner die notwendigen Mittel | |
für die Kindergrundsicherung beschneiden will“, sagte Verdi-Chef Werneke. | |
„Alle Kinder und Jugendliche müssen die gleichen Chancen erhalten, sozial, | |
wirtschaftlich und politisch am Leben teilzuhaben – unabhängig davon, ob | |
ihre Eltern arm oder reich sind.“ | |
AWO-Präsident Michael Groß äußerte sich ähnlich: „Wir erwarten von der | |
Bundesregierung, hier endlich ein konkretes Konzept auf den Tisch zu legen, | |
um in die fachliche Diskussion zu kommen“, sagte Groß der taz. „So ist | |
unter anderem noch immer nicht klar, ob und wie die Leistung automatisiert | |
allen Berechtigten zukommt – über Summen für eine immer noch nicht klar | |
definierte Leistung zu diskutieren, halten wir nicht für zielführend.“ | |
## Verbände warnten schon im Frühjahr | |
Verschiedene Verbände hatten bereits im Februar und Mai davor gewarnt, | |
[4][dass die Kindergrundsicherung scheitern könnte]. Auch Heidi Reichinnek, | |
kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Linksfraktion, ist mehr als | |
sekptisch: „Die Ampelkoalition agiert bei der Kindergrundsicherung völlig | |
unseriös“, sagte Reichinnek. „Was sich leider schon jetzt abzeichnet, ist, | |
dass die Kindergrundsicherung kaum geeignet sein wird, Kinderarmut wirksam | |
zu bekämpfen, sondern der Ampel nicht mehr als eine Verwaltungsreform | |
gelingt.“ | |
SPD und Grüne zeigen sich hingegen weiter zuversichtlich, dass mehr | |
herauskommt. Politiker_innen der beiden Parteien hatten sich in der | |
Vergangenheit schon mehrfach dazu geäußert, dass vor allem | |
einkommensschwache Familien entlastet werden sollen. Was die Finanzierung | |
der Kindergrundsicherung angeht, so äußerte sich Sönke Rix, | |
stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion, am Mittwoch dazu: | |
„Bei [5][Grünen und SPD] gibt es eine Grundeinigung.“ Und: „Am Kanzleramt | |
wird es am Ende nicht liegen, der Koalitionsvertrag gilt für alle in der | |
Koalition“, so Rix. „Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, Kinder aus | |
Kinderarmut zu holen.“ | |
## Die SPD erinnert an den Koalitionsvertrag | |
In einem sogenannten „Leitplanken-Papier“ hatte der Fraktionsvorstand | |
vergangene Sitzungswoche beschlossen, dass „Familien mit hohen finanziellen | |
Einkommen, nicht länger überdurchschnittlich zu fördern“. Dagmar Schmidt, | |
ebenfalls Fraktionsvize der SPD-Fraktion, fordert Paus und [6][Lindner] | |
auf, konkreter zu werden: „Wir brauchen [7][Eckpunkte von Frau Paus], was | |
sie sich konkret vorstellt, und die Unterstützung von Herrn Lindner bei der | |
finanziellen und automatisierten Umsetzung. Da sind beide Seiten in einer | |
Bringschuld und wir unterstützen diesen Prozess gerne so, dass er gelingt.“ | |
Laut SPD soll zudem der Kinderfreibetrag sinken. „Wir sind uns dessen | |
bewusst, dass nicht alles sofort umgesetzt werden kann“, so Rix. Sofort | |
umgesetzt werden müsse die Leistungszusammenführung. „Warten müssen | |
wahrscheinlich die Neudefinition des Existenzminimums sowie die Anpassung | |
der Freibeträge.“ Für die Neudefinition des Existenzminimums ist das von | |
der SPD geführte Arbeitsministerium zuständig. | |
28 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Lisa-Paus-zur-Kindergrundsicherung/!5928142 | |
[2] https://www.sueddeutsche.de/politik/haushaltsstreit-lindner-bundesregierung… | |
[3] https://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++2210ae6c-14f4-11ee-9c9… | |
[4] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-02/kindergrundsicherung-parita… | |
[5] /Stimmung-in-der-Ampel-Koalition/!5929003 | |
[6] /Die-AfD-in-Ostdeutschland/!5940252 | |
[7] /Eckpunkte-fuer-Kindergrundsicherung/!5910089 | |
## AUTOREN | |
Nicole Opitz | |
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