# taz.de -- Eckpunkte für Kindergrundsicherung: Streit ums Geld deutet sich an | |
> Noch ist unklar, wie viel die geplante Kindergrundsicherung kosten wird. | |
> Das Finanzministerium geht schon mal in Abwehrhaltung. | |
Bild: Kann sich schon mal auf einen Streit um das Geld einstellen: Familienmini… | |
BERLIN taz | Kinder lieben alle, niemand profiliert sich gern auf ihre | |
Kosten. Mit diesem gesellschaftlichen Wohlwollen für die Kleinsten im | |
Rücken hofft das von Lisa Paus (Grüne) geführte Familienministerium, die | |
Kindergrundsicherung als das zentrale Projekt gegen Kinderarmut in dieser | |
Legislatur umzusetzen. [1][Erste Eckpunkte hat das Ministerium zur | |
Ressortabstimmung verschickt], sie liegen der taz vor. Doch der Streit um's | |
Geld deutet sich bereits an. | |
Denn unklar ist bislang, wie viel die Kindergrundsicherung kosten wird. Das | |
Bundesfamilienministerium dementierte am Freitag Schätzungen, wonach die | |
zusätzlichen Kosten für die Kindergrundsicherung auf acht bis zehn | |
Milliarden Euro geschätzt werden. Bislang gebe es noch gar keinen | |
finanziellen Rahmen, heißt es aus dem Familienministerium. | |
Doch dass die Kindergrundsicherung etwas kosten wird, ist ebenfalls klar. | |
So heißt es in den Eckpunkten, man wolle nicht nur das Leistungsniveau | |
erhöhen, sondern auch „mehr Familien und ihre Kinder mit | |
Unterstützungsbedarf erreichen“ – unter anderem durch einen | |
„Kindergrundsicherungs-Check“, der Familien darüber informiert, welche | |
Zusatzleistungen ihn zustehen. | |
Zudem will das Bundesfamilienministerium, dass die Regelbedarfe „zukünftig | |
stärker als bisher an den Haushaltsausgaben der gesellschaftlichen Mitte“ | |
ausgerichtet werden. Die mehr als 20 Jahre alten Verteilungsschlüssel, mit | |
denen Haushaltsausgaben Kindern zugeordnet werden, sollen erneuert werden. | |
In einem ersten Schritt sollten daher die Verteilungsschlüssel für Strom | |
und Haushaltseinrichtung mit Inkrafttreten der Kindergrundsicherung so | |
erhöht werden, dass sie die Realität „sachgerecht abbilden“. | |
## Kritik aus dem Finanzministerium | |
Gegenwärtig orientieren sich die Regelsätze an dem, was die | |
einkommensschwächsten 20 Prozent der Haushalte im Alltag ausgeben. | |
Grundlage ist die jährliche Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. | |
So sind im Bürgergeld-Regelsatz laut des Portals Sozialhilfe24 für | |
Alleinstehende gegenwärtig 174,19 Euro für Nahrungsmittel, Getränke und | |
Tabakwaren vorgesehen, 30,57 Euro für Einrichtungs- und | |
Haushaltsgegenstände und 42,55 Euro für Wohnen, einschließlich Energie und | |
Instandhaltung. Kindern steht abhängig vom Alter nur 63 bis 84 Prozent | |
dieses Regelsatzes zu. Zudem sind Dinge wie Stifte, Schulranzen oder ein | |
Handy gar nicht berücksichtigt. Das BMAS lehnt diese Verbrauchsausgaben | |
allerdings strikt ab. Sie seien unbrauchbar und irreführend, heißt es auf | |
Anfrage der taz. | |
Fest steht allerdings, dass die Regelsätze für Kinder – egal in welcher | |
Zusammensetzung – niedriger als die der Erwachsenen sind. Sie betragen | |
gegenwärtig für Kinder im Alter von 0-5 Jahren 318 Euro, im Alter von 6-13 | |
Jahren 348 Euro monatlich und für Kinder von 14-17 Jahren 420 Euro | |
monatlich. | |
Sozialverbände, die Linkspartei und die [2][Grünen – damals noch in der | |
Opposition -] forderten seit langem eine Erweiterung dieser | |
Bemessungsgrundlage und damit deutliche höhere Regelsätze. Auch Arbeits- | |
und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) hatte noch im Sommer, als er seine | |
Pläne für das Bürgergeld vorstellte, verkündet: Für ihn sei klar, dass es | |
eine andere Bemessungsgrundlage brauche, auf Basis derer die Regelsätze | |
dann deutlich steigen sollten. Damit konnte sich Heil nicht durchsetzen. Er | |
scheiterte an Finanzminister Christian Lindner (FDP). | |
Auch auf die Pläne von Paus reagiert das Bundesfinanzministerium nun sehr | |
verhalten. „Es handelt sich offenbar um einen Schnellschuss vor der | |
Berlin-Wahl. Es kann daher keine Garantie geben, dass diese Vorüberlegungen | |
wirklich so umgesetzt werden können“, sagteein Vertreter des Ministeriums | |
der dpa. Alle Koalitionsprojekte müssten in den Bundeshaushalt passen. | |
## Geld erst ab 2025 | |
Die Ampel hatte sich im Koaltionsvertrag auf eine „Neudefinition des | |
kindlichen Existenzminimums“ geeinigt. Das Ergebnis der Neuberechnung soll | |
als Grundlage für die Berechnung der Kindergrundsicherung dienen. | |
Auch die Bundesländer werden wohl hart um die Verteilung der Kosten | |
feilschen. Bis der Gesetzentwurf dem Bundesrat vorliegt, dauert es | |
allerdings noch. Zunächst beugen sich die sieben Bundesministerien der im | |
März 2022 gegründeten Arbeitsgruppe über die Eckpunkte und erarbeiten ein | |
gemeinsames Papier. Dieses soll Grundlage für den Gesetzentwurf sein, der | |
voraussichtlich nach der Sommerpause vorliegen soll. Erhalten sollen Kinder | |
die Grundsicherung erst ab 2025. | |
Die Kindergrundsicherung soll nach den Plänen des Familienministeriums aus | |
zwei Komponenten bestehen: einem Garantiebetrag in Höhe des dann geltenden | |
Kindergeldes. Das sind aktuell 250 Euro. Und einem Zusatzbetrag, der sich | |
nach der sozialen Bedürftigkeit richtet. Das Ministerium plant, aktuelle | |
Leistungen für Kinder wie das Kindergeld, den Kinderzuschlag und den | |
Teilhabebetrag für Sport- oder Musikvereine zu bündeln und künftig von | |
einer Stelle auszahlen zu lassen. Minimalziel: Niemandem soll es schlechter | |
gehen. | |
20 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Papier-von-Familienministerin-Lisa-Paus/!5909931 | |
[2] /Gruene-Garantiesicherung/!5742656 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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