# taz.de -- Schwarz-rote Regierung in Berlin: Giffeys langer Schatten | |
> Eine tief gespaltene Berliner SPD verhilft der CDU zur Macht. Die | |
> Sozialdemokraten und die Stadt werden das teuer bezahlen müssen. | |
Bild: Dass die einstige Regierungschefin eines Landes auch dem Kabinett ihres N… | |
Der Weg zu einer schwarz-roten Landesregierung in Berlin ist bereitet: Nach | |
der SPD am Sonntag hat am Montagabend [1][auch ein CDU-Parteitag für den | |
Koalitionsvertrag] gestimmt. Am Donnerstag wird [2][Kai Wegner] vom | |
Abgeordnetenhaus zum neuen Regierenden Bürgermeister gewählt. Sein | |
[3][zehnköpfiges Regierungsteam ist bereits bekannt]. Und nur zwei Frauen | |
dürfen weiterhin im Amt bleiben: Die SPD-Innensenatorin soll einen von der | |
CDU diktierten Law-and-Order-Koalitionsvertrag umsetzen. Und Franziska | |
Giffey zieht vom Roten Rathaus um in die Senatsverwaltung für Wirtschaft. | |
Dass die einstige Regierungschefin eines Landes auch dem Kabinett ihres | |
Nachfolgers angehört, hat es in Deutschland [4][seit mehr als 60 Jahren | |
nicht mehr gegeben]. Doch als Wirtschaftssenatorin hat die Noch-Regierende | |
den Posten mit der wohl geringsten politischen Strahlkraft abbekommen. | |
Ausgerechnet Giffey, die sich in den eineinhalb Jahren Rot-Grün-Rot vor | |
fast jede Kamera und jedes Mikrofon drängte, soll nun vor allem im | |
Hintergrund Senatspolitik gestalten. Aber mehr war für die SPD-Landeschefin | |
nicht mehr drin nach den [5][Schlappen bei der Wiederholungswahl] und bei | |
der [6][SPD-Mitgliederabstimmung über die Koalition am Sonntag]. | |
Zweieinhalb Monate nach der Wahl haben sich die politischen Verhältnisse in | |
der Hauptstadt damit komplett verkehrt: Statt einer fast sicheren und auch | |
rechnerisch möglichen Fortsetzung von Rot-Grün-Rot regiert künftig | |
Schwarz-Rot mit dem einst wegen angeblich fehlender Koalitionspartner als | |
„einsamen Kai“ verspotteten Wegner an der Spitze. Einsam ist es inzwischen | |
vor allem um Giffey. | |
Denn nach dem knappen Ausgang des SPD-Mitgliederentscheids wird die Kritik | |
an ihr aus den eigenen Reihen immer lauter. Der einstigen | |
Bundesfamilienministerin werden zahlreiche Fehler vorgehalten, die erst zu | |
der Wahlniederlage geführt haben und dann zu dem überraschenden Schritt, | |
als Juniorpartnerin von sich aus auf das Rote Rathaus zu verzichten. | |
Die Partei – daran sind sich in der SPD alle einig – ist erkennbar tief | |
gespalten in der Frage, wohin die politische Reise gehen soll und mit wem. | |
Giffeys jüngst bei „Markus Lanz“ geäußerter Satz „Jetzt steht an, dass | |
Berlin mich braucht“, wirkt da wie Hohn. Was Berlin und die SPD brauchen, | |
ist eine Exit-Option, wie man Giffey gesichtswahrend wieder loswerden kann. | |
Doch das kann dauern, denn bisher ist niemand in Sicht, der als künftige | |
Spitzenkandidat*in bereitstehen könnte. Und die nächste Wahl ist | |
bereits 2026. | |
## Schlechte Aussichten für Rot-Grün-Rot | |
Für CDU-Chef Wegner sind das gute Aussichten. Während die SPD um sich | |
selbst kreist, kann er durchregieren und dabei auf die Unterstützung der | |
fünf SPD-Senator*innen hoffen. Fast alle gehören zu Giffeys alter Garde: | |
Sie müssen durchhalten, solange die Partei sie erduldet. Nicht zuletzt für | |
die Bau- und Liegenschaftspolitik und die Umsetzung des | |
Enteignen-Volksentscheids lässt das wenig hoffen. | |
Doch eine schwache, weil gespaltene SPD verringert auch die Möglichkeit für | |
eine baldige Neuauflage des linken Bündnisses mit Grünen und Linken. Bei | |
den Wahlen im Februar hatte diese Koalition noch eine Mehrheit von 5 | |
Prozentpunkten. In drei Jahren könnte der bei einem weiteren | |
Bedeutungsverlust der Linken auf Bundesebene und einer unklarer Ausrichtung | |
der Berliner SPD zusammengeschmolzen sein. Immerhin üben die | |
Sozialdemokraten schon mal, wie es ist, in einem Bündnis nicht mehr | |
stärkste Kraft zu sein – die Grünen, die im Februar nur mehr 53 Stimmen | |
hinter der SPD landeten, werden sich für das Training bedanken. | |
Denn vor allem diese beiden Parteien müssen ihr Verhältnis untereinander in | |
den nächsten drei Jahren klären, damit eine Zusammenarbeit wieder infrage | |
kommt. Wichtig ist dabei: Wo unterscheiden sich eine linke SPD und die | |
Grünen? Doch darüber reden lässt sich erst, wenn absehbar ist, wer die | |
perspektivisch richtigen Ansprechpartner*innen in der SPD sind. | |
So hallt Franziska Giffeys Intermezzo in der Berliner SPD und als | |
Regierende Bürgermeisterin viel länger nach als gedacht. Ihr Kurs hat | |
Berlins Sozialdemokraten in eine inhaltliche und personelle Krise geführt, | |
gleichzeitig die CDU gestärkt und für nachhaltigen Zwist im linken Lager | |
geführt. Nicht schlecht, möchte man spöttisch sagen, dafür, dass Giffey | |
erst seit zweieinhalb Jahren Co-Parteichefin ist. Wären da nicht die vielen | |
Herausforderungen, allen voran die Klimakrise einschließlich einer nötigen | |
Verkehrswende, die auch Berlin vor massive Probleme stellen und progressive | |
Politik nötig machen statt simpler Besitzstandswahrung. | |
25 Apr 2023 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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