# taz.de -- Eingeschränkte Bürgerbegehren: Breite Front gegen Demokratie-Abbau | |
> Schleswig-Holsteins CDU und Grüne schränkten per Gesetz Bürgerentscheide | |
> und die Rechte kleinerer Parteien ein. FDP und SSW klagen nun dagegen. | |
Bild: Soll nicht mehr durch Schleswig-Holstein tuckern: Omnibus für direkte De… | |
RENDSBURG taz | Unter dem Motto „Rettet den Bürgerentscheid“ sammelt seit | |
Mitte April eine Volksinitiative in Schleswig-Holstein Unterschriften gegen | |
ein neues Gesetz, mit dem die Landesregierung aus CDU und Grünen [1][die | |
Regeln für die direkte Demokratie verschärft] und die Rechte von kleineren | |
Parteien und Wählergemeinschaften in den Kommunen schmälert. | |
Als weiterer Baustein in der Mauer gegen das „Gesetz zur Änderung | |
kommunalrechtlicher Vorschriften“ kommt nun eine Klage dazu, die die | |
Fraktionen von FPD und Südschleswigschem Wählerverbands (SSW) beim | |
Landesverfassungsgericht einreichen wollen. Eine erste Entscheidung könnte | |
schon vor der anstehenden Kommunalwahl fallen. | |
Mitte Mai stimmen die Wahlberechtigten im Norden über ihre Gemeinderäte, | |
Stadtversammlungen und Kreistage ab. Wie die Kommunalparlamente künftig | |
zusammenarbeiten und ob die Bürger*innen per Volksentscheid mitbestimmen | |
dürfen, wird künftig von einem Gesetz bestimmt, das die schwarz-grüne | |
Regierungsmehrheit im März beschlossen hat. | |
Die neue Regel setzt die Größe für Fraktionen herauf, was die Arbeit für | |
kleinere Parteien erschwert, da der Fraktionsstatus einige Rechte mit sich | |
bringt. Zudem soll es keine Bürgerbegehren zu Bauleitplanungen mehr geben, | |
die mit Zwei-Drittel-Mehrheit von der Kommunalvertretung beschlossen | |
wurden. | |
## Regierung will Klimaprojekte beschleunigen | |
Damit stelle die Regierung „das Funktionieren der Kommunalvertretungen in | |
den Mittelpunkt“, sagte Thomas Jepsen (CDU) im Landtag. Die Grünen tun sich | |
schwerer mit der Regelung, stehen aber dazu: Es gehe darum, etwa bei | |
Klimaprojekten „schneller zu werden“, sagte der Landtagsabgeordnete Jan | |
Kürschner. | |
[2][Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) erinnerte in der | |
Landtagsdebatte] an die ausführlichen Beratungen, in deren Verlauf einiges | |
geändert und abgeschwächt wurde. So sei die Regierung bei der Frage der | |
Fraktionsgröße den kommunalen Verbänden gefolgt. „Das Gesetz ist in der | |
Gesamtschau ausgewogen“, so Sütterlin-Waack. | |
Die Opposition sieht dagegen einen „fatalen Demokratieabbau“, so Christoph | |
Vogt (FDP). Die Liberalen und der SSW haben daher Klage beim | |
Landesverfassungsgericht in Schleswig eingereicht. Das Gesetz führe eben | |
nicht zu mehr Geschwindigkeit, sondern zu „mehr politischer Fragmentierung, | |
zu mehr fraktionslosen Mandatsträgern und zu erhöhtem Beratungs- und | |
Koordinationsbedarf“, befürchtet Lars Harms (SSW). | |
Das Verfahren wird wahrscheinlich erst zum Jahresende entschieden, aber der | |
Verwaltungsrechtler Moritz von Rochow, der die Fraktionen vertritt, | |
rechnet angesichts der bevorstehenden Kommunalwahl mit einer vorläufigen | |
Eil-Entscheidung des Gerichts. Denn: „Alle Entscheidungen nach der Wahl | |
stehen unter dem Damokles-Schwert der Nichtigkeit.“ | |
## Eil-Entscheidung erwartet | |
Falls nämlich das Gericht das Gesetz aufhebt, könnten davon Betroffene, | |
also Klein-Parteien ebenso wie Bürger*innen, gegen Beschlüsse ihrer | |
Kommunalparlamente vorgehen. Dass die Klage so knapp vor der Wahl erfolgt, | |
sei nicht die Schuld von FDP und SSW, betont Harms: „Nicht wir, sondern CDU | |
und Grüne waren spät dran. Wir wehren uns nur.“ | |
Die größte Oppositionspartei im Landtag, die SPD, klagt nicht mit. Geredet | |
hätten die Fraktionen durchaus darüber, sagt Harms. Doch bei dem Punkt der | |
Fraktionsgröße habe die SPD nicht mitgezogen. Das bestätigt Kai Dolgner | |
(SPD). Die SPD teile aber die Kritik weitgehend: „Es dürfte niemanden | |
überraschen, dass wir SSW und FDP viel Erfolg bei ihrer Klage wünschen“, so | |
Dolgner. | |
Beteiligt sind die Sozialdemokraten an einem Volksentscheid, den der Verein | |
„Mehr Demokratie“ ins Leben gerufen hat. Unter dem Motto „Rettet den | |
Bürgerentscheid“ sammelt ein Bündnis aus Parteien und | |
zivilgesellschaftlichen Organisationen Unterschriften gegen das neue | |
Gesetz. Erstunterzeichnerin und Vertrauensperson ist die | |
SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli. | |
„Die Landesregierung hat ohne Not und gegen jede Vernunft die | |
Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger beschnitten. Deshalb müssen | |
wir jetzt diesen Weg gehen. Und wir sind viele!“, sagte sie nach ihrer | |
Unterschrift im Kieler Rathaus. | |
Nicht nur auf Landesebene formiert sich der Widerstand, sondern auch die | |
Kommunen selbst haben Probleme mit der neuen Regelung. Der Kreistag in Plön | |
beschloss bei seiner Sitzung im April mit klarer Mehrheit eine Resolution, | |
in der das Land aufgefordert wird, den Beschluss rückgängig zu machen. Eine | |
„denkwürdige“ Sitzung sei das gewesen, heißt es in einer gemeinsamen | |
Erklärung der Linken-Fraktion und der Fraktion der lokalen | |
Wählergemeinschaft „Gemeinsam vor Ort“, die die Resolution einbrachten. | |
„Der Kreistag Plön wendet sich gegen die im Schleswig-Holsteinischen | |
Landtag beschlossene Einschränkung der Mitwirkungsrechte kleinerer Parteien | |
und Wählergemeinschaften und den Abbau der direkten Demokratie“, heißt es | |
im Antrag, für den am Ende ein Bündnis von Linken über SPD bis FDP | |
zustimmte. Die CDU stimmte dagegen, die Grünen im Kreistag enthielten sich. | |
„Ihnen scheint mit dem, was da seitens der [3][Grünen in der | |
Landesregierung] vertreten wird, nicht wohl zu sein“, heißt es in der | |
Pressemitteilung von Wählergemeinschaft und Linken. | |
4 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Direkte-Demokratie-in-Schleswig-Holstein/!5886839 | |
[2] https://www.landtag.ltsh.de/export/sites/ltsh/infothek/wahl20/plenum/plenpr… | |
[3] /Schwarz-Gruene-Koalitionsvertraege/!5863162 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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