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# taz.de -- Die Verständnisfrage: Immer die Mehrheit sein?
> Wie fühlt es sich an, in männerdominierten Studiengängen in der Mehrheit
> zu sein? Das will eine Leserin wissen. Ein Ingenieurstudent antwortet.
Bild: Im Hörsaal in der Unterzahl: In vielen naturwissenschaftlichen Fächern …
In der Verständnisfrage geht es jede Woche um eine Gruppe, für deren
Verhalten der Fragesteller_in das Verständnis fehlt. Wir suchen eine
Person, die antwortet.
## Alina Koch, Ingenieurstudentin aus Freiburg, fragt:
Liebe Männer, wie fühlt es sich an, in naturwissenschaftlichen
Studiengängen meistens in der Mehrheit zu sein?
## Lennart, Wirtschaftsingenieurstudent aus Berlin, antwortet:
Ich merke schon manchmal, dass ich in der Mehrheit bin. Dadurch, dass es
bei mehr Männern im Raum mehr männliche Wortbeiträge gibt. Im Extremfall
ist das dann ein bisschen mehr Profilieren, ein bisschen mehr Angeberei.
Das kenne ich aus Fußballmannschaften mit 100 Prozent Männerquote. Fußball
kann man nicht ganz mit der Uni vergleichen, [1][aber gemischte Teams sind
besser]. Es ist kein Geheimnis, dass die auch im Arbeitskontext
erfolgreicher sind.
Außerdem muss ich zugeben, dass ich als Single nach Berlin zum Studieren
kam und [2][Lust hatte, eine Frau kennenzulernen]. Die meisten Menschen
lernen in ihrem Umfeld jemanden kennen. In einem Studium, in dem nur Kerle
sitzen, geht das nicht. So gesehen ist das reine Männer-Frauen-Verhältnis
schon präsent und nicht immer positiv aufgefallen. Selbst bei meinem
Freundeskreis an der Uni. Da sind wir so sechs, sieben Männer und eine
Frau.
Ich weiß noch, dass ich 2015 angefangen habe zu studieren, und damals waren
in meinem Studiengang, dem größten an der TU Berlin, etwa 70 Prozent
Männer. Gerade in den Vorlesungen zu Beginn meines Bachelors saßen große
Männergruppen im Saal. Das Verhältnis ist in den Kursen nicht überall
gleich: In den Wirtschaftskursen sitzen zum Beispiel mehr Frauen als in den
Ingenieurkursen.
Beim inhaltlichen Arbeiten im Studiengang fällt es mir weniger auf, dass
ich in der Mehrheit bin. Ich glaube, auch die Kommilitoninnen, die mit mir
angefangen haben, wussten, dass das Ingenieurwesen männerdominiert ist, und
sind selbstbewusst da reingegangen. Die hatten ordentlich was auf dem
Kasten. Ich glaube aber, dass sie sich schon trauen mussten, das auch zu
zeigen, aber das haben sie. Das ist natürlich nur meine Wahrnehmung als
Mann.
Unser Studium ist einem ausgeglichenen Redeverhalten vielleicht zuträglich.
Es gibt nämlich eher Übungen und man muss zusammenrechnen, und wer die
Aufgaben gelöst hat, meldet sich und kommt dann in der Reihenfolge dran, in
der sie oder er sich gemeldet hat. Da bringt es gar nichts, lauter zu sein,
man muss nur die richtige Zahl nennen.
In geisteswissenschaftlichen Studiengängen wird mehr diskutiert, da kommt
es vielleicht eher vor, dass Männer dazwischenreden und einen größeren
Gesprächsanteil haben, einfach weil sie Männer sind. Sicherlich ist die TU
hier in Berlin auch schon besser aufgestellt.
Das heißt, die Unileitung setzt sich für Gleichstellung ein, in anderen
Städten regt sich da nach meinem Verständnis weniger. Ich weiß auch noch,
dass die Uni bei meinem Studienbeginn stolz darauf war, dass sich über 30
Prozent Frauen eingeschrieben haben – das ist mehr als anderswo.
Trotzdem denke ich, dass man sich darauf nicht ausruhen sollte. Ich denke,
die Uni wäre gut damit beraten, sich die Gründe für strukturelle
Ungleichheiten noch einmal genauer anzusehen und [3][Frauen in den
Ingenieurstudiengängen zu stärken].
Ich selbst merke, dass ich jetzt, wo ich darüber nachdenke, gerne verstehen
möchte, ob es noch Unterschiede gibt, die mir nicht aufgefallen sind. Die
einzige Frau in unserem Freundeskreis hätten wir vielleicht noch öfter
fragen sollen, wie sie das wahrnimmt.
Häh? Haben Sie auch manchmal Probleme, andere Menschen zu verstehen? Wir
helfen bei der Antwort. Schicken Sie Ihre Frage an [email protected].
22 May 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Ann-Kathrin Leclere
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