# taz.de -- Bund-Länder-Treffen Flüchtlingspolitik: Zahlenschlacht vor Flüch… | |
> Die Länder wollen mehr Geld für die Versorgung von Geflüchteten – der | |
> Bund lehnt das strikt ab. Vor dem Gipfel im Kanzleramt sind die Fronten | |
> verhärtet. | |
Bild: Wohnraum in den Städten ist knapp – deshalb setzen sie vermehrt auf No… | |
BERLIN taz | Sechzehn gegen einen – das ist die Lage vor dem Spitzentreffen | |
zur Flüchtlingspolitik von Bund und Ländern zu Wochenbeginn. Die Länder | |
wollen, dass sich der Bund stärker an den Kosten für die Versorgung | |
Geflüchteter beteiligt, der Bund lehnt eine noch stärkere finanzielle | |
Unterstützung ab. Eine Annäherung ist bislang nicht in Sicht. | |
Da es vor allem ums Geld geht, sind sich die Ministerpräsident:innen | |
quer über die Parteigrenzen einig. „Das ist kein parteipolitischer | |
Konflikt, sondern ein klassischer Bund-Länder-Konflikt“, betonte der Bremer | |
SPD-Bürgermeister Andreas Bovenschulte am Montag in Berlin. Wie alle 16 | |
Bundesländer sei er der Meinung, dass der Bund sich stärker an den Kosten | |
für die Versorgung und Integration von Geflüchteten beteiligen müsse, so | |
der Spitzenkandidat für die Bremer Landtagswahl am Sonntag. | |
Einen Tag zuvor hatte auch sein Amts- und Parteikollege, der | |
niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, betont, Kommunen und | |
Länder könnten die Zahl der Neuankömmlinge nicht beeinflussen. „Deswegen | |
steht für uns außer Frage, der Bund muss sich in der finanziellen | |
Mitverantwortung in dieser Frage erheblich bewegen.“ | |
Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Vor dem Treffen liefern sich beide | |
Seiten Zahlenschlachten, seitenlange Argumentationspapiere gespickt mit | |
Prozenten und Milliardensummen kursieren. Der Bund verweist auf seine | |
knappe Kassenlage. In einer Beschlussvorlage für den Gipfel aus dem | |
Kanzleramt, die der taz vorliegt, heißt es, dass der Haushalt des Bundes im | |
letzten Jahr ein Defizit von 116 Milliarden Euro aufwies, während die | |
Länder Überschüsse von 12 Milliarden Euro verzeichnet hätten. | |
Außerdem habe sich der Bund in der Vergangenheit in großem Umfang an den | |
Kosten beteiligt und [1][entlaste aktuell Länder und Kommunen, indem er die | |
Sozialleistungen für Ukrainer:innen zahle.] Diese haben, anders als | |
andere Geflüchtete, gleich nach der Ankunft Anspruch etwa auf das | |
Bürgergeld und machen derzeit den Großteil der Ankommenden aus. Für dieses | |
Jahr kalkuliert der Bund mit 5 Milliarden Euro an Sozialleistungen für | |
Ukrainer:innen. | |
## Bremens Bürgermeister für Übergewinnsteuer | |
Die Länder halten dagegen, dass die Zahl der Menschen aus der Ukraine | |
perspektivisch sinken werde, während der Anteil von Geflüchteten aus | |
anderen Ländern bereits jetzt wieder ansteige. Das Argument, dass der Bund | |
kein Geld habe, lassen die Länder nicht gelten. „Auf der Einnahmeseite | |
bleibt der Bund unter seinen Möglichkeiten“, heißt es in einem abgestimmten | |
Gegenargumentationspapier der Finanzminister:innen, welches der taz | |
ebenfalls vorliegt. Und: „Der Bund muss seine Steuerquellen pflegen.“ | |
SPD-Kandidat Bovenschulte warb am Montag erneut für eine Übergewinnsteuer. | |
„Diejenigen, die sich in Krisenzeiten eine goldene Nase verdient haben, | |
müssten stärker zur Finanzierung gemeinschaftlicher Aufgaben herangezogen | |
werden“, sagte er in der Berliner Parteizentrale. Doch eine | |
Übergewinnsteuer dürfte in der Ampelkoalition an der FDP scheitern, die | |
