# taz.de -- Sozialleistung und Datenschutz: Die Kosten des Bürokratieabbaus | |
> Für Kindergrundsicherung und Klimageld sollen Daten neu verschaltet | |
> werden. Der Staat gewinnt so immer mehr Infos über die Bürger:innen. | |
Bild: Akten waren gestern- davon träumen die Sozialbehörden | |
Berlin taz | Es ist ein alter Traum im Sozialstaat: Die „unbürokratische“ | |
Gewährung von Sozialleistungen, bei denen Geld fließt, auch ohne | |
komplizierte Anträge. „Einfach, unbürokratisch und bürgernah“ soll die n… | |
Leistung sein, heißt es in den Eckpunkten aus dem Familienministerium zur | |
geplanten [1][Kindergrundsicherung.] Nur: wie genau kann das funktionieren? | |
Schließlich soll die künftige Kindergrundsicherung die Leistungen des | |
Kindergeldes, des Kinderzuschlages und des Bürgergeldes „bündeln“, so hei… | |
es in den Eckpunkten. | |
Für eine möglichst einfache Berechnung der Leistungen sei ein Verfahren | |
denkbar, bei dem bei der Familienkasse die Einkommensquellen gemeldet | |
werden, nicht aber mehr die konkreten Verdienste und Beträge, sagt Wolfgang | |
Strengmann-Kuhn (Grüne), Berichterstatter zur Kindergrundsicherung im | |
Finanzausschuss des Bundestages. | |
Der oder die Antragssteller:in müsse der Familienkasse lediglich | |
ausdrücklich gestatten, Daten zur konkreten Einkommenssituation abzufragen, | |
etwa beim Finanzamt, bei der Deutschen Rentenversicherung und | |
gegebenenfalls bei der Bundesagentur für Arbeit, so der grüne Sozialexperte | |
zur taz. Die genaueren Daten würden unter den Behörden automatisch | |
ausgetauscht. Die Familienkasse ist bei der Bundesagentur für Arbeit | |
angesiedelt. | |
„Das Verfahren zur Berechnung und Auszahlung der Kindergrundsicherung | |
könnte ein Modell werden auch für die Gewährung anderer Sozialleistungen“ | |
sagt Strengmann-Kuhn. | |
## Entlastung nur bei Datenfreigabe | |
In der Praxis bedeutet dies, dass Bürger:innen bei den digitalen | |
Anträgen für Sozialleistungen entlastet werden können, wenn sie den | |
Behörden die automatische Erhebung und den Austausch ihrer persönlichen | |
Daten in bisher noch nicht dagewesenem Umfang erlauben. Beispielsweise | |
würden dann die Finanzämter an die Sozialbehörden die konkreten | |
Arbeitseinkommen melden. | |
An den Berechnungen für den Kinderzuschlag für erwerbstätige, aber arme | |
Eltern wären die Finanzämter, gegebenenfalls die Bundesagentur für Arbeit, | |
die Wohngeldämter und Unterhaltsvorschusskassen beteiligt. | |
Schon bei einer anderen Sozialleistung, der Ergänzung von kleinen Renten | |
durch die „Grundrente“ des Bundesarbeitsministeriums, hat eine | |
Sozialbehörde erstmals mit den Finanzämtern direkt kooperiert. Die Deutsche | |
Rentenversicherung fragte für die Ruheständler:innen die Daten von den | |
Finanzämtern ab, um mögliche Partner- und Kapitaleinkommen zu prüfen, die | |
den Anspruch auf Grundrente zunichte machen können. | |
Der Vorteil dieses automatischen Datenabgleichs liegt darin, dass Ansprüche | |
automatisch geprüft werden können, auch ohne Antrag. Damit verfügt die | |
Deutsche Rentenversicherung aber auch über Einkommensprofile von | |
Rentner:innen. | |
## Kontodaten für Direktzahlungen | |
Der Trend zum Datenabgleich soll demnächst auch Kontodaten umfassen. Das | |
[2][Jahressteuergesetz 2022 sieht im Artikel 18 Nummer 6] vor, dass die | |
Banken künftig „geeignete Verfahren“ entwickeln sollen, durch die | |
Kontoinhaber:innen ihre Kontonummer, die IBAN, an das | |
Bundeszentralamt für Steuern übermitteln lassen können. Private Kontodaten | |
werden dadurch mit der Steueridentifikationsnummer zusammengeführt. | |
Diese „Zuspeicherung“ solle geschaffen werden, um „künftig unbare | |
Auszahlungen öffentlicher Mittel in einem Massenverfahren unbürokratisch | |
vornehmen zu können“, heißt es in einer [3][Antwort der Bundesregierung] | |
auf eine Kleine Anfrage der Union. Das heißt, die Zuspeicherung muss von | |
den Kontoinhaber:innen zwar selbst genehmigt werden, ist aber dann | |
eine Voraussetzung, um etwa staatliche Hilfen zu bekommen. | |
Man setze darauf, dass diejenigen, die öffentliche Leistungen in Anspruch | |
nehmen wollen, ihre Kontoverbindungen an das Bundeszentralamt für Steuern | |
übermitteln lassen würden, heißt es in der Antwort. | |
In der Debatte um die Energiehilfen im Jahre 2022 war nämlich aufgefallen, | |
dass die Bundesregierung gar nicht über genügend Kontodaten verfügt, um | |
schnelle und direkte Hilfszahlungen auf die Konten aller Bürger:innen zu | |
leisten. Diese Möglichkeit könnte auch bei einem künftigen „Klimageld“ | |
wichtig werden, wie es im Koalitionsvertrag angekündigt wird. | |
Für die Zukunft müssten „die technischen Voraussetzungen für sozial | |
differenzierte Direktzahlungen an die Bürgerinnen und Bürger geschaffen | |
werden“, hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erklärt. Ein | |
Sprecher des Bundesfinanzministeriums sagte jedoch kürzlich der | |
Süddeutschen Zeitung, eine konkrete Aussage, bis wann das | |
Direktzahlungsprojekt umgesetzt sein könnte, sei „zur Zeit noch nicht | |
möglich“. | |
Bisher existieren verschiedene Systeme nebeneinander, was auch | |
Gerechtigkeitsfragen berührt. Die Energiepreispauschale etwa bekamen | |
Rentner:innen mit Nebenjob doppelt bezahlt. Einmal lief die Auszahlung | |
über die Rentenkasse, das zweite Mal über den Arbeitgeber. Die [4][Union] | |
hatte das kritisiert. | |
1 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Papier-von-Familienministerin-Lisa-Paus/!5909931 | |
[2] https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Ges… | |
[3] https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-925712 | |
[4] /Energiepreispauschale-beschlossen/!5886026/ | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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