| # taz.de -- Lindners Etatpläne: Sparen, sparen, sparen | |
| > Der Bund will rund 30 Milliarden Euro weniger ausgeben. Die Sozialkassen | |
| > sollen weniger Steuermittel erhalten, Entwicklungszusammenarbeit und | |
| > Bafög schrumpfen. | |
| Bild: Will einen „strikten Haushaltskurs“ verfolgen: Christian Lindner | |
| Berlin taz | Die fetten Jahre sind vorbei. Der Bund will im kommenden Jahr | |
| deutlich weniger Geld ausgeben. Statt 476 Milliarden Euro wie in diesem | |
| Jahr plant Finanzminister Christian Lindner (FDP) im nächsten Jahr nur noch | |
| Ausgaben in Höhe von 446 Milliarden Euro – und damit 30 Milliarden weniger. | |
| Hauptgrund für die neue Sparsamkeit ist die grundgesetzliche | |
| Schuldenbremse, die 2024 in vollem Umfang greift. Das | |
| Bundesfinanzministerium, das in den Jahren der Coronakrise und der durch | |
| Russlands Überfall auf die Ukraine ausgelösten Energiekrise „die Bazooka“ | |
| rausholte und Schulden in dreistelliger Milliardenhöhe machte, greift nun | |
| zum Rotstift. Auf lediglich 16 Milliarden Euro belaufen sich die geplanten | |
| neuen Kredite im Jahr 2024. In den Jahren darauf sollen sie weiter sinken | |
| bis auf 15 Milliarden Euro. | |
| Auf die Einhaltung der Schuldenbremse hatten vor allem Lindner und die FDP | |
| gepocht. Der Finanzminister, der den Haushalt 2024 und die Finanzplanung | |
| für die darauf folgenden drei Jahre am Mittwoch in Berlin vorstellt, wird | |
| es voraussichtlich als Erfolg verkaufen, dieses Ziel erreicht zu haben. | |
| Denn allein für das nächste Jahr rechnet er mit Zinsausgaben in Höhe von 37 | |
| Milliarden Euro. | |
| Da die FDP jedoch Steuererhöhungen für Begüterte und | |
| Milliardenerb:innen und damit zusätzliche Einnahmen kategorisch | |
| ausschließt, muss nun an anderen Stellen gespart werden. Besonders hart | |
| trifft es die Sozialversicherungen und damit die Beitragszahler:innen, die | |
| in den vergangenen Jahren mit Steuermitteln entlastet wurden. | |
| Zuschuss an Pflegekassen soll gestrichen werden | |
| Im kommenden Jahr soll der Bundeszuschuss für die Pflegeversicherung in | |
| Höhe von 1 Milliarde Euro komplett entfallen, der Zuschuss an die | |
| Rentenkassen reduziert und der Zuschuss für die gesetzliche | |
| Krankenversicherung eingefroren werden. Bei wachsenden Ausgaben in allen | |
| drei Bereichen müssen sich die Beitragszahler:innen wohl auf weiter | |
| steigende Beiträge einstellen. Der Spitzenverband der Gesetzlichen | |
| Krankenversicherung rechnet ohne Beitragserhöhungen mit einem Minus von bis | |
| zu 7 Milliarden Euro für 2024. | |
| Zudem sollen die Bundesagentur für Arbeit und damit die Versicherten | |
| künftig auch die Kosten für Menschen unter 25 Jahre, die Bürgergeld | |
| beziehen, mittragen. Dieser Posten kam bislang aus dem Haushalt von | |
| Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD), der weiterhin rund die | |
| Hälfte des Gesamtvolumens und damit den größten Einzeletat verwaltet. | |
| Er und alle anderen Minister:innen, mit Ausnahme des | |
| Verteidigungsministers, müssen jedoch jeweils 3,5 Milliarden Euro in den | |
| Jahren 2024 und 2025 einsparen, damit die Schuldenbremse eingehalten werden | |
| kann. So sollen etwa die Ausgaben für die Bundesausbildungsförderung, | |
| Bafög, im Etat von Bildungs- und Wissenschaftsministerin Bettina | |
| Stark-Watzinger (FDP) um 400 Millionen Euro auf 1,37 Milliarden Euro | |
| schrumpfen. „Ausgerechnet die Ausbildungsförderung, die einen wichtigen | |
| Beitrag zur Zukunftsfähigkeit des Landes leisten soll“, kritisiert die | |
| Bildungsgewerkschaft GEW die Pläne. | |
| Für das Startchancen-Programm für besonders benachteiligte Schulen wurde | |
| für das nächste Jahr eine halbe Milliarde als Vorsorge eingestellt, | |
| angekündigt war allerdings eine ganze. Für die Kindergrundsicherung, die | |
| 2025 starten soll, sind aktuell 2 Milliarden in der Finanzplanung | |
| reserviert. | |
| Entwicklungsorganisationen besorgt | |
| Mehr als eine halbe Milliarde Euro (600 Millionen) kürzen soll auch | |
| SPD-Entwicklungsministerin Svenja Schulze. Angesichts von immer mehr | |
| Hungernden weltweit, Krisen als Konsequenz des Klimawandels und Kriegen | |
| vielerorts schlagen Entwicklungsorganisationen Alarm. Zwar habe Deutschland | |
| das Ziel, 0,7 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für | |
| Entwicklungszusammenarbeit auszugeben, in den letzten drei Jahren | |
| eingehalten, aber die Krisen und der Bedarf seien größer geworden, mahnen | |
| etwa die Welthungerhilfe und Terre des hommes. | |
| Auch das Haus von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) muss kräftig | |
| spare, und plant etwa für humanitäre Hilfsmaßnahmen im Ausland rund 1 | |
| Milliarde weniger ein. | |
| Als Einziger entspannen kann sich Bundesverteidigungsminister Boris | |
| Pistorius (SPD). Sein Etat wird im Vergleich zur bisherigen Finanzplanung | |
| um 1,7 Milliarden Euro aufgestockt. Zudem bekennt sich die Bundesregierung | |
| im Haushaltsentwurf dazu, ab dem kommenden Jahr dauerhaft 2 Prozent des | |
| Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Zunächst aus den Mitteln | |
| des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens, das aber bis zum Ende der | |
| Finanzplanung vollständig aufgebraucht sein werde, sodass es ab dann | |
| „erheblicher Mittel im Kernhaushalt bedarf“. | |
| Trotz aller „Konsolidierungsbeiträge“ verbleibe ab 2025 finanzpolitischer | |
| Handlungsbedarf, heißt es im Anschreiben des Finanzministers an seine | |
| Kolleg:innen. Der jetzt eingeleitete Priorisierungsprozess sei eine | |
| dauerhafte Aufgabe. Mit anderen Worten: Auch in Zukunft muss weiter gespart | |
| werden. | |
| 4 Jul 2023 | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Lehmann | |
| Leila van Rinsum | |
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