sich auf die Rückendeckung des Bundeskanzlers verlassen kann. | |
Der Beschlussvorschlag aus dem Kanzleramt sieht dagegen vor, die Länder vor | |
allem logistisch zu unterstützen, etwa bei der Digitalisierung der | |
Ausländerbehörden. Aber auch durch eine rigidere Abschiebungspolitik. Laut | |
Beschlussvorschlag sollen zentrale Ankunftseinrichtungen eingerichtet | |
werden, aus denen die Länder abgelehnte Asylbewerber:innen direkt | |
wieder abschieben können. Die Dauer der Abschiebehaft will die Regierung | |
von 10 auf 28 Tage verlängern, die Befugnisse der Polizei erweitern. | |
## Gedämpfte Erwartungen an Gipfel | |
Das dürfte einigen Ministerpräsident:innen sicher gefallen, einig | |
sind sich aber alle, dass diese Angebote des Bundes bei Weitem nicht | |
ausreichen. Die Länder fordern stattdessen, dass der Bund die Kosten für | |
die Unterbringung von Geflüchteten wieder zu 100 Prozent übernimmt. Aktuell | |
sind es bis zu 75 Prozent. Angesichts des angespannten Wohnungsmarktes | |
müssen viele Kommunen immer mehr draufzahlen. | |
Ferner wollen die Länder zu dem System der Pro-Kopf-Pauschale zurückkehren, | |
welche die Regierung von Angela Merkel 2016 eingeführt hatte. Einig sind | |
sie sich dabei mit den Kommunen. Nach einer Videokonferenz mit den | |
kommunalen Spitzenverbänden am Montag betonte Weil: „Länder und Kommunen | |
stehen Seite an Seite!“ | |
Aus Kreisen der Länder heißt es, die Erwartungen, dass man sich am Mittwoch | |
mit dem Bund einige, seien derzeit nicht übermäßig groß. | |
8 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Beratungen-mit-Ministerpraesidentinnen/!5892698 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
## TAGS | |
Flüchtlinge | |
Bund | |
Länder | |
Finanzen | |
Bremen | |
Bundesländer | |
Grüne | |
Ampel-Koalition | |
Schwerpunkt Flucht | |
Geflüchtete | |
Nancy Faeser | |
Geflüchtete | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Streit um Migationspolitik: Bund soll mehr für Flüchtlinge zahlen | |
Pro-Kopf-Pauschalen, schnelle Asylverfahren, eine bundesweite Bezahlkarte: | |
Die Länderchef*innen haben sich auf Forderungen an die Ampel geeinigt. | |
Nach dem Flüchtlingsgipfel: Schwenk nach rechts | |
Die Grünen sind dabei, ihre Grundsätze in der Asylpolitik aufzugeben. Den | |
Beschwichtigungen der Parteispitze ist nicht zu trauen. | |
Oberbürgermeister zur Flüchtlingspolitik: „Wir können nicht mehr helfen“ | |
Das Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ ist mit der solidarischen Aufnahme v… | |
Geflüchteten an der Belastungsgrenze, sagt Potsdams Oberbürgermeister. | |
Flüchtlingsfinanzierung in Deutschland: Länderpapier liegt vor | |
Auf elf Seiten tragen die Länder Forderungen für den Flüchtlingsgipfel vor. | |
Unter anderem pochen sie darauf, dass der Bund den Kommunen mehr Geld | |
überweist. | |
Grüner Landrat Jens Marco Scherf: Der Lanz-Rat | |
Jens Marco Scherf ist Landrat in Miltenberg in Unterfranken. Beim Thema | |
Geflüchtete warnt der Grüne vor einer Überlastung der Kommunen – auch in | |
Talkshows. Seine Partei müsse sich ehrlich machen. | |
Umstrittene Asylreform: Horst Seehofer gefällt das | |
Bundesinnenministerin Nancy Faeser will die Chancen Geflüchteter auf Asyl | |
schon an den EU-Außengrenzen prüfen lassen. Die Grünen sind uneins. | |
Umgang mit Geflüchteten in Deutschland: Hauptsache weit weg | |
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) plädiert für Asylverfahren an den | |
EU-Außengrenzen. Das Deutsche Institut für Menschenrechte kritisiert das | |
scharf. |