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# taz.de -- Die Verständnisfrage: Autos vor?
> Warum ist die Ampelschaltung auf Autos und nicht auf Radfahrende
> ausgelegt?, fragt eine Leserin. Ein Verkehrsplaner antwortet.
Bild: Bahn frei!
In der Verständnisfrage geht es jede Woche um eine Gruppe, für deren
Verhalten der Fragesteller_in das Verständnis fehlt. Wir suchen eine
Person, die antwortet.
Julia Wehmöller, 29, Fachinformatikerin in Ausbildung aus Köln fragt:
Liebe Stadtplaner:innen, warum ist die Ampelschaltung auf Autos und nicht
auf Radfahrende ausgelegt?
Alexander Rammert, 34, Verkehrsplaner an der TU Berlin antwortet:
Als Verkehrsplaner beschäftige ich mich viel mit den Regeln, nach denen der
Verkehr fließt. Die Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen
(FGSV) legt fest, ab wann [1][ein Zebrastreifen] installiert wird oder wie
lange zu Fuß Gehende maximal an einer Ampel warten müssen. Aktuell können
das bis zu 115 Sekunden sein. Dieses Gremium wird kritisch diskutiert, weil
es ohne Beteiligung der Öffentlichkeit tagt, aber gesellschaftlich
relevante Entscheidungen darüber trifft, wer im Verkehr bevorzugt wird.
Zur Zeit nehmen sich viele Städte und Bundesländer vor, den Fuß- und
Radverkehr zu fördern. Wenn man aber in die Leitlinien der FGSV schaut,
steht da das Gegenteil drin. Also gibt es eine Diskrepanz zwischen den
politischen Plänen und dem planerischen Maßstab. Das kommt daher, dass die
Verkehrsplanung sich früher vor allem um die Gestaltung von Straßen und
Brücken- und Tunnelbau gedreht hat, um der wachsenden Automobilisierung
gerecht zu werden.
Heute fallen uns die negativen Effekte dieses Verkehrssystems auf die Füße.
Es gibt Konflikte zwischen den Verkehrsteilnehmenden. Verkehrsplanung ist
politisch geworden und die Menschen wollen mitreden. Bislang gibt es im
Bundesverkehrsministerium aber kein Bestreben, dass die Verkehrsregeln auch
auf politischer Ebene mitgestaltet werden.
Außerdem wird der Autoverkehr im Straßenverkehrsgesetz rechtlich geschützt.
Wenn auf einer Hauptstraße [2][Tempo 30] eingerichtet wird, können
Autofahrende klagen, weil der Verkehr unverhältnismäßig eingeschränkt wird.
Für den Rad- und Fußverkehr gilt das nicht. Wenn ich also als zu Fuß
Gehender dagegen klagen möchte, dass ich 115 Sekunden an einer Ampel stehen
muss oder es in der Grünphase nicht rechtzeitig über die Kreuzung schaffe,
bekomme ich vor Gericht kein Gehör. Das ist ein Riesenproblem. Länder und
Kommunen fordern, dass das Gesetz angepasst wird, aber [3][unter der
jetzigen Regierung sieht es nicht so gut aus]. Dabei gibt es von über 300
Städten die Initiative, Tempo 30 als Richtgeschwindigkeit für Autos
festzulegen.
Ich persönlich bin kein großer Fan von Ampeln in der Stadt. Zwischen
Radfahrenden und zu Fuß Gehenden gibt es eigentlich keine Konflikte. Das
heißt, wir brauchen die Ampeln nur für schnelle Autos, die über 30 km/h
fahren. Sollte die maximale Geschwindigkeit von Autos also begrenzt werden,
bräuchten wir keine Ampeln. Das wäre nicht nur schöner, sondern würde auch
für mehr Interaktion zwischen den Verkehrsteilnehmenden sorgen. In den
Beneluxstaaten oder Skandinavien wird zum Beispiel absichtlich auf
Verkehrsschilder verzichtet, um die Aufmerksamkeit der Menschen zu fordern.
So müssten Autos vorsichtig an eine Kreuzung heranfahren und könnten nicht
wie bei einer grünen Ampel einfach rüberrauschen. Alle würden profitieren,
wenn man mehr aufeinander achtet.
Im Kleinen können Bürgerinnen und Bürger aber viel bewegen. Schon oft wurde
durch Proteste in kurzer Zeit aus einer Ampel ein Zebrastreifen. Und auch
die FGSV bekommt etwas von der Diskussion um sie mit. Vergangenen Herbst
wurde beschlossen, die Klimaschutzziele in die Richtlinien für den Verkehr
aufzunehmen. Also soll bei Straßenbreiten und Ampelschaltungen zukünftig
auch ans Klima gedacht werden.
Häh? Haben Sie auch manchmal Probleme, andere Menschen zu verstehen? Wir
helfen bei der Antwort. Schicken Sie Ihre Frage an
[4][[email protected]].
7 May 2023
## LINKS
[1] /Fussverkehrskongress-in-Bremen/!5926251
[2] /Eine-neue-Verkehrspolitik-ist-noetig/!5927677
[3] /Infrastruktur-fuer-Fahrrad/!5918979
[4] /[email protected]
## AUTOREN
Sophie Fichtner
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